In einem israelischen Krankenhausbett sitzt der vierjährige Muhi und fragt seinen Großvater Abu-Naim: "Wie bin ich so geworden?" Er spielt auf seine fehlenden Unterarme und Waden an. Noch bevor Abu-Naim antworten kann, imitiert ihn Muhi gekonnt: "Oh, das ist eine schwierige Frage", intoniert er mit einem Lächeln auf den Lippen. Der palästinensische Junge und Sohn eines Hamas-Anhängers lebt bereits seit zwei Jahren im verfeindeten Israel. Dort werden Muhi und sein Großvater nur geduldet, beide dürfen das Gelände des Krankenhauses nicht verlassen. In den Gaza-Streifen kann Muhi wegen seines labilen Gesundheitszustands nicht zurückkehren. Er hat eine seltene Autoimmunerkrankung, in deren Folge ihm Hände und Füße amputiert werden mussten. Seine Mutter muss am Computerbildschirm zuschauen, als er seine ersten Prothesen anprobiert. Zum Geburtstag singen ihm die Mitarbeiter/-innen des Krankenhauses ein Ständchen und Muhi singt mit – auf Hebräisch.

Das Zum Inhalt: dokumentarische Langzeitporträt des Jungen eröffnet eine ungewöhnliche Perspektive auf interkulturelle Verständigung und die offenen Wunden des Nahostkonflikts. Vier Jahre drehten die Fotografin Rina Castelnuovo-Hollander und der Videojournalist Tamir Elterman in einem Zum Inhalt: Krankenhaus in Tel Aviv. Mit Empathie und Neugier blicken sie auf den eingegrenzten Alltag des Jungen, der stets von sichtbarer wie unsichtbarer Gewalt geprägt ist: Das endlose Warten der Familie auf Besuchserlaubnis und Visa schmerzt dabei ebenso wie die Kontrollen auf beiden Seiten der Grenze oder das Geheul des Bombenalarms. Ohne Zum Inhalt: Voice-over wirken diese Bilder auf unmittelbare Weise, denn Muhis Schicksal vermag den schwelenden Konflikt nicht zu erklären. Jedoch schärft die Geschichte des Jungen den Blick für Details, jene kurzen Momente abseits der Dominanz von Glaube oder Nation.

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Diese Momente stellen nicht die allgegenwärtige Grenze in den Mittelpunkt, die das Leben in der Konfliktregion entscheidend prägt. Jedoch wäre es im Rahmen des Unterrichts (in Politik, Ethik oder Sozialkunde) wesentlich, die Gesetze und den Kontext dieser Grenze zwischen Israel und Gaza zu beleuchten. Mehrere Checkpoints von israelischer Armee, Fatah und Hamas sowie unzählige Formulare schränken die Mobilität der Mitwirkenden ein, allen voran die des Großvaters Abu-Naim. Er steht zwischen den beiden Polen: In Israel wird er lediglich geduldet, während er in Gaza verdächtigt wird, ein Spion des Feindes zu sein. Im Zentrum des Films steht allerdings nicht nur die Frage nach Feindschaft oder Verständnis zwischen den Kulturen, sondern auch jene nach einem offenen Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Muhi thematisiert sein Aussehen selbstbewusst und versucht so selbstständig wie möglich zu leben. Im Unterricht ließe sich daran anknüpfend fächerübergreifend über Inklusion diskutieren. Gegen Ende des Films besucht der Junge eine reguläre Schule, was dazu anregt, eigene Erfahrungen der Schüler/-innen mit inklusiven Projekten zu diskutieren.

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