Eran Riklis studierte Regie an der Beaconsfield National Film School in England und gab sein Regiedebüt 1984 mit dem Politthriller "On a clear day you can see Damascus" . Mit "In der Schusslinie" wurde er 1991 bekannt, seinen internationalen Durchbruch erlebte er 2004 mit Zum externen Inhalt: Die syrische Braut (öffnet im neuen Tab), der auf dem Filmfestival von Locarno den Publikumspreis gewann, und vier Jahre später mit Zum externen Inhalt: Lemon Tree (öffnet im neuen Tab), der auf der Berlinale ausgezeichnet wurde. Heute zählt Eran Riklis zu den bekanntesten israelischen Filmemachern. Er lebt mit seiner Familie in Tel Aviv, betrachtet sich aber als kosmopolitischen Regisseur. Unter anderem ist Eran Riklis regelmäßig als Dozent an US-amerikanischen Universitäten tätig.

Herr Riklis, Sie haben vor "Mein Herz tanzt" bereits Filme über die israelisch-arabischen Beziehungen gedreht. Welchen Einfluss kann die Kunst auf die Politik nehmen?

Ich sehe das Kino im weitesten Sinne als eine Form von Erziehung – und wir sollten nie unseren Glauben an die Werte der Bildung aufgeben. Als Filmemacher muss man über eine positive Haltung verfügen, sonst kann man es gleich sein lassen. Filme genießen eine hohe Halbwertzeit, ihr Einfluss reicht weiter, als wir uns das manchmal vorstellen. Sie sickern ins Unterbewusstsein, stoßen neue Denkprozesse an, bewegen ihr Publikum emotional. Ein guter Film wird Teil einer persönlichen kulturellen Erfahrung und damit auch eines gesellschaftlichen Diskurses. Doch es geht mir in meinen Filmen nicht darum, die Menschen zu belehren. Das Publikum soll sich bloß die Offenheit bewahren, seine Vorurteile zu überdenken.

Der Originaltitel Ihres Films, wie auch der literarischen Zum Inhalt: Vorlage, lautet „Tanzender Araber“. Können Sie erklären, was es mit dem Bild des tanzenden Arabers auf sich hat?

Es gibt eine Redewendung: "Man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen." Der Film bezieht diesen Satz auf die kulturelle Identität eines Menschen beziehungsweise einer gesellschaftlichen Minderheit. In Israel leben 1,6 Millionen Araber, die aber weitgehend unsichtbar sind. Ich wollte zeigen, wie eine Minderheit tagtäglich durch das Leben scharwenzeln muss, um von der Mehrheit akzeptiert zu werden. Egal, wie liberal eine Gesellschaft auch ist, es gibt immer eine Mehrheit, die über die gesellschaftliche Norm entscheidet.

Bedeutet dieser Tanz, dass die eigene Identität verleugnet wird?

Nicht verleugnet, eher angezweifelt. Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Inwieweit kann ich meine Wurzeln respektieren, wenn ich mich in eine neue Gesellschaft einordne? Ich erinnere mich an meine Studienzeit in Tel Aviv. Dort hatte ich viele arabische Freunde, die alle aus kleinen Dörfern in die Stadt gezogen waren. Aus diesem traditionellen Umfeld in einer neuen Welt voller Möglichkeiten anzukommen, lässt einen automatisch die eigene Herkunft hinterfragen. Es ist eine Herausforderung, der wir wahrscheinlich alle schon einmal begegnet sind.

Ihr Film spielt wie die Romanvorlage von Sayed Kashua in den 1980er- und 1990er-Jahren. Könnte die Geschichte auch genauso in der Gegenwart erzählt werden?

Die Geschichte funktioniert zu jeder Zeit, heute vielleicht sogar besser denn je. Angesichts der langen Vorgeschichte des Konflikts tendieren die Menschen zu der Meinung, dass sich die Situation der arabischen Israeli im Laufe der Jahre verbessert habe. Aber schon ein kleiner Zwischenfall reicht, um die Gräben wieder sichtbar zu machen. Oberflächlich betrachtet mögen die gesellschaftlichen Probleme gelöst sein, während die Gegensätze in Wahrheit noch viel tiefer reichen. Ich habe "Mein Herz tanzt" vor allem aus zwei Gründen in dieser Zeit angesiedelt: Zum einen war die Phase zwischen dem Libanon-Krieg 1982 und dem ersten Irak-Krieg 1991 sehr wichtig für das Selbstverständnis vieler Palästinenser. Der andere Grund ist kommerzieller Natur. Die Vergangenheit erzeugt eine nostalgische Grundstimmung, die eine schwere Thematik für das Publikum erträglicher macht. Abgesehen davon denke ich, dass jedem Film und jedem Kunstwerk ein zeitlicher Abstand zu seinem Thema guttut. Wir brauchen diese Perspektive, um die aktuellen Probleme besser zu verstehen.

Welche Aspekte des Films sind tatsächlich autobiografisch und welche fiktionalisiert?

Die grundlegende Geschichte eines arabischen Jungen aus einem kleinen Dorf, der von seinem kommunistischen Vater in eine neue Welt entlassen wird, in der er sich unter Israelis behaupten muss – das alles basiert auf den persönlichen Erfahrungen von Sayed Kashua. Selbst die jüdische Freundin und die Figur von Yonatan sind zu einem gewissen Grad autobiografisch. Aber die Auswirkungen dieser Beziehungen wurden dramatisiert.

Würden Sie sagen, dass Ihre Filme im Laufe der Jahre in Israel differenzierter wahrgenommen werden?

Meine Filme waren immer ein Seismograf für die politische Stimmung – nicht nur innerhalb Israels, sondern weltweit. Die Stimmung gegenüber Israel schlägt auch in Europa ständig um. "In der Schusslinie" wurde in Israel gehasst und in Europa gefeiert. "Die syrische Braut" wurde sehr positiv aufgenommen, aber der Film thematisierte auch nicht den Israel-Palästina-Konflikt. Wohingegen man "Lemon Tree" in Israel komplett ignorierte, weil er buchstäblich im eigenen Vorgarten spielte. Wenn ich heute mit Israelis spreche, höre ich allerdings oft, dass der Film ein realistisches Porträt der israelisch-arabischen Beziehungen ist. Wie ich eingangs sagte: Filme haben die seltene Qualität, über einen langen Zeitraum nachzuwirken.

Man hat nach Ihrem Film den Eindruck, dass die Verständigung zwischen jüdischen Israelis und arabischen Israelis in der Generation von Eyad und Yonatan leichter fällt als in der Eltern-Generation. Trifft das auch auf die Gegenwart zu?

Eher das Gegenteil ist der Fall. Die heutige Jugend wird wieder konservativer als ihre Eltern. Mein Eindruck ist, dass heutzutage weniger Austausch zwischen jüngeren jüdischen und arabischen Israelis stattfindet. Das liegt vielleicht aber auch daran, dass die älteren Generationen, die schon so viele traumatische Kriege und Anschläge erlebt haben, langsam einsichtig werden.

Naomi entscheidet sich gegen die Beziehung und für eine Karriere in der Armee. Steht sie symptomatisch für die israelische Jugend?

Die Armee ist für junge jüdische Israelis eine prägende Erfahrung. Der soziale Druck ist enorm und so ziehen viele junge Menschen diesen bequemen, sicheren Weg vor. Man wünscht sich, dass Naomi auf ihre Gefühle hört, aber vielleicht ist sie auch nur wie alle anderen – auch wenn sie sich in einen arabischen Jungen verliebt hat. Diese Erkenntnis zieht sich durch viele meiner Filme. Jede Verständigung stößt irgendwann an ihre Grenzen. Mal ist es die Gesellschaft, mal die Familie, mal die eigene Unzulänglichkeit.