Kategorie: Filmbesprechung
"Die Lebenden reparieren"
Réparer les vivants
Intensives Drama zum Thema Organspende über Eltern, die schwierige Entscheidungen treffen müssen
Unterrichtsfächer
Thema
Auf dem Rückweg von einem Surfausflug am frühen Morgen verunglückt der 17-jährige Simon bei einem Autounfall schwer. Wenig später wird in einem Krankenhaus in Le Havre sein Hirntod festgestellt. Kaum sind seine Eltern informiert, konfrontiert der Oberpfleger sie mit der Möglichkeit, Simons Organe zur Transplantation freizugeben. Vor diese schwere Entscheidung sind sie in ihrer Trauer viel zu früh gestellt, doch die Zeit drängt. In Paris erfährt die zweifache Mutter Claire indes, dass sie an einer degenerativen Herzerkrankung sterben wird, wenn sich nicht bald ein Spenderherz findet. Während sie ihre Söhne um sich versammelt und den Kontakt zu ihrer ehemaligen Geliebten wiederherstellt, spielt sie mit dem Gedanken, auf eine Transplantation zu verzichten und den natürlichen Tod zu akzeptieren.
Regisseurin (Glossar: Zum Inhalt: Regie) Katell Quillévéré erzählt in ihrer Zum Inhalt: Adaption von Maylis de Kerangals gleichnamigen Roman nicht nur von der Konfrontation mit dem Tod auf Seiten von Organspender wie Empfängerin. Sie zeichnet gleichzeitig ein umfassendes Bild der modernen Transplantationsmedizin, das sowohl die praktischen Abläufe einer Organspende als auch die hohe Belastung des medizinischen Fachpersonals einbezieht. Abgesehen von einer Zum Inhalt: Rückblende begrenzt sich der Film auf die Geschehnisse aus einem Zeitraum von 24 Stunden. Dabei verlagert sich der Fokus etwa nach der Hälfte des Films von Simons Familie zu der von Claire. Als Ensemblefilm etabliert "Die Lebenden reparieren" eine Vielzahl an nahezu gleichberechtigten Charakteren, die durch die Organtransplantation miteinander in Beziehung stehen. Sein Thema erfasst der Film in einer Verbindung von Wissenschaft und Metaphysik: Der präzisen Schilderung logistischer Abläufe und des, auch anatomisch ganz konkret dargestellten, Operationsvorganges steht eine starke atmosphärische Überhöhung gegenüber: Am deutlichsten in seiner ausgedehnten traumartigen Eröffnungssequenz (Glossar: Zum Inhalt: Exposition), die Simon beim Surfen zeigt, verweist der Film mit seinem melancholischen Soundtrack (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) auf die flüchtige Schönheit des Lebens im Angesicht des Todes.
"Die Lebenden reparieren" verhandelt implizit zahlreiche existenzielle und ethische Fragestellungen rund um das Thema Organspende, die insbesondere in den Fächern Ethik, Philosophie und Religion aufgegriffen werden können. Welcher Moment markiert den Tod eines Menschen? Wie wird die Würde des Menschen bei einer Organentnahme gewahrt? Ist Organspende ein Akt humaner Verantwortung, zu dem es eine Verpflichtung geben sollte? Indem der Film die Transplantation als logistischen Staffellauf darstellt, bei dem eine Gemeinschaft einen großen Aufwand unternimmt, um das Leben eines Einzelnen zu retten, lädt er auch zur Diskussion über die wechselseitige Beziehung von Individuum und Gesellschaft ein. In formaler Hinsicht eignet sich der Film mit seiner komplexen Erzählstruktur und starken atmosphärischen Gestaltung für eine eingehende Analyse. Dabei kann auch auf die symbolische Bedeutung des Herzens eingegangen werden. Im Musikunterricht bietet es sich an, die musikalischen Leitmotive herauszuarbeiten.