Seine eigene Beschneidung hat der stille Fabrikarbeiter Xolani längst hinter sich. Doch das uralte Ritual der südafrikanischen Xhosa bildet weiterhin einen festen Teil seines Lebens. Jedes Jahr fährt er zurück in sein Dorf, um einem Schützling während und nach der schmerzhaften Zeremonie als Betreuer beizustehen. Ein angenehmer Nebeneffekt der Reisen ist die Begegnung mit seinem Jugendfreund Vija – wobei die Beziehung der beiden Männer unbedingt geheim bleiben muss. Ihre homosexuelle Liebe steht im krassen Gegensatz zu jenem Ritual, das aus den Dorfjugendlichen "echte Männer" machen soll. Doch in diesem Jahr droht der Konflikt auszubrechen. Denn der Xolani zugeteilte Kwanda, in der Großstadt aufgewachsen und selbst schwul, will die starren Traditionen nicht mehr akzeptieren.

Die Wunde, Trailer (© Edition Salzgeber)

Der streng komponierte (Glossar: Zum Inhalt: Bildkomposition) Film zeigt eine reine Männergesellschaft. Nach dem Ukwaluka-Ritus werden die Jugendlichen beschnitten, weiß bemalt und zum Ausheilen der Wunde ihren Betreuern übergeben. Derbe Sprüche und Männlichkeitsproben sollen sie auf ihre künftige Rolle vorbereiten. Im Mittelpunkt stehen drei Charaktere, die mit ihrer Homosexualität sehr unterschiedlich umgehen. Während sich Xolani in die Schweigsamkeit zurückzieht, fügt sich Vija unter der Tarnung als Familienvater der heterosexuellen Norm und leistet sich auch Machogesten. Indem Kwanda die beiden durchschaut, entwickelt sich ein heikles Dreiecksverhältnis. Der privilegierte Teenager bezeichnet seinen Mentor als Feigling, der eine überkommene Ordnung stützt und dabei selbst am meisten leidet. In pointierten Dialogen (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) zeigt er sich als Vertreter einer Generation, die ihre Freiheiten nicht mehr einschränken lassen will.

Das archaische Ritual und seine äußeren Umstände mögen zunächst fremd erscheinen. Doch die dahinterstehenden Vorstellungen von Männlichkeit beschränken sich nicht auf Südafrika. Die Konflikte zwischen sexueller Identität und Gemeinschaft, Konformität und Selbstbehauptung, aber auch etwa von Metropole und Provinz lassen sich gut nachvollziehen. Im Ethik- und Religionsunterricht sowie in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern kann diskutiert werden, welchen vorgegebenen Geschlechterrollen sich auch die Schülerinnen und Schüler ausgesetzt sehen. Ist ein Mann "weich", wenn er von seinen Gefühlen spricht? Welche "Rituale" gelten als selbstverständlicher Teil der sexuellen Entwicklung? Warum tun sich viele Menschen schwer, Homosexualität zu akzeptieren? In Südafrika, wo die Diskriminierung Homosexueller im Gegensatz zu Nachbarländern wie Uganda oder Simbabwe nicht zur Staatspolitik gehört, ist der Ukwaluka-Beschneidungsritus mittlerweile stark umstritten.

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