Oren Moverman, geboren 1966 in Israel, zog 1988 in die USA. Zuvor hatte er in der israelischen Armee vier Jahre als Fallschirmjäger gedient. Bis zu seinem Regiedebüt Zum Filmarchiv: "The Messenger" (USA 2009) machte er sich vor allem als Drehbuchautor einen Namen. So war er unter anderem an den Drehbüchern für "Jesus' Son" (Alison Maclean, USA 1999), das Bob Dylan- Zum Inhalt: Biografie/BiopicBiopic (Todd Haynes, USA 2007) und das Gesellschaftsdrama "Married Life" (Ira Sachs, USA 2007) beteiligt. Das mit Alessandro Camon verfasste Drehbuch zu Zum Filmarchiv: "The Messenger" wurde 2009 mit dem Silbernen Bären der Berlinale ausgezeichnet und ein Jahr später für den Oscar® nominiert. Derzeit arbeitet er an einer Verfilmung des Lebens des US-amerikanischen Rocksängers Kurt Cobain.

Mister Moverman, bei Zum Filmarchiv: "The Messenger" haben Sie erstmals Regie geführt. Warum wollten Sie diesen Film machen?

Alessandro und ich haben uns – er aus einer italienischen, ich aus einer israelischen Perspektive – darüber gewundert, dass die Menschen, die mit den Folgen eines Krieges zu leben haben, in den Medien nie auftauchen. Wir wollten einen Film machen, der zeigt, wie es bei denen aussieht, die weitab des Schlachtfelds vom Schicksal ihrer Angehörigen erfahren. Aber wir wollten es aus der ungewohnten Perspektive der Soldaten filmen.

Zu den Kriegen in Irak und Afghanistan äußert sich der Film nicht. Ist es dennoch ein politischer Film?

Ich denke, jeder Film ist auf die eine oder andere Weise politisch, aber es ging uns nie um die politische Entscheidung für oder gegen den Krieg. Politisch ist der Film vielmehr in der Wahl seiner Perspektive. Der Film leistet, was die Politik vermeidet, die ja stets alles vereinfacht: Entweder man ist für oder gegen den Krieg. Der Film erschwert diese Vereinfachung.

Warum entschieden Sie sich für einen dokumentarischen Stil?

Diesen Stil haben wir vor allem für die "Benachrichtigungs-Szenen" verwendet. In diesen Szenen vermittelt die Handkamera den Eindruck eines Zum Inhalt: DokumentarfilmDokumentarfilms oder sogar von Zum Inhalt: Cinéma VéritéCinéma Vérité. Wichtiger als etwa der Standpunkt der Kamera war uns die unbedingte Präsenz der Schauspieler in einem sehr emotionalen Moment, der sich nicht beliebig wiederholen lässt. Deshalb drehten wir die Szenen, wenn möglich, in einem Take ohne vorherige Probe. Wir wollten eine Unmittelbarkeit, in der die Kamera auf einen ungewissen Handlungsablauf reagiert. Das Ergebnis ist ein sehr harter Stil für ein hartes Thema.

Warum verwenden Sie überwiegend so genannte beziehungsweise Source-Musik?

Wir verwendeten zu etwa 95 Prozent Source-Musik. In drei oder vier Szenen gibt es einen komponierten Zum Inhalt: FilmmusikScore, den wir aber verwenden wie Source-Musik. Einen klassischen Score, der für gewöhnlich das Empfinden des Publikums beeinflussen soll, wollte ich vermeiden. Es steckt genug Emotion in der Arbeit der Schauspieler.

Wie wichtig war die Zusammenarbeit mit den offiziellen Stellen der US-Armee?

Über die Unterstützung der Armee waren wir sehr überrascht. Wir glaubten Dinge zu zeigen, die das Militär lieber verheimlicht. Tatsächlich hat die Politik ein Problem damit, nicht die Armee. Sie ist sogar recht stolz auf ihr System der Notification [Benachrichtigung bei Todesfällen, Anm. d. Red.]. In Hollywood betreibt sie ein Büro, wo man Drehbücher einreichen und um Rat fragen kann. Vor allem die Gespräche mit Soldaten, die gerade verwundet aus dem Irak oder Afghanistan zurückgekehrt waren, haben uns sehr weitergeholfen.

Wie verändert sich Ihrer Meinung nach die Haltung der US-Bevölkerung zum Krieg?

Von über 300 Millionen US-Amerikanern dienen nur etwa zwei Millionen in der Armee, ein sehr kleiner Prozentsatz. Seit die Opferzahlen sinken, ist er auch seltener in den Nachrichten. Daher ist der Krieg für die meisten Menschen kein wichtiges Thema mehr. Entsprechend wenig Aufmerksamkeit habe ich mit meinem Film erfahren. Für die öffentliche Meinung ist der Krieg unter Kontrolle und nicht das Problem des Durchschnittsbürgers – eine tragische Entwicklung.

Inwiefern unterscheidet sich Ihr Film von einem älteren Heimkehrerfilm wie "Coming Home" von Hal Ashby aus dem Jahr 1977?

Wir haben solche Filme gesehen und auch darüber geredet. "Coming Home" handelt von Vietnam. Das ist der große Unterschied. Damals gab es die Wehrpflicht. Dadurch ließ sich der Krieg von niemandem ignorieren. Die Beziehung dazu war wesentlich emotionaler. In diesem Zusammenhang ist ein Film wie unserer für viele Menschen eine Offenbarung. Einige haben uns erzählt, dass sie sich über den Job von Will und Tony, aber auch den aller anderen Soldaten vorher nie Gedanken gemacht hätten. Der Krieg findet eben nicht nur im Fernsehen und in der Politik statt. Am Ende müssen die Menschen die Entscheidungen der Politiker tragen.