Kategorie: Film
"Shoplifters – Familienbande"
Manbiki Kazoku
Japanisches Drama, das danach fragt, was eine Familie ausmacht
Unterrichtsfächer
Thema
Ein weiter Pullover, geschickt choreografierte Teamarbeit, ein selbst ausgedachtes Zeichensystem – mehr brauchen Osamu Shibata und der Junge Shota nicht, um in Läden Nudeln, Gemüse oder Shampoo zu stehlen. Mit ihrer Diebesbeute leisten die beiden einen essenziellen Beitrag zum Einkommen ihrer Familie, die in ärmlichen Verhältnissen am Rand von Tokio lebt. Großmutter Hatsue hat eine kleine Rente, Osamu arbeitet auf einer Baustelle, seine Frau Nobuyo in einer Wäscherei, Aki zieht sich für Geld in einer Peepshow aus. Doch nicht nur, dass der Vater den Sohn zum Ladendieb erzieht, ist ungewöhnlich an dieser Familie: Ihre Mitglieder sind überhaupt nicht blutsverwandt. Und so wird diese kleine Wahlgemeinschaft kurzerhand um eine Tochter erweitert, als Osamu und Shota die kleine und vereinsamte Yuri finden, die zu Hause misshandelt wird. Doch bald sucht die Polizei nach dem Mädchen und der familiäre Zusammenhalt wird auf eine Probe gestellt.
Wie schon in seinen vorherigen Filmen – etwa oder Zum Filmarchiv: "Unsere kleine Schwester" – konstruiert der Autorenfilmer Hirokazu Kore-eda mit "Shoplifters" ein gedankenreiches Experiment rund um das Konzept Familie. Wenn es nicht die Blutsverwandtschaft ist, so die zentrale Frage seines in Cannes prämierten Films, was hält eine Familie dann zusammen? Obwohl er eine kleinkriminelle Gruppe von Menschen am Rand der Gesellschaft in den Fokus nimmt, zeichnet Kore-eda keine Elendsgeschichte. Vielmehr lässt er das Zum Inhalt: beengte Zuhause der Shibatas als Idyll der Menschlichkeit und Wärme erscheinen, als Schutzraum vor der gesellschaftlichen Kälte, die draußen herrscht. Es kommt kein Zweifel daran auf, dass es Yuri hier besser hat als bei ihren tatsächlichen Eltern – und doch machen sich die Shibatas der Kindesentführung schuldig. Im Verlauf des Films werfen die Figuren und ihr durchaus moralisch streitbares Verhalten Fragen auf. Handelt es sich bei der selbst gewählten Familie nur um eine Zweckgemeinschaft im Angesicht ökonomischer Not, in der jede/r auf den eigenen Vorteil bedacht ist?
Die Einbindung des Films in den Unterricht sollte mit einer ausführlichen Analyse der komplexen Figurenkonstellation beginnen. Hierbei sind die Beziehungen der einzelnen Figuren zueinander herauszuarbeiten sowie ihre jeweiligen Handlungsmotivationen. Großmutter Hatsue etwa teilt ihre Rente, um nicht einsam sterben zu müssen. Die Familie verschleiert später Hatsues Tod, um weiterhin von der Rente zu profitieren. Insbesondere in den Fächern Ethik, Philosophie oder Sozialkunde kann diskutiert werden, wie das Verhalten der Figuren ethisch zu bewerten ist oder welche Bedeutungen von Familie der Film anbietet. "Shoplifters" kann im Unterricht als Beispiel eines sozialkritischen Kinos Beachtung finden. Konkrete Aspekte (etwa, dass Osamu nach einem Arbeitsunfall keine Lohnfortzahlung erhält oder Nobuyos Stelle der Arbeitsplatzteilung zum Opfer fällt) bieten einen Einstieg, um die Wirtschaftspolitik der "Abenomics" des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe zu behandeln oder über Möglichkeiten zu sprechen, wie sozialer Ungleichheit politisch entgegengewirkt werden kann.