Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland wurde im Kino schon oft und auf sehr unterschiedliche Weise thematisiert. Einige der Filme haben den öffentlichen Diskurs zweifellos maßgeblich beeinflusst. Umso mehr sind sie als Gegenstand gleichermaßen der Filmbildung wie auch der historischen politischen Bildung von besonderem Interesse. So enthält der 2003 von der bpb veröffentlichte Filmkanon einige bedeutende Filmwerke, die sich mit dem Kriegsende auseinandersetzen.

In unserer aktuellen Monatsausgabe nehmen wir den 75. Jahrestag der Befreiung von der NS-Dikatur zum Anlass, um diese Filme noch einmal vorzustellen: Im Einzelnen handelt es sich dabei um Roberto Rossellinis (1948), Bernhard Wickis (1959), Konrad Wolfs Zum Filmarchiv: "Ich war neunzehn" (1968) und Rainer Werner Fassbinders Zum Filmarchiv: "Die Ehe der Maria Braun" (1979). Diese im Kanon enthaltene Auswahl ergänzt Wolfgang Staudtes Zum Filmarchiv: "Die Mörder sind unter uns" (1946), der Begründer des sogenannten Trümmerfilms. Außer einer kurzen Einführung im Rahmen dieses Textes bietet die Ausgabe Filmbesprechungen und Arbeitsblätter ab der 10. Klasse sowie Links zu weiteren Informationen und Materialen zum Thema.

"Die Brücke" (Regie: Bernhard Wicki, BRD 1959)

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75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist absehbar, dass es bald keine Zeitzeugen und Zeitzeuginnen mehr geben wird, die aus eigenem Erleben über die damaligen Ereignisse berichten können. Mehr noch als bisher werden Filme daher zu einem zentralen Baustein einer Erinnerungskultur, deren Ziel es ist, das Andenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft lebendig zu erhalten und darüber aufzuklären. Unser Hintergrundtext widmet sich zwei ebenfalls im Kanon enthaltenen Zum Inhalt: dokumentarischen Werken, die als Wegmarken herausragen: Alain Resnais‘ Zum Filmarchiv: "Nacht und Nebel" (1955) und Claude Lanzmanns Zum Filmarchiv: "Shoah "(1985).

Ruinen als Filmset

Mit dem Zusammenbruch des NS-Staates im Mai 1945 kam auch die Filmproduktion in Deutschland zum Erliegen. Doch bereits im Frühjahr 1946 begannen die Dreharbeiten zum ersten deutschen Nachkriegsfilm: Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns" , die erste DEFA-Produktion, nahm stilistisch Anleihen an das expressionistische Kino der Weimarer Republik, nutzte dabei aber die reale Ruinenlandschaft Berlins als Zum Inhalt: Schauplatz. Er inspirierte eine Reihe weiterer Trümmerfilme, die vor allem die aktuelle Not der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellten. Staudtes Blick richtete sich vor allem auf die Vergangenheit: Sein Protagonist ist ein Kriegsheimkehrer, der unter seinen Erinnerungen an die Erschießung unschuldiger Zivilisten und Zivilistinnen an der Ostfront leidet – und der beschließt, den verantwortlichen Offizier persönlich zur Rechenschaft zu ziehen.


Indem Staudtes Film die Sühne der NS-Verbrechen einforderte, besetzte er eine Ausnahmeposition im deutschen Kino der unmittelbaren Nachkriegszeit. Denn die Filmschaffenden, von denen viele zuvor selbst Teil der vom NS-Staat gelenkten Filmwirtschaft gewesen waren, schwiegen sich über das Ausmaß der Verstrickung der deutschen Bevölkerung aus. Der italienische Regisseur Roberto Rossellini hingegen griff das Thema auf. Sein Film "Deutschland im Jahre Null" begleitet einen Zwölfjährigen, der vereinsamt durch das zerstörte Berlin streift. Seine Begegnung mit einem früheren Lehrer hat schließlich fatale Konsequenzen: Fehlgeleitet von der Nazi-Ideologie des Mannes vergiftet der Junge seinen bettlägerigen Vater, um das Elend der Familie zu lindern. Rossellini inszenierte Deutschland im Jahre Null im Stil des damals aufkommenden italienischen Zum Inhalt: Neorealismus mit Laiendarstellerinnen und -darstellern, an Zum Inhalt: Originalschauplätzen und in einer dokumentarisch anmutenden Bildästhetik. Er selbst sah den Film als Versuch einer objektiven Bestandsaufnahme. Der Titel verweist auf ein Land im Zustand des zivilisatorischen Nullpunkts.

"Deutschland im Jahre Null" (Regie: Roberto Rossellini, Deutschland/Italien 1948)

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Rossellinis schonungsloser Blick auf Deutschland stieß hierzulande kaum auf Zustimmung. Ebenso wenig fand er in den Folgejahren Nachahmer im deutschen Kino. In der jungen DDR konzentrierten sich die Filme über die NS-Zeit meist auf die Verklärung des sozialistischen Widerstands. Im vom Wirtschaftswunder beseelten Westen strickte das Kino mit am Mythos der sauberen Wehrmacht. Erst 1959 sorgte dort der Film "Die Brücke" für Aufsehen, indem er radikal mit dem Heroismus des Soldatentums brach und die Menschenverachtung der nationalsozialistischen Führung klar zum Ausdruck brachte: Bernhard Wickis auf einem Tatsachenroman beruhendes Drama erzählt von Schülern, die in den letzten Kriegstagen als Soldaten eingezogen werden und erbittert eine unbedeutende Brücke verteidigen: Kanonenfutter, das in der Hitler-Jugend auf seine Rolle eingeschworen wurde.

Wie Bernhard Wicki knüpfte auch Konrad Wolf in seinem ebenfalls in Zum Inhalt: Schwarz-Weiß gedrehtem "Ich war neunzehn" visuell an den Zum Inhalt: Neorealismus an. Den Einfluss des italienischen Nachkriegskinos auf den DEFA-Film verrät schon die Eingangs Zum Inhalt: sequenz mit dem gespenstischen Bild eines auf dem Fluss treibenden gehenkten Überläufers, das Rossellinis Kriegsende-Film "Paisà" (1946) zitiert. Wolf, der als Kind aus Deutschland in die Sowjetunion emigriert war, verfolgte allerdings zugleich einen autobiografischen Ansatz. Der Regisseur hatte das Kriegsende als deutschstämmiger Offizier auf Seiten der Roten Armee erlebt. In seinem fragmentarisch erzählten Film verarbeitete er eigene Erinnerungen an seine Rückkehr in das ihm auf verstörende Weise fremd gewordenes Geburtsland. Dass Wolf in seiner Darstellung der Befreiung inhaltlich enge Grenzen gesetzt waren, liegt in der restriktiven Filmpolitik der DDR Ende der 1960er-Jahre begründet.

Die Illusion des Neuanfangs

Mit "Die Ehe der Maria Braun" schloss der westdeutsche Autorenfilmer Rainer-Werner Fassbinder eine Leerstelle in der deutschen Kinogeschichte, indem er eine weibliche Hauptfigur ins Zentrum eines Films über das Kriegsende stellte. Auch im Ausland wurde das in seiner Zum Inhalt: Farbigkeit an klassische Hollywood- Zum Inhalt: Melodramen erinnernde Werk seinerzeit begeistert aufgenommen. Über den Neuaufbau der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft zieht der Film ein illusionsloses Fazit: Die geschäftstüchtige, von Hanna Schygulla gespielte Protagonistin erlebt das Ende der NS-Zeit als eine vorübergehende Phase der Freiheit, in der für sie als Frau ein selbstbestimmtes Leben möglich scheint. Letztlich scheitert Fassbinders Heldin jedoch an den patriarchalen Machtstrukturen, die sich im Deutschland der Adenauerzeit rasch wieder etablieren. Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954, das sogenannte Wunder von Bern, steht im Film sinnbildlich für diese Kontinuität. Mit seiner gesellschaftskritischen Sicht war Fassbinder in der von heftigen politischen Kontroversen geprägten Bundesrepublik der 1970er-Jahre freilich längst nicht mehr alleine – wie auch der gemeinsam mit anderen Filmschaffenden und Intellektuellen realisierte Episodenfilm "Deutschland im Herbst" (1977) belegt. Zu deutlich führten die Majdanek-Prozesse seinerzeit vor Augen, wie unbehelligt selbst NS-Massenmörder/-innen nach Kriegsende ihre bürgerlichen Existenzen fortsetzen konnten.

Dass die Auseinandersetzung des Kinos mit dem Kriegsende noch längst noch nicht abgeschlossen ist, zeigen diverse Produktionen aus jüngerer Zeit. So sind Filme wie (Max Färberböck, 2008) oder "Wolfskinder" (Rick Ostermann, 2013) Beispiele dafür, dass hierzulande im Kino inzwischen immer häufiger das Leid deutscher Zivilisten und Zivilistinnen thematisiert wird – ohne in angemessener Weise auf die von Deutschen begangenen Verbrechen einzugehen.

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