Zum Inhalt: Stummfilm, das bedeutete: Die Bilder schwiegen, doch das Kino war laut. Während in Indien das Publikum selbst angehalten war, den fehlenden Zum Inhalt: Ton durch eigene Laute zu ersetzen, verfügte das japanische Kino über einen Filmerzähler (benshi), der die Filmhandlung erklärte, den Figuren seine Stimme lieh und das Gesehene kommentierte. Das wichtigste Mittel, die unheimliche Stille der Bilder zu übertönen, war jedoch die Musik. Der Bühnenpraxis des Theaters und der Oper entwachsen, diente Zum Inhalt: Filmmusik zunächst dazu, das dramatische Geschehen mit Live-Musik zu unterlegen und die dargebotenen Gefühle zu verstärken – entweder auf einem Klavier, einer Kinoorgel oder mit ganzem Orchester. Dabei griffen die Musiker/-innen auf Musikkataloge (cue sheets) zurück; in ihnen waren vorwiegend klassische Stücke gesammelt, sortiert nach Situation, dramatischer Wirkung und Stimmung. Eigenkompositionen waren eher selten. So wurde die Uraufführung von Sergei Eisensteins Zum Filmarchiv: "Panzerkreuzer Potemkin" Ende 1925 in Moskau mit klassischen Orchesterwerken, etwa der "Egmont"-Ouvertüre, unterlegt, während Komponist Edmund Meisel für die deutsche Aufführung 1926 eine vollständige neue Komposition verfasste.

Bereits 1908 schrieb der französische Komponist Camille Saint-Saëns für den Zum Inhalt: Kurzfilm "Die Ermordung des Herzogs von Guise" (Charles Le Bargy, André Calmettes, F 1908) die erste eigens für einen Film angefertigte Musik. Doch dauerte es bis zum Durchbruch des Tonfilms um 1930, bis die Komposition von Originalmusik (Score) das Zusammenstellen vorexistierender Musik als gängige Praxis ablöste. Bis dahin entstanden die bedeutendsten Kompositionen der Stummfilmzeit vor allem in Europa und der Sowjetunion. Etablierte Komponisten des 20. Jahrhunderts wendeten sich dem neuen Medium zu und schrieben neben ihren Konzertarbeiten auch Filmmusik zu den frühen Avantgarde-Werken des Kinos. Eric Satie komponierte für den surrealistischen Kurzfilm "Entr'acte" (René Clair, F 1924) stark wiederholende Musikpassagen, um die Synchronität zwischen Musik und Zum Inhalt: Bild zu erleichtern. Dmitri Schostakowitschs Komposition zu "Das neue Babylon" (Grigori Kosinzew, Leonid Trauberg, UdSSR 1929) geht weit über reine Musikbegleitung hinaus und gibt den Bildern zusätzliche Bedeutung: Entgegen gängiger Musikklischees ordnet sie die "Marseillaise", Frankreichs Nationalhymne und Sinnbild für die Revolution, im Film ausgerechnet dem gegenrevolutionären Bürgertum zu.

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Filmmusik zwischen Tradition und Innovation

Wie jede andere Kunstform ist die Geschichte der Filmmusik von unterschiedlichen Stilrichtungen, Strömungen und Formexperimenten gezeichnet, die sich in einem gegenseitigen Wechsel aus Tradition und Innovation überlagern. Der europäischen Herkunft bedeutender Komponisten wie Max Steiner ("King Kong und die weiße Frau" , USA 1933), Erich Wolfgang Korngold ("Die Abenteuer des Robin Hood" , USA 1938), Miklós Rózsa ("Ich kämpfe um dich" , USA 1945) oder Dimitri Tiomkin ("Zwölf Uhr mittags" , USA 1952) geschuldet, war die goldene Ära der Hollywoodfilmmusik in den 1930er- und 1940er-Jahren dem sinfonischen Orchesterklang der alten Heimat verpflichtet. Zeitgleich wurde in Europa jedoch gezielt mit dieser Musiktradition gebrochen. Man verließ die themenorientierte Tonalität der Romantik zugunsten der abstrakten Klangwelt der Neuen Musik. Die Filmmusik sollte das Geschehen nicht mit Musik illustrieren, sondern einen Kontrapunkt zu ihm darstellen. Zum Inhalt: Zu Beginn von "Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?" (D 1932, Slatan Dudow) verhindert der Widerspruch zwischen den Zum Inhalt: tristen Einstellungen und der aufreibenden Musik von Hanns Eisler jegliche Einfühlung der Zuschauenden.

Das Verhältnis von Musik und Bild

Im europäischen Kino bildeten Musik und Bild nicht mehr notwendig eine Einheit, sondern standen in einem komplexeren Verhältnis zueinander. Für "Alexander Newski" (UdSSR 1938) arbeiteten Regisseur Sergei Eisenstein und Komponist Sergei Prokofjew an einer "vertikalen" Zum Inhalt: Montage zwischen musikalischen und visuellen Elementen, so dass Bild, Musik und Bewegung parallel zueinander liefen und sich ergänzten. In den Filmen der französischen Nouvelle Vague der 1950er- und 60er-Jahre befreiten sich Musik und Bild ganz von der Dominanz der Erzählung und waren als Elemente des Films gleichgestellt. In "Elf Uhr nachts" (F 1965) verwendete Jean-Luc Godard Antoine Duhamels Filmmusik als Rohmaterial, das er im Schnitt zerteilte, manipulierte und nach dem visuellen Rhythmus des Filmbildes neu zusammensetzte. Abseits der westlichen Welt entstand im indischen Hindi-Film dagegen eine komplett andere Musiktradition. Grundlage des in den 1970er-Jahren aufblühenden Bollywood-Kinos sind seine üppigen Gesangs- und Tanznummern. Die Filmmusik besteht aus populären Songs, die noch vor Erscheinen des Kinofilms über Fernsehen und Radio verbreitet werden und dessen Erfolg mitbestimmen. Indische Filmkomponisten werden daher als ebenso große Stars verehrt wie die Sängerinnen, Schauspieler und Filmschaffenden.

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Stets auf der Suche nach einem neuen Sound, hat sich die Filmmusik über den orchestralen Rahmen hinaus auch andere Musikstile einverleibt. Seit den 1950er-Jahren integrierten Filmkomponisten weltweit Jazz- und Folk-Musik-Elemente in ihre Scores. Für "Fahrstuhl zum Schafott" (F 1958, Louis Malle; Trailer des Films siehe oben) improvisierte Musik-Legende Miles Davis einen kompletten Jazz-Soundtrack. Neben Jazz öffnete sich die Filmmusik auch der populären Musik. Musiker/-innen aus den Bereichen Rock und Pop, später auch aus dem Hip-Hop, wurden engagiert, um weitestgehend aus Songs bestehende Film-Soundtracks zu schreiben: etwa das Duo Simon & Garfunkel für Zum Filmarchiv: "Die Reifeprüfung" (USA 1967) oder der Rapper Eminem für (USA 2002). Manche von ihnen wie Vangelis ("Die Stunde des Siegers" , GB 1981, Hugh Hudson) oder Hans Zimmer (Zum Filmarchiv: "Inception", USA/UK 2010) wurden so selbst zu Filmkomponisten und für ihre vor allem am Synthesizer erzeugte Filmmusik berühmt. Unter diesem Einfluss entstanden seit den 1980er-Jahren vermehrt synthetische Scores, die durch die Vermischung von elektronischen und orchestralen Tönen neue Klangwelten erschlossen.

Der Komponist Hans Zimmer, Szene aus Score – Eine Geschichte der Filmmusik (© Epicleff Media/NFP)

Filmmusik als "Weltmusik"

Im Sinne von "Weltmusik" gelingt es manchen Filmkompositionen, eine Brücke zwischen verschiedenen Filmkulturen zu schlagen. Um den japanischen Film "Die sieben Samurai" (1954, Akira Kurosawa) einem westlichen Publikum näher zu bringen, verband Komponist Fumio Hayasaka traditionelle japanische Musik mit abendländischen Kompositionstechniken wie dem Gebrauch von Leitmotiven. Andersherum finden folkloristische Instrumente, Tanzrhythmen und Gesänge anderer Kontinente Eingang in das Klangrepertoire westlich geprägter Musikschaffender. Die internationale Zusammenarbeit von Komponistinnen und Komponisten unterschiedlicher Nationalitäten ist gerade im Arthaus- und Independent-Kino keine Seltenheit mehr; in ihnen wirkt die Kraft des transkulturellen Austausches am stärksten. Für den Monumentalfilm (CHI/GB/F 1987) über das Leben des letzten chinesischen Monarchen begegnen sich mit Kompositionen von Ryuichi Sakamoto, David Byrne und Cong Su drei sehr individuelle Annäherungen an die chinesische Musikwelt.

Doch bleibt ein gewisses Ungleichgewicht bestehen. Die Dominanz der westlichen Kulturindustrie ist groß. Bislang bleiben selbst in den umfassendsten Studien zur Geschichte von Film und Musik die Kinokulturen Lateinamerikas oder Afrikas Randnotizen. Dabei veranschaulichen sie eindringlich, wie eng kulturelle Identität und Musik zusammenhängen können. Im afrikanischen Autorenkino etwa ist die Filmmusik oft Teil des politischen Anspruchs, gegen die Last des Imperialismus anzukämpfen und dem afrikanischen Kontinent eine eigene Stimme zurückzugeben. Filmschaffende wie der Senegalese Moussa Sené Absa ("Teranga Blues" , Senegal 2007) sehen sich dabei als moderne Griots (westafrikanische Troubadoure und Geschichtenerzähler), welche im Akt der mündlichen Überlieferung die eigene Kultur bewahren. Sie sind die Barden einer anderen Geschichte der Filmmusik.

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