Herr Laverty, was inspirierte Sie, ein Drehbuch über die Geschichte der Kolonialisierung Amerikas und deren Auswirkungen bis heute zu schreiben?

Der Historiker Howard Zinn, den ich sehr bewundere, kannte den Film , den ich für Ken Loach geschrieben hatte. Deshalb trat er mit dem Vorschlag an mich heran, ein Drehbuch auf Grundlage des ersten Kapitels seines Buches Eine Geschichte des amerikanischen Volkes zu schreiben. Das Buch ist absolut faszinierend: Es geht um Kolumbus, aber auch um die Gewissensbisse der ersten Priester, vor allem aber um den Gedanken des Widerstands, darum, dass Menschen sich zusammentun und die Gegenwart ändern.

Waren die unterschiedlichen Zeitebenen von Anfang an so geplant?

Das erste Drehbuch spielte komplett vor 500 Jahren. Das brachte zahlreiche Probleme mit sich, auch was die Glaubwürdigkeit betraf. Ich fragte mich deshalb, ob man es nicht komplexer gestalten könne, indem man einen heutigen Bezug zum Thema herstellt. Da stieß ich auf die "Wasserkämpfe" im Jahr 2000 in Cochabamba, Bolivien: Die Bevölkerung wehrte sich damals erfolgreich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung.

Wie sahen Ihre Recherchen dazu aus?

Ich bin nach Bolivien gereist und habe mit den Leuten vor Ort gesprochen, auch mit den Organisatoren dieser Graswurzelbewegung. Eine Szene zeigt, wie die Leute einen Wassergraben zur Selbstversorgung graben – das habe ich so in Bolivien beobachtet. Die haben mich zwar für verrückt erklärt, weil ich die Kolumbus-Geschichte mit ihrem eigenen Kampf verbinden wollte, aber sie waren auch sehr geduldig und sehr großzügig. Ihre Erfahrungen sind der Schlüssel zum Erfolg des Films: Viele der Leute, die auf der Leinwand gegen die Wasserprivatisierung kämpfen, haben dies zuvor auch im echten Leben getan.

Der Film vertritt eine offen politische Haltung?

Ich stelle mir bei jedem Projekt anfangs die Frage: Warum ist es wichtig, dass dieser Film erzählt wird? Ein gutes Thema ergibt schließlich noch keinen guten Film, man kann Leute auch zu Tode langweilen. Die Herausforderung besteht darin, eine großartige Geschichte zu erzählen. Entsprechend halte ich nach Stoffen Ausschau: Was fasziniert mich, wo kann ich selbst etwas lernen? Und alles an diesem Film faszinierte mich: Widerstand, Gerechtigkeit, Debatten, der Lauf der Geschichte bis heute. Kolumbus sagte: "Mit nur 50 Mann können wir diese Leute unterwerfen." Mit Blick auf die Finanzkrise, in der den Menschen Bedingungen diktiert werden, denen sie sich zu fügen haben, hat diese Aussage noch immer eine gewisse metaphorische Gültigkeit. Dieses Thema, wenn auch unter anderem Vorzeichen, kommt immer wieder auf. Und damit auch die Frage nach dem Widerstand, etwa auch, ob er gewalttätig sein soll.

Es gibt im Film eine Kamerafrau, die ein Making-of macht und dabei wiederholt den Widerstand im Land filmt. Dabei ist sie regelmäßig dazu gezwungen, ihre Kamera auszuschalten. Es sagt viel aus, wann ihre Kamera läuft und wann nicht.

Wir erzählen viele Geschichten auf unterschiedlichen Ebenen, zugleich benötigen die Charaktere Raum zur Entfaltung. Dieses Making-of stellt eine weitere Ebene innerhalb dieser Anordnung dar, die es uns aber auch auf ökonomische Weise ermöglichte, zu reflektieren, wie wir die Dinge vor Ort sehen. Zugleich zeigen diese Szenen aber auch, dass das, was um das Filmteam herum geschieht, eigentlich wesentlich spannender ist als der Spielfilm, den das Team drehen will. Als die Kamerafrau dem Produzenten Costa vorschlägt, aus dem Material einen Zum Inhalt: Dokumentarfilm zu machen, sagt der bloß: Dafür gibt es keinen Penny.

Costa ist eine interessante Figur: Zu Beginn ist er ein Zyniker und der Regisseur Sebastián ein Idealist. Am Ende sind diese Rollen fast vertauscht.

Im Kino rechnet man mit einer Charakterentwicklung. Die Obsession des Regisseurs ist nachvollziehbar, weil er einen sehr politischen Film in der "Dritten Welt" dreht, was ungeheuer schwierig ist. Das verlangt völlige Hingabe, aber auch jemanden als Stütze, der das durchboxt, gerade auch die schmutzige Arbeit macht, weil wirklich immer etwas schief geht: eine Art Straßenkämpfer. Und Costa ist zwar zynisch, aber er begegnet auch Menschen, die er ansonsten nie getroffen hätte. Und er kann nicht anders, als von ihnen berührt zu sein. Das schlägt jeden Zynismus: wenn man Leute kennenlernt und sie versteht. Das wollte ich greifbar machen, das zeichnet Menschen aus.