Karg und menschenleer umgibt mich eine Mondlandschaft. Durch eine Virtual-Reality-Brille lasse ich meinen Blick um 360-Grad schweifen und entdecke überraschenderweise Meerschweinchen, einen Föhn und eine Gießkanne. Mithilfe eines Controllers greife ich die Kanne, um die unwirtliche Umgebung zu bewässern. Blitzschnell sprießen Pflanzen in die Höhe. Knirschen. Knacken. Ich kann sie wachsen hören.

Fünf virtuelle Räume laden dazu ein, sich spielerisch und auf Augenhöhe in das Innenleben der Kinder Elias, Joline, Wisdom und Roya einzufühlen. Ausgehend von ihrem Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Meine Wunderkammern" (DE 2020) hat Regisseurin Susanne Kim gemeinsam mit den vier Kindern im Alter von elf bis 14 Jahren eine Virtual-Reality-Exprience für Schüler/-innen ab der 3. Klasse kreiert: Das Erlebnis startet in einem Hauptraum, in dem Gegenstände der vier Kinder zu finden sind und kleine Rätsel gelöst werden müssen, um in die persönlichen Wunderkammern zu gelangen.

Meine Wunderkammern VR, Trailer (© expanding focus GmbH / Neufilm GmbH)

Vier Kinder und ihre Welt

Die Mädchen und Jungen lassen die User/-innen an ihren Tagträumen teilhaben oder laden dazu ein, ihre selbst erdachten Spiele mitzuspielen. Drei- und zweidimensionale Objekte und Zum Inhalt: Animationen werden mit Realfilmaufnahmen und einem komplexen Zum Inhalt: Sounddesign zu einem immersiven Erlebnis verwoben: Den elfjährigen Wisdom begleiten wir auf einer Floßfahrt. Erst deuten Vegetation und Tiere auf Deutschland hin, schnell befinden wir uns jedoch auf einem Fluss mitten im Dschungel. Wisdom spricht über die Migrationsgeschichte seiner Eltern, die aus Kamerun stammen, und seinen Wunsch, dieses Land zu besuchen. Auch Roya lernen wir über einen 360-Grad-Film kennen. Sie berichtet von ihrer traumatischen Flucht aus dem Iran. Roya kam mit ihrer Mutter im Schlauchboot über das Mittelmeer und lebt nun in einer Hochhaussiedlung in Deutschland. Sowohl Wisdom als auch Roya leiden darunter, dass sie in ihrer (neuen) Heimat als Fremde wahrgenommen werden. Die beiden anderen Kinder, die dem Stress im Alltag und Schule entkommen, indem sie sich in ihre eigene Fantasiewelt zurückziehen, werden über Mini-Spiele vorgestellt. In Elias Wunderkammer begrünen die User/-innen einen kargen Planeten und treffen auf Katzenmenschen, in Jolines schrumpfen sie auf Miniaturgröße, lassen gigantische Buchstaben zerplatzen und machen Musik, indem sie Käfer in einem Pappkarton bewegen. Die individuelle Gestaltung jedes Raumes vermittelt einen Eindruck davon, wie unterschiedlich die vier Kinder ihre Umwelt wahrnehmen und wie sie im Schutzraum des Spiels Mut und Kraft schöpfen, um ihr alltägliches Leben zu meistern.

Aktives Erleben durch VR

"Meine Wunderkammern VR" eignet sich besonders, um bereits Schüler/-innen im Grundschulalter an das Medium Virtual Reality heranzuführen. Für den Einsatz im Unterricht wird ein spezieller "Koffer" angeboten, der neben dem technischen Gerät auch pädagogisches Begleitmaterial enthält: Das VR-Erlebnis ist auf den mitgelieferten PICO-Brillen installiert. Navigation, Menüführung und Steuerung sind kindgerecht und intuitiv. Für die technische und inhaltliche Betreuung sind mindestens zwei Lehrer/-innen pro Klasse empfehlenswert. Das Virtual-Reality-Erlebnis macht durch das "Eintauchen" in die Welt der Protagonist/-innen Lerninhalte erlebbar, allerdings kann es auch starke emotionale Reaktionen hervorrufen, worauf die Schüler/-innen entsprechend vorbereitet werden sollten. So können die Schüler/-innen via VR-Brille in kurzen Ausschnitten Royas Überfahrt im Schlauchboot quasi miterleben, was unter Umständen eigene vergleichbare Erfahrungen wieder wachrütteln kann.

"Wir haben das VR-Erlebnis bewusst niedrigschwellig konzipiert. So haben wir auf typische Gaming-Elemente, wie zum Beispiel Levels und Belohnungen verzichtet, die reizüberflutend wirken können", sagt Regisseurin Susanne Kim. "Deshalb können auch Menschen mit Beeinträchtigungen daran Gefallen finden, die Wunderkammern zu entdecken." Allerdings müsse man darauf achten, wie die Nutzer/-innen reagieren, wenn sie die VR-Brille aufsetzen. "Insbesondere Kinder signalisieren schnell, wenn sie überfordert sind", so Kim.

Tragendes Thema dieses VR-Erlebnisses ist das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft. Elias, Joline, Wisdom und Roya erzählen über Freundschaft, Familie und ihren Alltag, zu dem aber auch Themen wie Ausgrenzung und Mobbing gehören. Im Schaffensprozess erleben sie sich als wertvoll und handlungsfähig. Die immersive Wirkung des Mediums begünstigt, dass die User/-innen – statt in einer beobachtenden Position zu verharren – spielerisch die Welt aus der Sicht der vier Mädchen und Jungen erkunden, sich in ihre Konflikte hineinversetzen und in ihre Wünsche einfühlen. Dieser Perspektivwechsel regt ein empathisches, wertschätzendes und diskriminierungssensibles Verhalten an.

Wichtiger Hinweis:

Info zur Buchung:
Das VR-Erlebnis kann per Email E-Mail: meine-wunderkammern@expanding-focus.de beim Verleih von expanding focus GmbH gebucht werden.


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