Kategorie: Filmbesprechung
"Brainwashed – Sexismus im Kino"
Brainwashed: Sex-Camera-Power
Dokumentarfilm über den male gaze - den männlichen Blick des Kinos
Unterrichtsfächer
Thema
Die Darstellung von Frauen im Spielfilm ist skandalös klischeehaft und zementiert systematisch weibliche Diskriminierung. Diese These versucht die amerikanische Regisseurin (Glossar: Zum Inhalt: Regie) und Filmdozentin Nina Menkes in ihrem Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Brainwashed – Sexismus im Kino" zu beweisen. Der Film ist aus einer von ihr am California Institute of the Arts gehaltenen Vorlesung entstanden, für die sie umfassendes Material aus über 100 Jahren Filmgeschichte zusammengetragen und Mitstreiterinnen aus der Branche interviewt hat. Im Zentrum steht dabei der von der feministischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey bereits Mitte der 1970er-Jahre beschriebene Zum externen Inhalt: male gaze (öffnet im neuen Tab) – der männliche Blick des klassischen Erzählkinos auf die zu einem sexualisierten Objekt reduzierte Frau, der Menkes zufolge auch heute noch die Norm ist. Der Filmemacherin geht es also weniger um die stereotype Verteilung von Rollen als dezidiert um die filmische Ästhetik, die ihrer Ansicht nach anhand immer gleicher Prozedere eine Erzählperspektive etabliert, die Frauen systematisch herabwürdigt. Als Charakteristika nennt Menkes (ab-)schätzende Kameraschwenks (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) über nackte weibliche Körper, fragmentierte Zum Inhalt: Einstellungen auf einzelne Körperteile, Slow-Motion (Glossar: Zum Inhalt: Zeitraffer/Zeitlupe) oder auch eine flächige zweidimensionale Ausleuchtung (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung) der Darstellerinnen.
In ihrem Dokumentarfilm weist Menkes darauf hin, dass die Art und Weise, wie männliche und weibliche Figuren im Kino dargestellt werden, Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse ist: Darin spiegele sich, in Anschluss an Mulveys psychoanalytisch argumentierende Theorie, das "Unbewusste der patriarchalen Gesellschaft" und manifestiere sich die "Propaganda für das Patriarchat". Systematische Diskriminierung und Missbrauch von Frauen würden so legitimiert. In diesem Zusammenhang spannt Menkes den Bogen zur MeToo-Bewegung, die dem Sexismus innerhalb der Filmindustrie zuletzt weltweit Aufmerksamkeit verschafft hat. Den male gaze veranschaulicht "Brainwashed" in seiner Stereotypie auf eindringliche, fast schon plakative Weise. Die Auswahl mancher Filmbeispiele bietet dabei Anlass zur Diskussion: Handeln nicht gerade Filme wie Jean-Luc Godards "Die Verachtung" (Le Mépris, FR/IT 1963) oder David Lynchs "Lost Highway" (USA 1997) selbstreflexiv von der männlichen Perspektive auf Frauen? Dass an keiner Stelle des Films ein genderkonformer heterosexueller, weißer Mann zu Wort kommt, ist ein Statement. Irritierend erscheint, dass Menkes ihr eigenes filmisches Werk wiederholt heranzieht, um zu zeigen, wie Sexualität und Begehren eine angemessene filmische Darstellungsform finden können. Dabei sind ihre Analysen der Positivbeispiele aus Filmen von Regiekolleg/-innen (Agnès Varda, Gus Van Sant, Céline Sciamma) durchaus überzeugend.
Die Fülle der Filmbeispiele und die Klarheit von Menkes‘ Ausführungen bieten einen guten Einstieg zur Sensibilisierung Jugendlicher für Fragen visueller Repräsentation, besonders in den Fächern Kunst, Englisch und Deutsch. Diskussionswert ist Menkes‘ Argumentation, der männliche Blick sei ein "visueller Angriff" auf das Selbstsein von Frauen generell und alle Frauen trügen dieselbe "Traurigkeit" darüber in sich, die sie selbst verspürt. In den Fächern Philosophie oder Medienkunde könnte unter Bezug auf dekonstruktivistische Theorien die Suggestivkraft der Bildsprache problematisiert und diskutiert werden, wie die Art und Weise der Darstellung Realität prägt. Die Anschaulichkeit von Menkes‘ Argumentation ermöglicht es Schülerinnen und Schülern problemlos, ihre Thesen anhand selbst gefundener Beispiele auch aus den Bereichen Musikclips und Social-Media-Videos nachzuvollziehen und somit einen kritischen Blick auf die Darstellung der Geschlechter in unserer visuellen Kultur zu entwickeln. Als filmpraktische Übung im Unterricht können in Gruppenarbeit alternative filmische Strategien zum male gaze ausprobiert und im Anschluss in der Lerngruppe gezeigt und diskutiert werden.