Die Geschichte des israelischen Staates beginnt mit einem Krieg. Nur wenige Stunden nach seiner Gründung am 14. Mai 1948 drangen ägyptische, jordanische, syrische, irakische und libanesische Truppen in israelisches Hoheitsgebiet ein. Die arabischen Nachbarländer weigerten sich, die UN-Resolution zur geplanten Teilung Palästinas – und damit die Existenz des Staates Israel – anzuerkennen. Knapp acht Monate dauerte der erste arabisch-israelische Krieg. Er endete mit einem Sieg der israelischen Verteidigungsarmee Zahal (auch "Tzahal" oder "Tsahal"). Die Erfahrung, geografisch von Feinden umzingelt zu sein, war identitätsstiftend für Israel. Die Haltung von David Ben-Gurion, erster Ministerpräsident des jungen Staates, während der Friedensverhandlungen mit Ägypten (1949) zitiert der Historiker Tom Segev in seinem Buch "Die ersten Israelis": Vor der Gründung Israels sei "unser wichtigstes Interesse die Selbstverteidigung" gewesen – nun aber gehe es "um Eroberung". In diesem Spannungsverhältnis von Abschreckung und Selbstschutz steht der Staat seit seiner Gründung.

Die Armee als Teil der israelischen Identität

Mit seinem Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Tsahal" (F/D 1994) bündelt der französische Regisseur Claude Lanzmann nach "Warum Israel" (I/F 1973) und Zum Filmarchiv: "Shoah" (F 1985) die zentralen Themen seiner Trilogie über jüdische Identität und Israel. Die Wehrfähigkeit gehört zu den Gründungsmythen des Staates und die Zahal gilt als ihr Symbol. "Der Krieg ist eine israelische Erfahrung", sagt ein Soldat im Film. "Jeder Israeli hat an mindestens einem Krieg teilgenommen." Lanzmann untersucht die Rolle der Armee als integralen Aspekt der israelischen Identität. Der mehrjährige Wehrdienst ist für heranwachsende Männer (32 Monate) und Frauen (28 Monate) mit wenigen Ausnahmen obligatorisch. So sind Adoleszenz und militärische Ausbildung in Israel untrennbar miteinander verbunden.

Tsahal, Trailer (© absolut MEDIEN)

Lanzmann interviewt in seinem Film Veteranen, junge Soldaten und Soldatinnen, Befehlshaber wie den späteren Premierminister Ehud Barak, Kampfpiloten und israelische Intellektuelle, um sich ein Bild vom Verhältnis von Staat und Armee zu machen. "Tsahal" zeigt, wie stark das Selbstbild Israels vom allgegenwärtigen Belagerungszustand geprägt ist. Wie zuvor in "Shoah" verzichtet Lanzmann auf Archivbilder historischer Ereignisse. Stattdessen Zum Inhalt: montiert er in seinen Interviews Zum Inhalt: Talking Heads und Landschaftsaufnahmen, mit denen er auf die religiös aufgeladene Bedeutung des Landes wie auch auf das zionistische Ziel eines jüdischen Staates verweist. Er unterstreicht mit diesen Bildern aber auch, dass der Heimat-Begriff für die jüdische Bevölkerung kein abstraktes Konzept, sondern an einen konkreten Ort gebunden ist, an dem verschiedene historische Stränge zusammenlaufen. "Wir sind alt geboren", sagt der Schriftsteller David Grossman in Tsahal. "Die Vergangenheit ist in unserer Zeit gegenwärtig, in unserer Geschichte, unserer Verantwortung und unserem Engagement. Nie wieder dürfen wir Opfer sein, wir können uns keine Fehler erlauben."

Mythos der Zahal nach der Befreiung von Entebbe

Mitte der 1970er-Jahre zeichnete sich eine erste Krise im israelischen Selbstverständnis ab. Der Überraschungsangriff der ägyptischen und syrischen Armeen im Jom-Kippur-Krieg 1973 hatte das Vertrauen in die Selbstverteidigungskräfte Israels erschüttert. Zudem sah sich das Land einer Welle von Terroranschlägen ausgesetzt. Die Entführung einer französischen Passagiermaschine aus Tel Aviv durch ein deutsch-palästinensisches Terrorkommando, die am 4. Juli 1976 im ugandischen Entebbe mit der Befreiung der 102 jüdischen Geiseln durch eine israelische Spezialeinheit endete, wurde zur Bewährungsprobe. Regisseur José Padilha schildert diesen Ausnahmezustand im Polit- Zum Inhalt: Thriller "7 Tage in Entebbe" (USA/GB 2018) vor allem als innerpolitischen Konflikt zwischen Premierminister Yitzhak Rabin, der den Frieden mit den arabischen Nachbarn sucht, und dem damaligen Verteidigungsminister Shimon Peres, einem Hardliner.

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Ein Großteil des Films spielt in den Hinterzimmern der Politik. Padilha folgt den strategischen Überlegungen für oder wider einen Militäreinsatz, deutet aber auch an, dass sich am Streit um eine harte Haltung gegenüber den Feinden Israels eine Machtfrage zwischen der gemäßigten Fraktion und den konservativen Falken in der Knesset entzündet. Am Ende setzt sich Peres durch: Die erfolgreiche Geiselbefreiung belebte den Ruf der "unbesiegbaren" Zahal aufs Neue. Nur ein israelischer Soldat, Yonatan Netanyahu, stirbt bei der Befreiungsaktion. Er wird in der Heimat als Held gefeiert und ebnet später seinem jüngeren Bruder Benjamin Netanyahu den Weg in die Politik.

Kritik am Militär im israelischen Filmschaffen

Im israelischen Kino bestimmte zuletzt der Libanon-Krieg von 1982 den kritischen Militär-Diskurs. Die Parallelen zum Vietnam-Krieg sind offensichtlich – was die politischen Folgen des militärischen Einsatzes angeht, aber auch hinsichtlich der Verletzungen, die der Krieg in der Bevölkerung verursachte. Die "Operation Frieden für Galiläa", mit der sich die Zahal nach einer Reihe von Raketenangriffen von Gebieten der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in den unübersichtlichen libanesischen Bürgerkrieg einschaltete, gilt bis heute als großes Kriegstrauma. In diesem Krieg nahm auch das historische Selbstverständnis der israelischen Soldaten als "Kinder der Shoah", wie es ein Militärangehöriger in Lanzmanns "Tsahal" formuliert, Schaden. Ausschlaggebend hierfür waren maßgeblich die Massaker christlicher Milizen in den palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila, aus Rache für die Ermordung des libanesischen Interimspräsidenten Bashir Gemayel. Zahal-Einheiten vor Ort verhinderten den Genozid nicht.

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Um dieses Ereignis dreht sich der autobiografische Zum Inhalt: animierte Dokumentarfilm Zum Filmarchiv: "Waltz with Bashir" (D/F/ISR 2008) von Ari Folman, der selbst im Libanon-Einsatz diente. Im Traum wird Folman von einem Rudel wilder Hunde verfolgt. Er ahnt, dass sich dahinter eine noch viel grausamere Wahrheit seiner Kriegserfahrungen verbirgt. Um die Wahrheit aus der Tiefe seines Unbewussten zu bergen, befragt er einstige Kameraden. Die Zum Inhalt: kantigen Animationen zwischen Schraffur und teilweise psychedelischen Tableaus halten das Geschehen auf Distanz. Erst am Schluss sind reale Nachrichtenbilder von den Massakern zu sehen. "Waltz with Bashir" beschreibt die Traumaarbeit eines ehemaligen Soldaten, zeigt vor allem aber die tiefen Spuren, die der Krieg in der kollektiven Psyche Israels hinterlassen hat.

Der "Libanon-Film" als eigenes Sub-Genre

Analog zum Vietnam-Film im US-Kino hat sich im israelischen Kino gewissermaßen das Zum Inhalt: Sub-Genre des "Libanon-Films" etabliert. Neben "Beaufort" (R: Joseph Cedar, ISR 2007) nahm sich auch Zum Filmarchiv: "Lebanon", das Regiedebüt von Samuel Maoz, dieses Themas an. Maoz verlagert den Krieg jedoch nach außen: Er beschreibt den israelischen Einsatz aus der Sicht von vier jungen Soldaten in der Zum Inhalt: klaustrophobischen Enge eines Panzers. Der Panzer besitzt für die israelische Armee, deren Erfolg sich primär über den Bodenkrieg definiert, eine symbolische Bedeutung; er steht auch für den Aufschwung der einheimischen Rüstungsindustrie in den 1970er Jahren, mit dem sich Israel weniger abhängig von westlichen Waffenexporten machte. In "Lebanon" hält der Blick durchs Zielfernrohr die Realität des Krieges auf Abstand.

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"Der Mensch ist aus Stahl, ein Panzer nur aus Eisen", steht an der Innenwand des Kampffahrzeugs. Aber die jungen Soldaten sind dem Krieg nicht gewachsen: Der Kanonier zögert beim Angriff eines Selbstmordattentäters, später feuert er in Panik auf einen unbewaffneten Bauern. Maoz spitzt die linke Kritik an der israelischen Selbstverteidigungsdoktrin stark symbolisch zu, verfällt oft auch in die Allgemeinplätze des Antikriegsfilms. Viel interessanter wäre es, am Beispiel des Libanon-Krieges zu hinterfragen, wie die damals Jüngeren, die die historischen Kriege Israels nicht miterlebt hatten, zum tradierten Selbstbild eines allzeit wehrhaften Staates standen. Lebanon ist unter dem Gesichtspunkt der Generationenfrage besonders im Vergleich mit Lanzmanns "Tsahal" interessant, in dem Libanon-Veteranen zu Wort kommen.

Eine Netflix-Serie als Zeichen des israelisch-palästinensischen Dialogs?

Filme wie "Waltz with Bashir" , "Lebanon" oder aktuell Zum Filmarchiv: "Foxtrot" von Samuel Maoz werden in Israel von offizieller Seite meist abgelehnt. Das Militär als Institution ist vor allem in konservativen Kreisen weiterhin unantastbar. Unter diesen Voraussetzungen ist der Erfolg der Netflix-Serie "Fauda" (Arabisch für "Chaos"; R: Assaf Bernstein, ISR 2015) nicht überraschend. Die Serie handelt von einer Spezialeinheit der Zahal, die einen Terroristen aufspüren muss und dabei nicht zimperlich vorgeht. In den israelischen Medien wird "Fauda" mit der HBO-Polizeiserie "The Wire" verglichen, weil der Journalist Avi Issacharoff und sein Ko-Autor Lior Raz, ein ehemaliger Elitesoldat, ein nuanciertes Bild von den israelischen und der palästinensischen Lebenswirklichkeiten zeichnen. Im Nahen Osten ist die Serie längst ein kulturelles Phänomen. So soll in Israel die Nachfrage nach arabischen Sprachkursen aufgrund der Popularität der ersten beiden Staffeln erheblich gestiegen sein. Kritiker sehen "Fauda" bereits als Zeichen eines beginnenden Dialogs zwischen jungen Israelis und Arabern. Ein Dialog, der vielleicht auch das noch immer ideologisch geprägte Image der Armee als Rückgrat der israelischen Gesellschaft modernisieren könnte.

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