Geduldig unter dem Kreuz sitzend sieht der Priester zu, wie der schäbig gekleidete Mann, von dem er annimmt, er wäre ein Obdachloser, hastig seine Suppe hinunterschlingt. "Das wird schon wieder. Vertraue einfach auf den Herrn", tröstet der Geistliche. Doch der Mann im Bademantel hat gar keine Lust zuzuhören. Stattdessen macht er sich aufgebracht über die Weltsicht des Priesters lustig. "Ich bin Gott! Der da improvisiert nur!", brüllt er mit einem Fingerzeig auf den am Kreuz hängenden Jesus – bis dem Priester der Geduldsfaden reißt und er mit Fäusten auf den rüden Gast losgeht.

Kontroversen um religiöse Darstellungen

So hat sich der Priester aus Jaco Van Dormaels Zum externen Inhalt: Das brandneue Testament (öffnet im neuen Tab) seinen Gott sicher nicht vorgestellt. Der zornige und verwahrloste Kirchgänger widerspricht der Vorstellung eines gütigen alten Mannes, wie sie in der christlichen Ikonografie vornehmlich anzutreffen ist. Abweichende Darstellungen haben in den großen Glaubensgemeinschaften in der Vergangenheit immer wieder für Kritik gesorgt. Ein aktuelleres Beispiel dafür, wie die Darstellung von Götterfiguren und Religionsstiftern die Befindlichkeiten von Gläubigen verletzen können, waren die Kontroversen um die sogenannten Mohammed-Karikaturen, die bei den Terroranschlägen auf die Redaktionsmitglieder des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 schließlich sogar unter mörderischer Gewaltanwendung ausgetragen wurden.

Traditionen des Bilderverbots

Dass viele Gläubige religiöse Abbildungen als verletzend oder sogar als blasphemisch empfinden, liegt auch in den bilderfeindlichen Traditionen begründet, die nicht nur der Islam kennt, sondern bereits im Judentum und im alttestamentarischen Bilderverbot überliefert sind. Das frühe Christentum übernahm diese Praxis. Erst gegen Ende des vierten Jahrhunderts lockerte sich die Haltung: Theologen begrüßten sogar die visuelle Darstellung Gottes, da dessen Wesen auch jene Menschen erfahren konnten, die des Lesens nicht mächtig waren. Heiligenbilder, sogenannte Ikonen, waren wichtiger Bestandteil der koptischen und orientalisch-orthodoxen Kirchen. Während sich Teile des Protestantismus als eher bilderskeptisch verstanden und noch verstehen, sind im Katholizismus Abbildungen von Gott und Jesus selbstverständliche Elemente vieler Sakralbauten.

Das brandneue Testament, Szene (© NFP)

Abendländisch geprägtes Gottesbild

Man kann in diesem Zusammenhang von einer Art „Mediengeschichte“ religiöser Darstellungen sprechen. Das wohl bekannteste christliche Gottesbild schmückt heute die Sixtinische Kapelle im Vatikan. Es handelt sich um Michelangelos „Die Erschaffung Adams“ (1508 - 1512), das Gott als gealterten Vater zeigt, der eine jüngere Version seiner selbst auf die Erde entsendet. Die Malerei beruht auf dem biblischen Schöpfungsbericht, in dem es heißt, dass Gott den Menschen nach seinem Abbild geschaffen hat. Historisch gesehen ist dieses Bild stark abendländisch geprägt.

Vor allem das westliche Kino nimmt auf dieses christlich fundierte Gottesbild und seine jahrhundertealte Ikonografie immer wieder Bezug – sei es affirmativ oder konterkarierend. Wenn sich in "Bruce Allmächtig" (USA 2003) der afroamerikanische Schauspieler Morgan Freeman als Gott zu erkennen gibt, wird er von Jim Carrey in der Titelrolle zunächst ausgelacht. Die Darstellung Gottes als Afroamerikaner überträgt den gesellschaftlichen Konflikt in den USA auf eine religiöse Ebene. Noch heute zeigt die Teilung in schwarze und weiße Kirchen, dass die afroamerikanische Gemeinde nicht das Gottesbild der weißen Mehrheit im Land übernehmen will. Der Film nimmt hier eine komische Umdeutung vor, die durchaus auch als Kritik an der christlichen Tradition zu verstehen ist.

Komödie statt Bilderverbot

Regisseur Kevin Smith karikiert in seiner Komödie "Dogma" (USA 1999) wiederum die männliche Vorherrschaft im christlichen Glauben. Im Film wird Gott von der Sängerin Alanis Morissette gespielt, die mithilfe irdischer Mitstreiter verhindern muss, dass zwei gefallene Engel in den Himmel zurückkehren. Interessanterweise gibt es auch in "Dogma" einen (13.) afroamerikanischen Apostel, der in der biblischen Schrift aufgrund seiner Hautfarbe verschwiegen wurde. An diesen Beispielen zeigt sich, dass der Vorwurf der Blasphemie immer auch eine Frage der Perspektive ist. Das Kino als modernes Bildmedium hebt mit seiner Kritik an der traditionellen Überlieferung das Bilderverbot durch Reflexion auf: in Form der Komödie.

Wortgetreue Auslegung

Ganz anders verhält es sich mit der wachsenden Zahl von Bibelverfilmungen aus Hollywood, die sich ästhetisch an diversen Genres bis hin zur Fantasy orientieren, gleichzeitig aber einer vergleichsweise wortgetreuen Auslegung des Bibeltextes folgen. Ridley Scott greift in seinem Monumentalfilm "Exodus" (USA/GB 2014) darüber hinaus auf ein revisionistisches Motiv zurück, indem er Gott von einem kleinen Jungen darstellen lässt, der Moses zur Rache an den Ägyptern aufstachelt. Diese Darstellung korrespondiert mit der Vorstellung des alttestamentarischen Gottes als strafend und grausam.

Widersprüchliche Interpretationen des Koran

In anderen Religionen und Regionen wird die bildliche Darstellung in einem viel umfassenderen und strikteren Sinne als pietätlos empfunden. Im 8. Jahrhundert gingen sowohl der christliche Kaiser von Byzanz, Leo III., als auch der islamische Kalif Yazîd II gegen Heiligenbilder vor. Der Grund für diese Ablehnung wird unter Religionswissenschaftlern kontrovers diskutiert. Der Bildersturm des Kalifen wirkt bis heute in der islamischen Welt fort. Die gewalttätigen Reaktionen auf die Mohammed-Karikaturen lassen sich jedoch nicht aus dem Koran ableiten. Die Auslegungen des Koran hinsichtlich der Darstellung von Lebewesen an sich sind widersprüchlich. Eine Richtung vertritt die Ansicht, dass Darstellungen, soweit sie nicht der religiösen Verehrung dienen, erlaubt seien. Es gibt aber auch die Auffassung, die die Abbildung von Menschen, Tieren und Pflanzen grundsätzlich untersagt. Einig sind sich beide Strömungen darin, dass Darstellungen Allahs und seines Propheten Mohammed ein Tabu darstellen. Dies erklärt, warum diese im Film bisher eine Leerstelle bilden.

Bildperspektiven im Judentum

Das Judentum wiederum kennt einen Mittelweg zwischen einem strikten Bilder- bzw. Abbildungsverbot und der freien Darstellung von Götterbildern. Das ursprünglich in den Zehn Geboten festgeschriebene Bilderverbot sicherte den Israeliten über 3000 Jahre ihre kulturelle Eigenständigkeit zu, da dieses Alleinstellungsmerkmal den jüdischen Glauben von den umgebenden Religionen abgrenzte. Das Gesetz gilt bis heute, weshalb im mosaischen Kontext nur eine indirekte Annäherung an die Gottesdarstellung stattfindet. Beispielhaft zeigt dies der israelische Spielfilm "My Father, My Lord" (2007) von David Volach. Der Regisseur zeichnet darin das Bild eines orthodoxen Juden, der der Erfüllung seiner religiösen Pflichten oberste Priorität einräumt. Die Geschichte nimmt eine tragische Wendung, als bei einem Ausflug ans Tote Meer der unbeaufsichtigte Sohn einen tödlichen Unfall hat, während der Vater seinem täglichen Gebet nachgeht. Im Moment des Todes richtet der Vater seinen hoffnungsvollen Blick in Richtung Himmel – wo sich ihm aber kein göttliches Zeichen offenbart, sondern ein israelischer Militär-Hubschrauber.

Diese Szene spiegelt die Ambivalenz der israelischen Gesellschaft wider, die zwar stark religiös geprägt ist, aber pragmatisch handelt. Eine solche metaphorische Darstellung Gottes steht im Gegensatz zu den konkreten christlichen Motiven im westlichen Kino, in deren Tradition auch "Das brandneue Testament" steht. Das Symbol lässt Spielraum für Interpretationen, den das tradierte, festgeschriebene Bild – weiß, männlich, steinalt – nur noch als Karikatur hergibt. Es ist universell, nicht anmaßend. Dagegen hält das über Jahrhunderte überlieferte Gottesbild für viele Menschen heute keine Versprechen mehr bereit. Es hat sich gewandelt – und wird dies weiterhin tun.

Mehr zum Thema