"Du hast keine Ahnung, was sie auf dem Gewissen haben!", entgegnet der dänische Hauptmann Ebbe Jensen dem Unteroffizier Carl Rasmussen. "Das sind kleine Jungen, Ebbe", drängt der Unteroffizier. "Sie weinen nach ihrer Mutter, wenn sie Angst haben. Lass sie heimkehren!" Die Spannung, die sich in dieser Szene aus dem Film Zum Filmarchiv: "Unter dem Sand" zwischen den beiden dänischen Soldaten aufbaut, vermittelt einen Eindruck davon, wie unterschiedlich die Rolle deutscher Jugendlicher im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Gegner Deutschlands bewertet worden war. Die Frage nach Schuld und Schuldfähigkeit dieser Kindersoldaten ist alles andere als einfach zu beantworten. Wer waren die Jugendlichen, die nach Ende des Krieges in Dänemark die Strände von deutschen Panzerminen säuberten und dabei nicht selten mit ihrem Leben bezahlen mussten? Sind sie überzeugte Nationalsozialisten gewesen oder waren sie vielmehr Spielbälle eines skrupellosen Regimes?

Jugend im NS-Regime

Eins steht fest: Viele Jugendliche haben in den letzten Monaten des Krieges im sogenannten "Deutschen Volkssturm" tatsächlich gegen die herannahenden Truppen aus Großbritannien, Frankreich, den USA und der Sowjetunion gekämpft. Ihre Beteiligung an den aktiven Kampfhandlungen hat allerdings eine lange Vorgeschichte. Das nationalsozialistische Regime konnte auf ein breites Netzwerk organisierter Verbände zurückgreifen, die bereits in Friedenszeiten Jugendliche und Kinder zwischen 10 und 18 Jahren systematisch in den Partei- und Staatsapparat einbezogen. Im Bund Deutscher Mädel (BDM) und in der Hitlerjugend (HJ) wurden sie einheitlich uniformiert und im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie erzogen. Wer also als Junge ab 1943 zum kriegsbedingten Hilfsdienst und später auch zum Kampfeinsatz einberufen wurde, war in den meisten Fällen bereits mit der nationalsozialistischen Ideologie in Berührung gekommen. Und noch viel mehr: Ein Jugendlicher, der 1944 18 Jahre alt war, dürfte kaum Erinnerungen an die Zeit vor dem Nationalsozialismus gehabt haben.

Der "Deutsche Volkssturm"

Mit der Gründung des "Volkssturms" im Oktober 1944 wurden schließlich alle wehrtauglichen Männer zwischen 16 und 60 Jahren zum Kriegsdienst verpflichtet. Bereits ein Jahr zuvor waren Jungen im Alter von 16 bis 18 Jahren als Luftwaffen- und Marinehelfer eingesetzt worden. Der "Volkssturm", die "Armee der Großväter und Enkel", war der letzte Schritt in einem "totalen Krieg", der die gesamte Bevölkerung einbeziehen sollte. Unzureichend ausgerüstet mit alten oder erbeuteten Gewehren, Pistolen und Granaten sollten seine Mitglieder im "Volkskrieg" den Einmarsch der alliierten Truppen aufhalten. Dass im Film einige Jugendliche bereits vor ihrem Einsatz in Dänemark mit den gängigen Tellerminen der Wehrmacht vertraut waren, lässt sich auf ihre Beteiligung an der Errichtung von Verteidigungsanlagen vor deutschen Ortschaften zurückführen. In der Regel beteiligten sich Jugendliche nämlich nicht an Kämpfen außerhalb des Deutschen Reichs, sondern in der Heimat – wenn die Front den Ort erreichte, in dem sie wohnten oder stationiert waren.

Handlungsspielräume

Die Möglichkeiten der Jugendlichen, sich den Kampfhandlungen zu entziehen, waren von ihrem unmittelbaren Umfeld abhängig. Meist unterstanden sie älteren Offizieren und waren einem hohen Gruppendruck ausgesetzt. Insbesondere die Vorstellung, dass das Soldatentum einen Jungen erst zu einem Mann machen würde, war durch die nationalsozialistische Erziehung weit verbreitet. Auch veranlasste die Erosion der gesellschaftlichen Strukturen Jugendliche dazu, sich an der Wiederherstellung einer Scheinordnung zu beteiligen – auch wenn es sich bei den Befehlen um Kriegsverbrechen handelte. Die Beteiligung Jugendlicher am Kampfgeschehen fiel letztlich sehr unterschiedlich aus, wie der englische Historiker Ian Kershaw in seinem Buch "Das Ende: Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45" darlegt. Während einige HJ-Einheiten selbst in aussichtsloser Position bis zuletzt kämpften, verhielten sich viele Jugendliche passiv. Einsichtige Vorgesetzte schickten sie nicht selten nach Hause. Viele flohen oder ergaben sich aber auch freiwillig, weil ihnen spätestens beim ersten Feindkontakt klar wurde, dass der Gegner haushoch überlegen war.

Kriegserfahrung und Kriegsende

Militärisch gesehen war der "Volkssturm", für den ursprünglich sechs Millionen Jungen und Männer rekrutiert werden sollten, fast bedeutungslos. Obwohl einige Einheiten hier und da Chaos stifteten, konnten sie die gegnerischen Truppen nicht aufhalten. Viel wichtiger war für das NS-Regime, dass die daheimgebliebenen Jugendlichen in paramilitärischen Verbänden unter direkte staatliche Kontrolle gebracht wurden. Aufstände und das Überlaufen zum Feind sollten um jeden Preis vermieden werden. So bewirkte die Aufstellung des "Volkssturms" vor allem eins: Sie verzögerte einen Kollaps des NS-Regimes.

Unter dem Sand, Szene (© Koch Media)

Erst der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung und die Besatzung durch die alliierten Truppen beendeten den Kriegseinsatz der Jugendlichen. Wie "Unter dem Sand" zeigt, verband sich für viele von ihnen die Generationenerfahrung des nationalsozialistischen Untergangs mit der Erfahrung der Kriegsgefangenschaft. Für viele Jugendliche war der Krieg also erst Jahre nach dem Ende der Kampfhandlungen wirklich abgeschlossen.

Kindersoldaten heute

Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs wurde mit den Genfer Abkommen von 1949 die Behandlung von Kriegsgefangen, Verwundeten und der Zivilbevölkerung in Kriegen völkerrechtlich verbessert. Ein Verbot von "Kindersoldaten" fand allerdings keinen Eingang in die Abkommen. Alle Versuche, die Rekrutierung Jugendlicher unter 18 Jahren für Kriegszwecke international strafbar zu machen, sind bisher gescheitert. Nach der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1989, der alle Mitgliedsstaaten bis auf die USA beigetreten sind, gilt heute völkerrechtlich als "Kindersoldat", wer mit unter 15 Jahren aktiv an Kriegshandlungen teilnimmt.

Weder die Kritik internationaler Kinderhilfsorganisationen noch die Selbstverpflichtung einer ganzen Reihe von Einzelstaaten, das Alter der eigenen Soldaten gesetzlich auf 18 Jahre zu heben, konnte eine Änderung der Kinderrechtskonvention bewirken. Für die Unterzeichnerländer gelten folglich alle über vierzehnjährigen Jugendlichen als legale Soldaten – sofern sie sich "freiwillig" an Kampfhandlungen beteiligen. Heute befinden sich schätzungsweise 250.000 Jugendliche unter 18 Jahren als Soldaten in Bürgerkriegen in Südamerika, Afrika und Asien. Und auch wenn sich die Kriegserfahrung dieser Jugendlichen meist erheblich von den Umständen im Zweiten Weltkrieg unterscheidet: Gemeinsam ist diesen Kriegen die Instrumentalisierung junger Menschen für ideologische, religiöse und in zunehmendem Maße wirtschaftliche Interessen.