Der 1971 in der polnischen Stadt Bielsko-Biała geborene und in Hannover lebende Autor, Übersetzer und Verleger Adam Jaromir hat zusammen mit dem Illustrator Pawel Pawlak das Kinderbuch Zarafa (2010) publiziert. Darin erzählen sie von der gleichnamigen Giraffe, die 1827 als Geschenk des ägyptischen Vizekönigs Muhammad Ali Pascha ihren Weg nach Paris findet und dort König Charles X, dessen Hofstaat und ganz Paris verzaubert. Das Buch erzählt – ähnlich wie der Zum Inhalt: Zeichentrickfilm Zum Filmarchiv: "Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa" (Zarafa, Rémi Bezançon, Jean-Christophe Lie, Frankreich, Belgien 2011) – die Geschichte als modernes Märchen.

Herr Jaromir, wie sind Sie auf die Geschichte der Giraffe Zarafa gestoßen?

2007 habe ich im Internet das Buch Zarafa: A Giraffe's True Story, from Deep in Africa to the Heart of Paris von Michael Allin entdeckt. Es ist ein historisches Werk über die Giraffe Zarafa. Nach dem Lesen bin ich weiter in die Materie eingetaucht. All diese einzelnen Quellen dienten mir dann als Grundlage für mein eigenes Buch. Aber sie liefern natürlich nur die Eckdaten. Die Namen, Orte und Personen beizubehalten war wichtig: der König Charles X, die despotische Herzogin, angelehnt an Marie Thérèse Charlotte von Frankreich, und auch der Professor Étienne Geoffroy Saint-Hilaire, ein berühmter Zoologe. Das sind die Gestalten die in dem Kinderbuch auftauchen mussten. Es waren sehr bunte, ambivalente Gestalten – für ein Märchen optimale Vorlagen.

Ihr Buch weicht von den Fakten ab. Warum?

Zarafa im Musèe d'Histoire naturelle in La Rochelle Foto: Jebulon, Lizenz: Creative Commons CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright

Jebulon

Weil historische Bücher über Zarafa meist traurig enden. In der Regel schließen sie mit dem Tod der Giraffe. Ich fand sie aber so märchenhaft fantastisch, dass ich Zarafa unsterblich machen wollte. Daher endet mein Buch mit einer Szene, in der sie sich zusammen mit dem König im Schnee auflöst. Es ist eine Art Nirwana, ein sanftes Entgleiten. Ein solches Ende erlaubt uns weitere Geschichten über sie zu spinnen. Die historische Wahrheit liegt natürlich woanders. Zarafa wurde nach ihrem Tod ausgestopft und kann im Naturkundemuseum von La Rochelle bewundert werden.

Gibt es in Ihrem Buch Momente, die historisch verbürgt sind?

Selbstverständlich. Zum Beispiel als der König nicht aus dem Palast darf. Er will der Giraffe entgegenkommen, sie ist ja sehr lange Zeit gereist und der König ist gespannt, das exotische Tier endlich zu sehen. Doch die Herzogin gestattete es ihm nicht, denn die Etikette verbot es einem Staatsoberhaupt, einem Tier eine Ehre zu erweisen. Wahr ist aber auch, dass der Zoologe, Professor Saint-Hilaire, die Giraffe auf dem Fußweg von Marseille bis nach Paris begleitete und er sich damals darüber Gedanken machte, warum Giraffen stumme Tiere sind.

Ihre Giraffe kann aber sprechen.

Ja, ich wollte sie zu einem redseligen Tier werden lassen, das ein bisschen an Baron Münchhausen oder auch an Papkin (Anmerk. d. Red.: einem Kuppler aus Aleksander Fredros Komödie Die Rache, 1834) erinnert. Also an eine Figur, die die eigene Geschichte mystifiziert, sie hier und da verändert, um die Menschen zu unterhalten. Es sollte eben auch dem Leser sofort klar werden, dass diese Giraffe nicht etwa lügt, aber dass sie Geschichten sehr übertrieben darstellt, um andere aufzuheitern. Sie ist eine Art afrikanische Scheherazade, eine Botschafterin einer fernen und fremden Kultur.

Wie haben sie sich künstlerisch der Geschichte angenähert? Gab es Bildmaterial aus der Zeit, das Sie als Anhaltspunkte nehmen konnten?

Meine Zarafa wird mit einem Brief des ägyptischen Vizekönigs Muhammad Ali Pascha eröffnet, der dem französischen König die Ankunft der Giraffe mitteilt. Damit dieser Brief möglichst authentisch wirkt, haben wir den Text kalligraphiert und mit einem amtlichen Siegel des ägyptischen Königshauses versehen. Es gibt auch eine Überlieferung, dass die Giraffe mit einem Zweimaster übers Mittelmeer reiste, in dessen Deck ein Loch für den Hals der Giraffe gesägt wurde. So etwas weiterzuentwickeln hat mich in meiner Arbeit dann sehr beflügelt. Die wahre Geschichte an sich ist schon so märchenhaft, dass man da eigentlich nicht viel hinzufügen muss, damit am Ende ein wunderbares Märchen entsteht.