Die Männer haben schwer zu tragen: Es geht mal vor, dann zurück und nur langsam schaffen sie es, die schwere Jesus-Statue auf ihren Schultern durch die engen Gassen von Siculiana (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) zu navigieren. Am Rande des jährlich stattfindenden Festzuges zu Ehren des Schutzpatrons filmt der 19-jährige Edward mit seinem Handy das Geschehen. Er ist einer der Geflüchteten aus Ghana, die im umstrittenen Flüchtlingszentrum der Kleinstadt wohnen. Edward ist fasziniert, denn der berühmte Jesus von Siculiana ist – wie er selbst – schwarz. Wie kann es sein, dass die Menschen seit Jahrhunderten "ein schwarzes Stück Holz anbeten, aber schwarze Menschen aus Fleisch und Blut ablehnen?", fragt er sich. Er beschließt, sich für die nächsten Feierlichkeiten als Träger des Kruzifixes zu bewerben.

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Wie lässt sich christliche Nächstenliebe mit der offenen Ablehnung von Menschen, die Hilfe suchen, vereinbaren? Um sich diesem Widerspruch zu nähern, ist Regisseur Luca Lucchesi in die Heimatstadt seines Vaters zurückgekehrt. In seinem Zum Inhalt: Dokumentarfilm führt er zwei Welten zusammen, die sich in der Realität kaum berühren und doch vieles gemeinsam haben: Beide sind arm und ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft sowie ihr Vertrauen in die Politik sind brüchig geworden. Auf der einen Seite stehen die jungen Migrant/-innen, die als Asylbewerber/-innen weder Arbeit und noch eine Wohnung finden können. Die Siculianesi hingegen beklagen die Abwanderung der Jugend und fehlende Arbeit. Sie fühlen sich mit den vielen "Fremden" von der Politik allein gelassen. Der Regisseur, zugleich auch Kameramann, hat das für Dokumentarfilme ungewöhnliche Zum Inhalt: Cinemascope-Format gewählt. Die Stadt wird dadurch zur Bühne. Lucchesis Gesprächspartner/-innen (Glossar: Zum Inhalt: Talking Heads) – etwa der Sprachlehrer der Migrant/-innen oder Edward und dessen Freunde – erzählen zwar von persönlichen Wünschen, Befürchtungen und Ansichten, stehen aber dabei stellvertretend für eine Gemeinschaft.

In Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, Geschichte und Politik lässt sich darüber sprechen, wie Italien und andere europäische Länder den Migrationsbewegungen aus Afrika und dem Nahen Osten begegnen. Hier sollte auch die rechtliche Grundlage europäischer Asylpolitik erarbeitet werden. Anhand des Films lässt sich zudem analysieren, mit welchen Vorurteilen und Ängsten die Migrant/-innen in Siculiana konfrontiert werden. Woher rühren diese Befindlichkeiten? Und warum werden Menschen wie Edward als Bedrohung und nicht als Chance begriffen, zumal in einer Stadt, die zunehmend überaltert? In diesem Zusammenhang kann auch überlegt werden, welche Möglichkeiten der Annäherung es gibt. In den Fächern Religion, Ethik und Philosophie lässt sich der grundlegende Konflikt des Films erörtern: Sind die Bewohner/-innen der Stadt nicht allein aus christlicher Nächstenliebe zur humanitären Hilfe von Notleidenden verpflichtet? Spannend ist es auch am Beispiel von "A Black Jesus" herauszuarbeiten, inwieweit die Anwesenheit eines Filmteams zu unmittelbaren Veränderungen im Mikrokosmos einer Gesellschaft führen können. Welche Begegnungen und Denkprozesse hat Lucchesi mit seiner Arbeit angestoßen?

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