Kategorie: Hintergrund
Junge Mütter im Film
Mein Bauch und mein Leben gehören mir
Jung, schwanger – und was nun? Mit der Frage, ob und wie ein Kind in das Leben eines Teenagers integriert werden kann, beschäftigen sich einige Filme, die dabei jeweils unterschiedliche Probleme und Lösungen aufzeigen.
Ob in der Fiktion oder im wahren Leben: Die Schwangerschaften Minderjähriger sind meist ungewollt. So wird auch Camille in Zum Filmarchiv: "17 Mädchen" (Delphine und Muriel Coulin, Frankreich 2011) durch einen "Kondomunfall" schwanger. Was daraus folgt, ist die Utopie einer Mädchenclique, die den kühnen Plan fasst, "am Samstag bei der Party" mit voller Absicht gemeinsam schwanger zu werden. Doch die Frage, wie das Kind einer minderjährigen Mutter in deren Leben integriert werden kann, bleibt dieselbe: Wie kann ein Mensch, der selbst noch nicht ganz erwachsen ist, der noch zur Schule geht oder eine Ausbildung macht, ein Kind großziehen?
Die Vision: eine Mädchen-Kommune
Wie das Leben offeriert auch das Kino verschiedene Lösungsmöglichkeiten, mit einer Schwangerschaft und den damit verbundenen Herausforderungen umzugehen. In Zum Filmarchiv: "17 Mädchen" wollen die schwangeren Teenager eine Kommune gründen und dort mit ihren Kindern, die sie sich eher wie Geschwister denn Söhne und Töchter vorstellen, in der Gemeinschaft leben. Eine große Rolle spielt dabei die trotzige Abwendung von den Lebensentwürfen der Eltern, die der Situation ebenso wie ihre Lehrer/innen hilflos gegenüber stehen. Die Mädchen wollen nicht mehr als Kinder wahrgenommen werden, die triste Langeweile in ihrer Heimatstadt überwinden und gemeinsam glücklich sein. Zudem glauben sie, sei ein eigenes Kind ein Mensch, der einen das ganze Leben lang bedingungslos liebt, und zugleich jemand, um den man sich kümmern kann. Eine Zeitlang funktioniert der Plan der rebellischen Clique und die gemeinsame Situation führt die Freundinnen näher zusammen – eine der Schülerinnen täuscht ihre Schwangerschaft sogar vor, um dazuzugehören. Letztendlich platzt der Traum der Schülerinnen aber. Die Anführerin Camille verliert ihr Kind und verlässt die Stadt. Am Ende zeigt der Film die Mädchen mit ihren Kinderwagen, jedoch ohne der Frage nachzugehen, wie das Leben als junge Mutter weitergeht. Der Zum Inhalt: Off-Kommentar deutet es jedoch an: Die Vision eines gemeinschaftlichen Leben hat sich nicht realisiert.
Ein Kind mit zwei Müttern
Der Kommunen-Utopie aus Zum Filmarchiv: "17 Mädchen" nicht unähnlich baut auch Carla in dem Film (Julia von Heinz, Deutschland, Frankreich 2007) auf die Hilfe einer Freundin. Um eine Modeschule in Lyon zu besuchen, ist Carla von zu Hause abgehauen, wird aber schon kurz nach ihrer Abreise ausgeraubt und strandet ohne Geld und Papiere in Berlin. Als wäre diese Lage nicht prekär genug, resultiert aus einer Nacht mit dem zwielichtigen Rico eine ungewollte Schwangerschaft. Da selbige erst im vierten Monat auffällt, kommt eine Abtreibung für Carla nicht mehr in Betracht. Stattdessen fasst sie mit ihrer neuen Freundin Lucie einen Plan: Carla will das Baby unter Lucies Namen zur Welt bringen und es dieser nach der Geburt übergeben. Als das Kind schließlich da ist, gründen die beiden eine Wohngemeinschaft am Berliner Stadtrand, in der auch Lucies heroinabhängiger Bruder lebt. Für die in Heimen und auf der Straße aufgewachsene Lucie erfüllt dieses Modell ihre Sehnsucht nach familiärer Geborgenheit.
Junge Mütter und ihre Eltern
Als Unterstützung etabliert Zum Filmarchiv: "17 Mädchen" den Halt innerhalb der Clique, während die schockierten Eltern mit der Situation kaum umzugehen wissen. Im Fall von Clémentine plädieren die Eltern für eine Abtreibung und stellen das Mädchen unter Hausarrest. Ganz so wie die Kindsväter, deren Hilfe die Mädchen nicht in Anspruch nehmen, spielen die Eltern während der Schwangerschaft keine große Rolle. Dass die Mädchen jedoch selbst noch Kinder sind, verdeutlicht eine Szene, in der die Freundinnen ein verlassenes Wohnmobil notdürftig als Bleibe für Clémentine herrichten, die wegen ihrer Schwangerschaft Streit mit ihren Eltern hat: Als ein Sturm durch die maroden Fenster peitscht, ruft Clémentine verzweifelt ihre Mutter an. In Henner Wincklers Sozialdrama (Deutschland 2006) lebt die 18-jährige Maggy mit ihrer knapp einjährigen Tochter anfangs noch bei ihrer Mutter. Alleine würde die junge Frau ohne Schulabschluss, die zum Vater des Kindes keinen Kontakt will und ihrem Alter entsprechend nach Abenteuern sucht, die alltägliche Verantwortung wohl überfordern. Auf der anderen Seite kommt es wiederholt zu Spannungen zwischen Maggy und ihrer Mutter, die das Kind wie ihr eigenes behandelt. Als Maggy den etwas älteren Gordon kennenlernt und sich verliebt, rückt der Traum einer kleinen Familie in greifbare Nähe. Bald zieht das Paar zusammen, doch bereits nach kurzer Zeit wird auch Gordon die Verantwortung zu viel. Hinzu kommt, dass Maggys Mutter ihr Enkelkind nur ungern hergeben will, was die angespannte Lage zwischen Mutter und Tochter weiter verschärft.
Adoption und Pflegeeltern
Uneingeschränkten Beistand von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter findet dagegen die 16-jährige Juno in der gleichnamigen Tragikomödie (Jason Reitman, USA 2007). Gleich beim ersten Sex mit ihrem Schulfreund Paulie wird sie schwanger, doch dauert es eine Weile, bis Juno die Eltern einweiht. Zuvor berät sich das Mädchen mit ihrer besten Freundin und entscheidet sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Doch als Juno die atmosphärisch höchst unangenehme Abtreibungsklinik aufsucht und kurz zuvor von einer Schulkameradin erfährt, dass ihr Kind bereits Fingernägel hat, sucht das Mädchen nach Adoptiveltern für das Ungeborene. Damit trifft sie eine Entscheidung, die viel Mut verlangt, denn auch mit ihrem wachsendem Bauch besucht Juno weiterhin die Schule und setzt sich den kritischen Blicken ihrer Mitschüler/innen aus. Im gut betuchten Pärchen Mark und Vanessa findet Juno die passenden Eltern für das Baby – die Möglichkeit, es selbst großzuziehen, schließt die Schülerin indes von vornherein aus. Ein Baby ist in ihrer Lebensplanung noch nicht vorgesehen. So darf Juno letztendlich eine normale Teenagerin bleiben, wenngleich die Erfahrung der Schwangerschaft sie wohl noch ein Stück erwachsener macht, als sie ohnehin schon war.
Schwanger - und was nun?
Die Protagonistinnen aus Zum Filmarchiv: "17 Mädchen" bilden im Vergleich zu anderen minderjährigen Film-Müttern eine Ausnahme, da sie – abgesehen von Camille – mit Vorsatz schwanger werden. Außerdem sind die Schülerinnen auch in ihrer enthusiastischen Verknüpfung der Schwangerschaft mit einem besseren Leben eine Ausnahmeerscheinung, denn für Juno und andere schwangere Minderjährige (ob im Film oder der Realität) stellt die Erwartung eines Kindes eher eine mit Ängsten verknüpfte Herausforderung dar, die den bisherigen Lebensplan fundamental verändert. Die Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen, reichen von einer Abtreibung über die Unterstützung durch Eltern und Freundinnen bis zur Freigabe des Kindes zur Adoption – eine Schwangerschaft in jungen Jahren ist also nicht gleich der Untergang der Welt, aber doch ein ernstes Ereignis, das die Welt der Betroffenen entschieden ins Wanken bringt.