Kategorie: Hintergrund
Affen im Film – Filme über Affen
Im Spielfilm werden Affen häufig mit menschlichen Attributen ausgestattet. Eine wesentliche Zielsetzung dieser Vermenschlichung ist es, die Tiere als Identifikationsfiguren zu etablieren.
Er ist eine Kreatur des Kinos: der überlebensgroße Affe King Kong. Und wer kennt dieses Bild nicht? – Kong hat im New Yorker Großstadtdschungel das Empire State Building erklettert und versucht, ihn angreifende Kampfflieger abzuwehren. Tödlich getroffen stürzt er schließlich in die Tiefe. Mit diesem ikonischen Kinobild endet "King Kong und die weiße Frau" (King Kong, Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack, USA 1933), dessen Titelheld ein – freilich tragischer – Bösewicht ist. Kong verkörpert einen wesentlichen Grundtypus von filmischen Affenfiguren: die den Menschen bedrohende Bestie, die meist in fantastischen Genrefilmen und Tierhorrorfilmen wie "Planet der Affen" (Planet of the Apes, Franklin J. Schaffner, USA 1968), "Link, der Butler" (Link, Richard Franklin, Großbritannien 1986) oder "Der Affe im Menschen" (Monkey Shines, George A. Romero, USA 1988) vorkommt – und die Zuschauer/innen zuweilen auf beunruhigende Weise auch an die eigenen animalischen Seiten gemahnt. Ein zweiter wesentlicher Grundtyp zeigt den Affen nicht als Antagonisten, sondern – vor allem im Kinder- und Familienfilm, der nachfolgend im Mittelpunkt steht – als Spaßmacher oder Zum Inhalt: Sidekick.
Primaten und ihre Umgebung
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Spiel- und Zum Inhalt: Dokumentarfilmen, die die reale Lebensweise der Affen zum Thema haben. Prominente Beispiele dafür sind etwa der Öko-Thriller "Gorillas im Nebel" (Gorillas in the Mist: The Story of Dian Fossey, Michael Apted, USA 1988) oder die Dokumentation (Jane's Journey, Lorenz Knauer, Deutschland, Tansania 2010). Das Dokumentarfilmgenre variiert die Perspektiven auf Primaten und andere Tiere ebenso wie fiktive Stoffe. Die Bandbreite der Darstellungen reicht hier von beklemmenden Bestandsaufnahmen wie (Christian Rost, Claus Strigel, Deutschland, Österreich, Ungarn 2013), der die Folgen von Medikamententests auf Schimpansen zeigt, bis zu den "ulkig" betrunkenen Pavianen in "Die lustige Welt der Tiere" (Jamie Uys, Südafrika 1974), dessen Originaltitel "Animals Are Beautiful People" Bände spricht, stattet das Kino doch unsere nächsten Verwandten meist mit menschlichen Attributen und Moralvorstellungen aus. So entwirft aus dramaturgischen Gründen auch der dokumentarische Spielfilm Zum Filmarchiv: "Schimpansen" (Chimpanzee, Alastair Fothergill, Mark Linfield, USA 2012) einerseits die "gute" Affengemeinschaft rund um den Schimpansen Oskar, und andererseits die "böse" Bande von Scar, die bei den Revierkämpfen schon aufgrund der Zum Inhalt: Begleitmusik wie ein Schlägertrupp wirkt.
Gute Affen, böse Affen
Da Affen, vor allem die Schimpansen, dem Menschen von allen Tieren genetisch am ähnlichsten sind und Verhaltensweisen wie etwa den Gebrauch von Werkzeugen an den Tag legen, erscheint diese Vermenschlichung als logische Konsequenz. Ob die Tiere wie in (Ute von Münchow-Pohl, Thilo Graf Rothkirch, Deutschland 2007) sprechen können, Kleidung tragen wie Herr Nilsson aus (Pippi Långstrump, Olle Hellblom, Schweden 1968) oder eine moralische Unterteilung erfahren – Affen im Kino verlieren durch die Zuweisung menschlicher Attribute fast immer auch ihre animalischen Züge. Der Affenkönig King Louie aus Zum Filmarchiv: "Das Dschungelbuch" (The Jungle Book, Wolfgang Reithermann, USA 1967) singt nicht zufällig "Ich möcht so gern so sein wie du", als er den kleinen Mogli in seine Ruinenstadt entführt.
Affen als Identifikationsfiguren
Eine wesentliche Zielsetzung dieser Vermenschlichung ist es, die Affen als Identifikationsfiguren zu etablieren. In "Kleiner Dodo" findet sich jedoch auch eine andere Tendenz, wenn mit einem alten Orang-Utan, der ausgerechnet auf den Namen Darwin hört und lange unter Menschen gelebt hat, ein tragisch vermenschlichter Affe zur Darstellung kommt: Darwin, der bereits durch seine Brille menschliche Züge gewinnt, lebt abseits der Affengemeinschaft in einer Hütte, kann nicht klettern, badet mit Seife und trinkt morgens Kaffee – den anderen Orang-Utans ist dieses kauzige Verhalten suspekt, so dass sie ihn ausgrenzen. Eine Vermenschlichung findet beim Orang-Utan Darwin ganz offensichtlich statt, doch unter umgekehrten Vorzeichen dient sie der Kritik an Eingriffen in die Natur.
Neugierig wie Kinder
Vor allem der Kinderfilm lässt die Tiere oft sehr menschliche Probleme austragen. Der Orang-Utan-Junge Dodo setzt sich beispielsweise über elterliche Verbote hinweg und taugt auch dadurch als Identifikationsfigur für kleine Kinobesucher/innen. Von wenigen Ausnahmen wie den zwielichtigen Affen aus "Das Dschungelbuch" abgesehen, verhalten sich Affen im Kinderfilm kaum bösartig, sondern machen für gewöhnlich einen aufgeweckten, verspielten oder neugierigen Eindruck. Erneut ist der kleine Dodo mit seinem ausgeprägten Spieltrieb ein treffendes Beispiel. Als der Affen-Junge eine Geige im Dschungel findet, zeigt er sich auf der Stelle fasziniert von dem "Dingsbums", will dessen Handhabung erlernen und erfüllt damit die klassische Funktion des cleveren Äffchens. Wo Neugierde ist, liegt auch die Intelligenz für gewöhnlich nicht fern – und auch mit diesem Wesenszug der Affen arbeitet das Kino. In der Auftaktszene von (The Lion King, Roger Allers, Rob Minkoff, USA 1994/2011) salbt der weise Mandrill Rafiki den neugeborenen Thronfolger Simba und präsentiert ihn daraufhin der wartenden Menge. Es ist durchaus bezeichnend, dass ausgerechnet ein Affe diese zeremoniellen Handlungen ausführt.
Affen als Sidekicks
Häufig treten Affen im Film zudem als Sidekicks menschlicher Protagonisten/innen auf und verdeutlichen in dieser Funktion deren Eigenheiten. So hat Charles Darwins Schimpanse aus (The Pirates! Band of Misfits, Peter Lord, Jeff Newitt, USA, GB 2012) zwar ein eigenes Profil, dient aber in erster Linie der Charakterisierung seines Besitzers, der den Affen mit den Worten vorstellt: "Das ist eins meiner alten Projekte". In ähnlicher Weise fungiert das Totenkopfäffchen Herr Nilsson aus den "Pippi Langstrumpf" -Filmen vor allem als Verweis auf Pippis ausgeflippte Lebensweise. Als waschechter Sidekick rückt Nilsson meist in Zum Inhalt: Zwischenschnitten ins Bild und kommentiert das Geschehen etwa durch ein freudiges Kopfnicken. Es sind meist kleine lustige Aktionen, die Herr Nilsson (und andere Sidekicks) ausführen: Mal stibitzt Pippis Begleiter eine Kirsche, dann baumelt er an der Deckenlampe. Etwas eigenständiger und für den Handlungsverlauf wichtiger wirkt der Schimpanse Cheeta aus "Tarzan, der Affenmensch" (Tarzan the Ape Man, W. S. Van Dyke, USA 1932) und elf weiteren Tarzan-Filmen, der seinem Herrn allein schon durch dessen Kindheitsgeschichte im Dschungel stärker verbunden ist. Doch auch Cheeta bleibt stets eine Nebenfigur, die vor allem etwas über die Hauptfigur Tarzan erzählt und für komödiantische Auflockerungen sorgt.
Filme mit Öko-Bewusstsein
Das ökologische Bewusstsein der 1970er-Jahre erreichte in der Folge auch die Darstellung von Affen (und anderen Tierarten) im Kino. Plötzlich rückte die Bedrohung dieser Spezies durch den Menschen ins Blickfeld, wie in "Gorillas im Nebel" , der von Dian Fosseys Engagement für Berggorillas erzählt. Diese Entwicklung schlägt sich bis heute auch in Kinderfilmen nieder. (Eric Darnell, Tom McGrath, USA 2005) stellt die Haltung von Wildtieren im Zoo auf altersgerechte Weise kritisch dar, während "Schimpansen" die Besonderheit dieser bedrohten Tierart hervorhebt. Ein Wesensmerkmal von Affen, auf das Kinder- und Dokumentarfilme wiederholt verweisen, ist deren soziales Gruppenverhalten. Auch in diesem Kontext bietet sich der Schritt zur Vermenschlichung förmlich an. Im besten Fall, so könnte eine Bilanz lauten, bereitet eine Affenfigur im Film den Nährboden für eine Identifikation mit den Tieren und erleichtert somit insbesondere jungen Zuschauer/innen ein kritisches Hinterfragen der zwiespältigen Rolle, die der Mensch in diesem Zusammenhang spielt.