Der Genozid von Srebrenica gilt als das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg: Am 11. Juli 1995 nahmen bosnisch-serbische Einheiten die unter UN-Schutz stehende Stadt Srebrenica ein und töteten in den darauffolgenden Tagen mehr als 8000 Bosniaken, muslimische Bosnier/-innen, fast ausschließlich Männer und Jungen zwischen 13 und 78 Jahren. Der Film "Quo Vadis, Aida?" nähert sich diesem Gewaltverbrechen aus der Sicht einer Frau, die zwischen den Fronten steht: Die Bosnierin Aida arbeitet als Dolmetscherin in der niederländischen UN-Basis. Sie soll übersetzen, als plötzlich zehntausende Menschen vor den Toren des Camps stehen und um Schutz vor den Truppen des serbischen Generals Radko Mladić bitten. Bald schon ist das Lager überfüllt, viele müssen zurückgewiesen werden. Und so zieht ein Klima der Angst und Panik herauf. Inmitten des ausbrechenden Chaos sucht Aida verzweifelt nach ihrem Mann und den beiden Söhnen, um sie bei den niederländischen Soldat/-innen in Sicherheit bringen. Nach Verhandlungen mit Mladić beschließen diese jedoch, die Evakuierung der Geflüchteten den serbisch-bosnischen Truppen zu überlassen und beginnen ihren Stützpunkt zu räumen. Aida ahnt, dass dies für ihre Angehörigen den Tod bedeutet. Im Angesicht der drohenden Ermordung kämpft sie bis zum letzten Moment, um ihre Familie zu retten.

Jasmila Žbanić, die bereits mit (2006) die Ereignisse und traumatischen Auswirkungen des Bosnienkrieges bearbeitet hat, wählt erneut eine starke weibliche Perspektive, um diese der männlichen, (para-)militärischen Gewalt entgegenzustellen. Die Kamera bleibt dicht an der Protagonistin Aida, die pausenlos durch das Lager hetzt und nur selten einen Moment der Schwäche zulässt. Die Dramaturgie ist auf den Massenmord als unausweichlichen Endpunkt ausgerichtet, ein eindringlich-geradliniger Zum Inhalt: Score unterstreicht die unmenschliche Anspannung, die Aida stellvertretend für alle dort versammelten Familien erlebt. Der Film wird so auch für die Zuschauenden zu einer erschütternden Erfahrung. Immer wieder Zum Inhalt: fährt die Kamera Zum Inhalt: nah an den Reihen der Zufluchtsuchenden entlang und gibt den zahllosen Menschen und ihren individuellen Schicksalen so ein Gesicht. Žbanić erzählt den Genozid von Srebrenica auf diese Weise auch als eine Geschichte des Hin- und Wegsehens. Jahre nach dem Krieg sitzen in der Schluss Zum Inhalt: szene des Films Eltern in einer Schulaufführung, darunter ehemalige Soldaten ebenso wie Überlebende. Ihre Blicke gehen ins Leere, ihre Kinder jedoch schauen in die Kamera und öffnen die Augen. Die titelgebende Frage „Quo vadis?“ richtet sich so auch an die Zukunft des Landes und die Generation, die nach dem Krieg geboren ist.

Quo Vadis, Aida?, Trailer (© Farbfilm Verleih)

Der Genozid von Srebrenica steht über das konkrete Verbrechen hinaus als Symbol für die Kriegstraumata im kollektiven Gedächtnis der bosniakischen Bevölkerung — und wird noch immer von Teilen der serbisch-bosnischen Gesellschaft geleugnet. Um Schüler/-innen diese Bedeutung vor Augen zu führen, kann zunächst die Geschichte der Jugoslawienkriege in den 1990er-Jahren besprochen werden. Aida trifft unter Mladićs Soldaten einen früheren Schüler. Diese Szene bietet sich an, um über politische Narrationen zu sprechen, die in Bosnien dazu führten, dass sich ethnische Gruppen über Jahre hinweg immer feindseliger begegneten, bis sich am Ende Nachbarn und Bekannte gegenseitig ermordeten. Im Politikunterricht kann der Sinn von UN-Einsätzen erörtert werden: Welche Befugnisse sollte die Staatengemeinschaft haben, um in Kriegen zu intervenieren? Die ambivalente Position der UN-„Blauhelmtruppen“ führt Žbanićs Film in der Darstellung der ungleichen Stärkeverhältnisse und der katastrophalen Folgen des Abzugs der niederländischen Einheit deutlich vor Augen.

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