Frauen und Männer sollen am Bauhaus gleichbehandelt werden, das hatte Walter Gropius bei der Gründung der Kunstschule 1919 versprochen. Aber in der Realität sei dieses Ziel nie umgesetzt worden – so lautet der Vorwurf, mit dem die Journalistin Stine Branderup in der ersten Folge der sechsteiligen Fernsehserie "Die neue Zeit" den gefeierten Architekten 1963 konfrontiert. Gropius will diese Kritik nicht auf sich sitzen lassen und stellt ihr seine Sicht der Dinge dar. Die Serie führt in Zum Inhalt: Rückblenden in die 1920er-Jahre und erzählt von den Gründungsjahren des Bauhauses in der noch jungen und krisengeschüttelten Weimarer Republik. Dabei wird die Studentin Dörte Helm in den Mittelpunkt gestellt. Aus einem streng konservativen Elternhaus stammend, ist sie inspiriert vom Zeitgeist und ihren avantgardistischen Lehrmeistern am Bauhaus in Weimar (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set). Zunehmend politisiert sich Dörte und steht beharrlich für künstlerische Freiheit, Solidarität und die Emanzipation der Frau im Privaten wie in öffentlichen Lebensbereichen ein, wobei sie immer wieder die Auseinandersetzung mit dem Vater, ihren Lehrern und auch mit Walter Gropius sucht.

Regisseur und Co-Autor (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) Lars Kraume hat "Die neue Zeit" als Histotainment-Drama inszeniert. Die Geschichte basiert auf historisch realen Personen und Ereignissen, die im Film gezeigte Liebesaffäre zwischen dem Bauhaus-Direktor und Dörte Helm ist jedoch nicht belegt. Dörte Helms Kampf, als Frau und Künstlerin wahr- und ernstgenommen zu werden, wie auch Gropius innovative Lehransätze stoßen zum Teil innerhalb der Schule, aber vor allem im konservativ-reaktionären Establishment Weimars auf Widerstand und sind Metaphern für den soziokulturellen Umbruch zu einer modernen Gesellschaft, die im Nationalsozialismus scheitern wird. Eine bewegliche Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) und schnelles Heranzoomen (Glossar: Zoom) verdeutlichen die Aufbruchsstimmung. Mitunter werden Zum Inhalt: Szenen – beispielsweise ein ausgelassenes Feiern oder auch die Unruhen in Folge des Kapp-Putsches – mit aufeinander folgenden schwarz-weißen (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) Standbildern, die im Erzählfluss wie Fotografien wirken, unterbrochen. Symbolisch aufgeladene Bilder wie ein spontanes Nacktbaden der Studierenden in der Ilm übertragen die Sehnsucht der jungen Generation nach Veränderung und wecken Assoziationen zu der 68er-Studentenbewegung.

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Die Figur der Malerin und Illustratorin Dörte Helm steht stellvertretend für viele Frauen am Bauhaus, die im Vergleich zu Walter Gropius, Johannes Itten oder Marcel Breuer weitgehend unbekannt geblieben sind. Hier bietet die Serie einen Ansatzpunkt, um sich im Fach Kunst mit dem Werk der dort tätigen Künstlerinnen und Lehrmeisterinnen auseinanderzusetzen und das Konzept des Bauhauses in Bezug auf Geschlechtergleichheit zu studieren. Diskussionsstoff bietet dabei auch die Frage, warum das Schaffen der Frauen offenbar weniger nachwirkte als das ihrer männlichen Kollegen. Vertiefende Fragen, warum sich das Bauhaus nach außen unpolitisch gab und welche politischen Strömungen dort vertreten waren, können anhand der dritten Folge besprochen werden. Kunsthistorisch interessant sind zudem die unterschiedlichen künstlerischen Schulen, die anfangs am Bauhaus vertreten waren, wie der späte Expressionismus, die De-Stijl-Bewegung oder der Funktionalismus. In den sozialwissenschaftlichen Fächern lohnt sich eine Beschäftigung mit der gesellschaftlichen und politischen Situation der Frauen in der Weimarer Republik. Im Politikunterricht können die Schüler/-innen die politischen Konflikte der Weimarer Zeit recherchieren und sich mit den konkurrierenden Ideologien - auch im Zusammenhang mit dem Bauhaus – auseinandersetzen. Nicht zuletzt sollte hinterfragt werden, wie Die neue Zeit mit Fakten und Fiktion umgeht. Wie bewerten die Schüler/-innen es etwa, dass ein zentraler Erzählstrang – die Liebesgeschichte zwischen Gropius und Helm – nicht auf Tatsachen beruht?

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