Julias Leidenschaft ist das Motorradfahren. Besonders fasziniert die junge Frau, die in einer tristen Vorstadt von Bordeaux (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) lebt, das sogenannte Cross-Bitumen, bei dem auf Motocross-Maschinen draufgängerische Stunt-Figuren illegal auf öffentlichen Straßen vollführt werden. Mit geklautem Bike, einer gehörigen Portion Kaltschnäuzigkeit und enormer Zähigkeit erkämpft sie sich in diesem testosterongetriebenen Milieu den Respekt der "Be Mores", einer Clique junger Männer, die in einer Werkstatt Motorräder zusammenschrauben und illegal weiterverkaufen. Deren Boss Domino, der aus dem Knast heraus die Aktivitäten der Gruppe steuert, erkennt Julias Talent als Motorraddiebin. Doch in seinem Kontrollwahn missfällt ihm die Sympathie, die seine kurzgehaltene Lebensgefährtin Ophélie für Julia entwickelt. Zugleich sieht sich Julia der zusehends aggressiven Ablehnung einiger "Be Mores" gegenüber. Die Ereignisse kulminieren, als Julia der Gang einen waghalsigen Coup vorschlägt: Den Raub einer Ladung hochwertiger Motorräder von einem fahrenden LKW.

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In ihrem rasanten Langfilmdebüt erzählt Lola Quivoron nicht nur das Zum Inhalt: Coming-of-Age einer rebellischen Jugendlichen. Obwohl "Rodeo" voller Reminiszenzen an die USA und das Hollywood-Kino steckt, formulierte die französische Regisseurin für sich selbst den Anspruch, den Gangsterfilm (Glossar: Zum Inhalt: Genre) neu zu erfinden – nicht zuletzt, indem sie eine Heldin in den Mittelpunkt rückt. Wie die weiteren von Laiendarstellern gespielten Figuren stellt Julia eine Lebensweise zur Schau, die Tod und Gesetz herausfordert und damit der gesellschaftlichen Ausgrenzung trotzt, die Jugendliche der französischen Vorstädte, der migrantisch geprägten Banlieues, systematisch erleben. Und wie sie ist auch die schillernd komplexe Protagonistin, die mit rotzigem Blick die Machos auf ihrem Terrain herausfordert und überbietet, keine wirkliche Sympathieträgerin. Außergewöhnlich ist ihre Bereitschaft körperliche Gewalt zu ertragen, aber auch selbst brutal zurückzuschlagen. Die Bilder, immer ganz nah (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) an der Figur, lassen das Publikum die aggressive Energie, den Adrenalinrausch und die Faszination für schnelle Maschinen, von denen Julia getrieben ist, geradezu physisch miterleben. Bereits die erste Zum Inhalt: Szene, mit Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) gedreht, stößt die Zuschauenden mitten in eine gewaltvolle Auseinandersetzung zwischen Julia und ihrem Bruder.

Obwohl der Film weniger eine Überhöhung des Cross-Bitumen-Phänomens als eine Reflexion über gesellschaftliches Außenseitertum ist, löste er in Frankreich eine polarisierende Debatte aus. Wilde Motorradrennen, sogenannte "Rodéos urbains", sind dort ein Sicherheitsproblem, dem sich die Gemeinden oft kaum zur Wehr setzen können. In gewisser Weise holt das Zeitgeschehen diese Debatte gerade ein. Die aktuellen Ausschreitungen in Frankreich in Folge des tödlichen Schusses eines Polizisten auf einen Jugendlichen in Nanterre bieten insbesondere im Französischunterricht Anlass, über die aufgeheizte Stimmung in den Banlieues zu sprechen und die Situation der Vorstadtjugend, wie sie im Film porträtiert wird, zu problematisieren. Im Rahmen einer filmhistorischen Analyse im Fach Kunst lässt sich die Figur der jugendlichen Rebellin in ihrer konsequenten Gewaltakzeptanz und Übernahme männlicher Rollenstereotype mit weiblichen Protagonisten anderer Coming-of-Age-Filme kontrastieren. Auf welche Weise bricht die Darstellung der Heldin mit weiblichen Verhaltenszuschreibungen des Kinos?

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