Der Zum Inhalt: Western ist nicht nur das älteste, er war über viele Jahrzehnte hinweg auch eines der populärsten Filmgenres. Und von Anfang an hatten im Zum Inhalt: Genre Geschichten einen zentralen Platz, die vom Konflikt zwischen euroamerikanischen Siedler/-innen und der indigenen Bevölkerung handelten. Angesichts ihres weltweiten Erfolgs haben Western so das Bild der Native Americans in vielen Ländern maßgeblich bestimmt. Das ist umso problematischer, da für das Genre lange Zeit ein kolonialistischer Blick charakteristisch war, der die frontier als Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis definierte und die Urbevölkerung wahlweise zu "edlen Wilden" oder häufiger noch zu "grausamen Bestien" stilisierte.

Das Kino griff damit auf Stereotype zurück, die im Theater und in der Literatur des 19. Jahrhunderts etabliert waren. Einen reichen Fundus an Stories und Motiven boten den Western nicht zuletzt die dime novels, in denen die Kämpfe der Siedler/-innen und Regierungstruppen gegen die Native Americans glorifiziert wurden. Als Held dieser Groschenhefte erlangte William Frederick Cody, genannt Buffalo Bill, nationale Berühmtheit. Seine Popularität nutzte der frühere Scout und Büffeljäger, um eine Form des Showbusiness zu begründen, die für die Ikonografie des Westerns wegweisend wurde: Codys Wild-West-Show führte indigene Krieger in fantasievollen Kostümen als Attraktion vor. Sie prägte so das Idealbild des "Prärie-Indianers", das quasi von Beginn an Teil der Bilderwelt des Kinos war: Tatsächlich zeigen die ältesten bekannten Filmaufnahmen von Native Americans aus dem Jahr 1894 indigene Darsteller aus Buffalo Bills Showtruppe (Siehe Angaben zum Stream der Library of Congress).

Buffalo Dance 1894 (© Library of Congress)

Die Darstellung des indigenen Kriegers als brutaler Eindringling

Die Geschichte des Westernfilms begann mit Edwin S. Porters "The Great Train Robbery" (USA 1903). Die frühen Filme des Genres inszenierten Native Americans noch häufig als "edle Wilde". Als Hollywood ab 1910 expandierte, vollzog auch der Western eine rasante Entwicklung. Die Filme wurden nun aufwendiger und viele indigene Darsteller/-innen der Wild-West-Shows wechselten als Statist/-innen in die Filmstudios. Auch David Wark Griffith, der bedeutendste Regisseur des frühen US-Kinos, setzte in seinem Western "The Battle of Elderbush Gulch" (USA 1913) Native Americans als Komparsen ein. Der Zum Inhalt: Stummfilm handelt vom Überfall indigener Krieger auf ein Siedlerdorf – ein typisches Westernszenario, das den Ureinwohnern/-innen die Rolle der Eindringlinge zuweist und somit die reale historische Grundkonstellation der gewaltsamen Kolonisation durch die Euroamerikaner/-innen umkehrt. Während Griffith‘ Film die Siedler/-innen als Charaktere entwickelt, zeichnet er die Angreifenden ohne individuelle Züge als blindwütige Barbaren. Besonders deutlich wird der rassistische Charakter der Zum Inhalt: Inszenierung darin, dass die prominenteren indigenen Rollen mit "weißen" Schauspielern besetzt sind, die ihre Figuren zudem parodistisch überzeichnen. Dieses "Redfacing" bleibt im Genre jahrzehntelang gängige Praxis.

Auch in den großen Stummfilmwestern der 1920er-Jahre treten indigene Darsteller/-innen fast ausnahmslos als Staffage auf. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, als eingefügtes Beiwerk den Realitätseindruck des Szenenbilds zu verstärken. So auch in "Das eiserne Pferd" ("The Iron Horse" , USA 1924) von John Ford, der vom Bau der ersten transkontinentalen Eisenbahn in den USA handelt. Für sein Epos engagierte der legendäre Westernregisseur Hunderte Sioux, Cheyenne und Pawnee als Kompars/-innen, für die die Filmproduktion angesichts der in den Reservaten herrschenden Armut eine Verdienstmöglichkeit darstellte. Im Film tauchen sie vor allem als Reiterhorden auf, die wie Insektenschwärme über die Eisenbahnarbeiter herfallen. Bezeichnend für den Paternalismus des Genres ist, dass die Krieger von einem als Cheyenne verkleideten "weißen" verbrecherischen Landbesitzer zu ihren Überfällen angestachelt werden. Die Attacken werden so zwar entschuldigt, anderseits verdeckt der Film dadurch, dass es sich bei den Aufständen der indigenen Stämme um eine legitime und selbstbestimmte Form des Widerstands handelte.

Native Americans als Spannungselement

John Fords Zum Filmarchiv: "Ringo" ("Stagecoach" , USA 1939) ist ein weiteres Filmbeispiel, das die indigene Perspektive komplett ausblendet. Dieser Tonfilm, der als archetypisches Meisterwerk des Genres gilt, handelt von einer Kutschfahrt durch ein Gebiet, in dem eine Gruppe aufständischer Apachen unter ihrem Anführer Geronimo blutige Überfälle auf "Weiße" verübt. Nachdem von den indigenen Kriegern zunächst nur bedrohliche Spuren zu sehen sind, gipfelt die Handlung in einer Verfolgungsjagd durch die Wüste. Die Inszenierung der Native Americans verfolgt einzig das Ziel, Spannung zu erzeugen und die Konflikte der "weißen" Kutscheninsassen untereinander zu dynamisieren. Bemerkenswert ist, dass im Film dreimal kurz Großaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) von indigenen Darstellern gezeigt werden. Die Annäherung der Kamera dient aber nicht etwa dazu, emotionale Nähe herzustellen. Vielmehr werden die Ureinwohner hier als undurchdringliche Feinde inszeniert, die das Gegenteil der eigenen Kultur verkörpern.

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"Ringo" , der erste Film, den Ford im Monument Valley (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) mit Statisten aus der Navajo Nation Reservation realisierte, enthält keine Sprechrolle eines indigenen Darstellers – die Krieger bedienen ganz das Klischee des schweigsamen "Indianers". Grundsätzlich aber warf die Einführung der Tonspur die Frage auf, wie indigene Charaktere in Western sprechen sollen. Die typische Lösung bestand darin, die von "weißen" Darsteller/-innen gespielten Native Americans stark akzentuiertes Englisch radebrechen zu lassen.

Die Western, die Ford nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs inszenierte, zeigen Native Americans etwas differenzierter – was in der Fachliteratur oft als Reaktion auf den nationalsozialistischen Rassenwahn gedeutet wird. So thematisierte Ford in seinem Alterswerk "Cheyenne" ("Cheyenne Autumn" , USA 1964) die skandalösen Lebensbedingungen in den Reservaten. Die indigenen Statist/-innen sprechen in diesem Film zwar ihre Stammessprache – allerdings sind es Navajo, die als Cheyenne auftreten. Die Inszenierung bezweckt einen Schein-Realismus, der offensichtlich allein auf ein "weißes" Publikum zielt.

"Weiße" Indigene

Delmer Daves’ "Der gebrochene Pfeil" ("Broken Arrow" , USA 1950) leitete eine Phase des Genres ein, in der die Vernichtung der indigenen Völker kritischer thematisiert wurde. Der Film handelt von dem Postreiter Tom Jeffords, der sich mit Cochise, dem Anführer aufständischer Chiricahua, anfreundet, eine indigene Frau heiratet und zum Vermittler zwischen den verfeindeten Parteien wird. Obwohl Daves sich bemüht, die Situation der Apachen objektiv darzustellen, gibt auch sein Film die Perspektive eines "weißen" Protagonisten wieder – und nutzt ausschließlich dessen Sprache. Daves räumt diesen Makel gewissermaßen selbst ein, indem er Jeffords einleitend sagen lässt, dass sich die folgenden Ereignisse tatsächlich so zugetragen hätten – und lediglich die Sprache übersetzt worden sei. Dass selbst ein progressiver Western wie "Der gebrochene Pfeil" kaum Möglichkeiten der Selbstrepräsentation für Native Americans bot, zeigt auch der Umstand, dass die indigenen Hauptrollen mit euroamerikanischen Stars, Jeff Chandler und Debra Paget, besetzt sind. Auch alle anderen Hollywood-Western, die in jener Zeit Native Americans in ein positiveres Licht stellten, praktizierten als Zugeständnis an das Starsystem nach wie vor "Redfacing". So schlüpften unter anderem auch Audrey Hepburn, Burt Lancaster und Rock Hudson in "Indianerkostüme".

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Die indigene Kultur als positiver Gegenentwurf

Als in den 1960er-Jahren Hollywoods Studioära endgültig endete und sich unter dem Eindruck des Civil Rights Movement und der Proteste gegen den Vietnamkrieg neue progressive Strömungen in der US-amerikanischen Filmkultur herausbildeten, erlebte auch das klassische Westerngenre seinen Niedergang. Italowestern zerstörten mit ihrer zynischen Weltsicht die konservative Ikone des strahlenden "weißen" Westernhelden. Zur gleichen Zeit rückte das American Indian Movement die Diskriminierung der Native Americans ins öffentliche Bewusstsein. Und die Hippiebewegung entdeckte die indigene Kultur als Gegenentwurf zum zerstörerischen American Way of Life.

In diesem Kontext stehen die Spätwestern der Zum Inhalt: New-Hollywood-Ära, die mit den Mythen der USA aufräumten. Ein Beispiel dafür ist Arthur Penns "Little Big Man" (USA 1970), der von einem Siedlerjungen erzählt, der als Überlebender eines Überfalls von Cheyenne adoptiert wird, als Grenzgänger zwischen dem indigenen und "weißen" Amerika heranwächst und zwischen die Fronten der sogenannten First Nations Wars gerät. In seinem Film untergräbt Penn die heroische Erzählung vom Werden der amerikanischen Nation im Stil einer Genreparodie, um unvermittelt die Brutalität der US-Kavallerie – eine Analogie zur amerikanischen Kriegsführung in Vietnam – umso drastischer vor Augen zu führen. Penns Sympathie liegt eindeutig bei den Cheyenne, deren Gemeinschaft er liebevoll zeichnet und die von – allerdings fließend Englisch sprechenden – indigenen Darsteller/-innen gespielt werden.

Nachdem der Western in den 1980er-Jahren nahezu keine Rolle mehr spielte, belebte Zum Filmarchiv: "Der mit dem Wolf tanzt" (Dances with Wolves, Kevin Kostner, USA/GB 1990) das Genre neu. Im Regiedebüt von Kevin Costner steht ebenfalls ein "weißer" Grenzgänger im Mittelpunkt: Lieutenant Dunbar, der sich während des Sezessionskriegs an die frontier versetzen lässt, wo er Kontakte zu den dortigen Lakota knüpft, deren Vertrauen gewinnt und schließlich in ihr Dorf zieht. Costners Film geht insofern über seine Genrevorgänger hinaus, als dass er penibel versucht, die indigene Lebenswelt zu rekonstruieren. So sprechen die Stammesmitglieder im Film durchgängig Lakota. Und obwohl Costner die naturnahe Lebensweise der Sioux romantisiert, ist es sein Verdienst, einem internationalen Massenpublikum die indigene Kultur, vor allem aber auch indigene Charaktere und Schauspieler/-innen nahegebracht zu haben.

Der große postkolonialistische Western steht noch aus

US-Großproduktionen wie "The Missing " (Ron Howard, USA 2003) oder "The Revenant – Der Rückkehrer" ("The Revenant" , Alejandro G. Iñárritu, USA/HK/TW 2015) belegen, dass indigene Schauspieler/-innen inzwischen in Western tragende Rollen einnehmen und die authentische Darstellung von Native Americans längst auch in Mainstreamfilmen als Qualitätsmerkmal gilt. Nicht zuletzt das US-Independent-Kino beweist immer wieder, dass das Aufeinandertreffen von Pionieren/-innen und Native Americans als Filmstoff noch längst nicht auserzählt ist. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Kelly Reichardts "Auf dem Weg nach Oregon" ("Meek's Cutoff" , USA 2010), der die Geschichte eines Siedlertrecks authentisch und aus weiblicher Sicht erzählt. Eine andere Leerstelle ist im Genre indes bislang noch unausgefüllt: die eines großen postkolonialistischen Westerns, der aus indigener Sicht vom Konflikt zwischen Native Americans und Euroamerikaner/-innen erzählt.