Leerverkäufe, Bezugsoptionen, Short Squeeze: Hedgefonds sind kompliziert, selbst Fachleute verspekulieren sich. Nicht so der junge Finanzanalyst und Nerd Keith Gill. Anfang 2021 erkennt er, dass der Börsenwert des Gaming-Fachgeschäfts GameStop mit 3,85 US-Dollar pro Aktie zu niedrig dotiert ist und investiert sein Erspartes in Wertpapiere der Kette. Als "Roaring Kitty" mit rotem Stirnband informiert er seine Community bei YouTube und auf der Webseite Reddit über das Investment. Tenor: "Mir gefällt die Aktie!" Die Analyse animiert tausende Kleinanleger/-innen rund um den Globus, mittels der App Robinhood ebenfalls GameStop-Aktien zu kaufen, deren Wert dadurch rasant steigt. Während die Krankenschwester Jennifer oder der GameStop-Mitarbeiter Marcus Gewinne einfahren, verlieren Hedgefonds-Manager wie Gabe Plotkin und Steve Cohen Millionensummen, da sie auf eine Insolvenz von GameStop gewettet haben. Bald schafft es der Handstreich gegen das System in die Hauptnachrichten, auch die Politik schaltet sich ein.

Die Aufregung um die GameStop-Aktie ist noch frisch, da erscheint schon die erste Zum Inhalt: Filmadaption der wahren Geschichte. Regisseur Craig Gillespie hat sich für eine kompakte Zusammenschau des Phänomens entschieden, die mit satirischen Spitzen an "Zum Filmarchiv: "The Big Short"" (Adam McKay, USA 2015) über die Finanzkrise erinnert. Allzu detaillierte Erklärungen der komplexen Hintergründe spart Gillespie aus, im Mittelpunkt stehen vielmehr die Auswirkungen des Vorgangs auf die Leben einiger Beteiligter und vor allem der popkulturelle Unterbau der Aktion. Regelmäßig fassen pointierte Collagen (Glossar: Zum Inhalt: Montage) aus Memes und Kurzvideos, aber auch Fernsehmitschnitte die öffentliche Resonanz zusammen. Dazu passt die kurzweilige Zum Inhalt: Inszenierung, wenn etwa bei der Einführung neuer Figuren deren aktuelles Vermögen eingeblendet wird oder eine Pool-Party in Zum Inhalt: Zeitlupe gezeigt wird. Zudem betont die gegenwartsnahe Musikauswahl (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) die Einordnung des Börsen-Eklats als Zeitgeist-Phänomen. Unterm Strich erzeugt der Zum Inhalt: Plot eine rebellische Klassenkampf-Stimmung, bei der die "kleinen Leute" dem System ein Schnippchen schlagen. Die Broker werden dabei als raffgierige Karikaturen vorgeführt, was die Sympathien eindeutig verteilt.

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"Privatanleger verlieren immer", meint ein Hedgefonds-Manager im Film, an der Wall Street spricht man vom "dummen Geld" der vermeintlichen Amateur/-innen. Im Fach Wirtschaft kann der Hype um GameStop zum Anlass genommen werden, die grundlegenden Mechanismen und ethischen Implikationen des Aktienmarkts zu besprechen. Im konkreten Fall spielt auch die weltweite Vernetzung eine Schlüsselrolle: Ohne das Internet und niedrigschwellige Aktien-Apps wäre die in Schlagzeilen als "Rebellion der Kleinanleger" oder "Flashmob" betitelte Aktion, die als geistige Nachfolgerin der Protestbewegung "Occupy Wall Street" verstanden werden kann, so nicht möglich gewesen. Diskutiert werden kann hier auch das Postulat vom freien Internet, das durch den forcierten Kaufstopp der Aktie auf Robinhood in Frage gestellt wird. Interessant ist der Gedanke, dass ein paar geschickt platzierte Online-Klicks Millionen auf das eigene Konto transferieren können. Ist die GameStop-Affäre also nur eine weitere Variante des kapitalistischen Glücksversprechens? Eine Analyse der filmischen Stilmittel zeigt auf, wie Gillespie die Aktion als popkulturelles Phänomen mit handfesten sozioökonomischen Folgen darstellt.

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