Im Norden Kirgisistans kümmert sich der ehemalige Filmvorführer Zentaur liebevoll um seine taubstumme Frau und seinen kleinen Sohn, der noch nie ein Wort geredet hat. Mit Sorge beobachtet er, dass der jahrhundertealte Einklang zwischen Menschen und Natur zusammen mit alten Mythen in der abgelegenen Ortschaft verloren geht. Aus dem Kino, in dem einst Filme aus Russland und Bollywood gezeigt wurden, ist längst eine Moschee geworden. Ihre Pferde, mit denen die Nomaden einst durch die Steppen zogen, werden in den Stall verbannt und als Waren gehandelt. Zentaur befreit die edlen Tiere und reitet sie zurück in die Wildnis, wo sie jedoch wieder von ihren Besitzern eingefangen werden. Und schon bald wird auch der Täter überführt. Das Gericht der Dorfältesten verhängt zwar eine milde Strafe über den Angeklagten, der fortan im Stall seines Bruders arbeiten soll. Aber seine kleine Familie ist nach dem Prozess verschwunden und die Muslime wollen ihn aus dem Dorf verbannen.

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Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne beleuchtet der Film gesellschaftliche Entwicklungen beispielhaft in einem kleinen kirgisischen Dorf. Der Sozialismus, der früher einmal für notdürftigen Zusammenhalt sorgte, ist hier einem Regime gewichen, in dem verschiede Kräfte um die Kontrolle über die Gesellschaft buhlen: Zum einen strenggläubige Anhänger des Islam, zum anderen aber auch die reichen Kirgisen des Dorfes, die sich für die Ideologien der neuen Tugendwächter aufgeschlossen zeigen, solange sie den Eindruck gewinnen, dass sie ihrer Profitgier nützen. Der kirgisische Filmemacher Aktan Arym Kubat bringt sich jedoch weniger mit einer Anklage als scharfer Kritiker solcher Zustände ein, sondern eher als neutraler Beobachter aus der Distanz. Ein Hauch von Satire lockert die überwiegend ernste, melancholische Erzählung angenehm auf, wenn die muslimischen Fundamentalisten in ihrem missionarischen Eifer bisweilen zu Karikaturen werden. Mit mythologischen Geschichten und imposanten Aufnahmen von den Weiten der zentralasiatischen Steppe in eindrucksvollen Totalen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) gewährt der Film bei alledem Einblicke in die landschaftliche Schönheit und Ursprünglichkeit Kirgisistans (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set).

Mit märchenhaften Mythen als essentiellem Bestandteil der kirgisischen Kultur und atemberaubenden Landschaften weckt der Film Interesse, sich im Fach Erdkunde, aber auch weiterführend in sozialwissenschaftlichen Fächern mit dem zentralasiatischen Land vertraut zu machen. Vor allem der Protagonist wirft mit seinem ungewöhnlichen Verhalten Fragen zu Gebräuchen, Traditionen und Lebensansprüchen früherer Generationen auf: Warum reitet er die Pferde in die Steppe? Welche Bedeutung hat das Getränk Maksym, das er in Gesellschaft einer Straßenverkäuferin genießt? Mit seinem tierlieben Außenseiter regt der Film ferner dazu an, sich etwa im Fach Ethik den Stellenwert der Natur in unseren eigenen Lebensräumen zu vergegenwärtigen und Beziehungsstrukturen zwischen Menschen und Pferden in anderen Kulturkreisen zu erörtern. Die im Film aufgezeigten Schwierigkeiten im Zusammenleben zwischen moderaten und strenggläubigen Muslimen bieten überdies im Religions- und Ethik-Unterricht interessante Anknüpfungspunkte, um die Gründe für das spannungsreiche Verhältnis zu erörtern und im Kontext damit auch Konflikte zwischen Muslimen, Christen und Laizisten in multikulturellen europäischen Parallelgesellschaften zu analysieren.

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