Kategorie: Filmbesprechung
"Heute gehe ich allein nach Hause"
Hoje eu quero voltar sozinho
Coming-of-Age-Geschichte eines blinden Teenagers, der sich in seinen neuen Kumpel verliebt
Unterrichtsfächer
Thema
"Wieso lasst ihr nicht zu, dass alles normal wird?", Leo ist genervt. Die ständige Fürsorge seiner Eltern und ihre Ängste engen ihn ein. Seit seiner Geburt ist der Teenager blind, doch das heißt nicht, dass er wie ein rohes Ei behandelt werden möchte. Statt zu Hause oder am Pool mit seiner besten Freundin Giovana abzuhängen, will er raus in die Welt, am liebsten ins Ausland, "wo du ein ganz Anderer sein kannst", und er will endlich geküsst werden. Alles ändert sich, als Gabriel in seine Klasse kommt. Der Neue, den Giovana "echt süß" findet, bringt Leo das Tanzen bei, geht mit ihm ins Kino, fährt mit ihm Fahrrad. Und plötzlich herrscht Chaos in Leos Leben: Giovana fühlt sich links liegen gelassen und Leos Gedanken kreisen nur noch um Gabriel. Er hat sich verliebt, aber wird Gabriel seine Gefühle erwidern?
"Heute gehe ich allein nach Hause" erzählt mit großer Leichtigkeit und Anteilnahme von der Lebenswelt seiner heranwachsenden Darsteller/innen mit all ihren widerstreitenden Gefühlen und Sehnsüchten. Ein rascher Kuss nach einer Party wird am Tag darauf verleugnet, statt Missverständnisse zu klären, erfolgt der Rückzug in die Schmollecke. Im Mittelpunkt steht dabei Leo. Er besucht eine Regelschule, kommt dort eigentlich gut zurecht, wird aber wegen seines Blindseins von Mitschülern/innen aufgezogen. Er ist verletzlich und stark zugleich und kämpft für mehr Eigenständigkeit. Regisseur (Glossar: Zum Inhalt: Regie) Daniel Ribeiro geht es aber weniger um Leos Behinderung, als vielmehr um seine erwachende (Homo)Sexualität. Sein Film ist die Geschichte eines heranwachsenden Jungen, der sich abnabeln und sich selbst kennenlernen muss, und ist somit eine universelle Zum Inhalt: Coming-of-Age-Filme.
Menschen, die sich in irgendeiner Form von der Allgemeinheit unterscheiden, sind oft Vorurteilen ausgesetzt und für Leo scheint dies in zweierlei Hinsicht zuzutreffen: Er ist blind und er ist schwul. Hier lässt sich in den Fächern Ethik und Sozialkunde diskutieren, ob er wirklich so anders ist und wie seine Umwelt – vor allem Gleichaltrige – mit seiner Behinderung und seiner sexuellen Orientierung umgehen. Im Sprachunterricht bietet es sich an, anhand von Schreibübungen die verschiedenen Perspektiven der Heranwachsenden, aber auch der Eltern zu analysieren. Hierbei können die Schüler/innen eigene Erfahrungen in Bezug auf Unabhängigkeit und Identitätsfindung einbringen. In filmischer Hinsicht lässt sich untersuchen, wie Leo und sein Blindsein im Film dargestellt werden. Dabei sollte es darum gehen, mit welchen Problemen er konfrontiert wird, welche Rechte er einfordert und welche Haltung der Film seiner Hauptfigur gegenüber einnimmt. Ein Vergleich mit anderen Filmen, in denen es um Menschen mit Behinderungen geht, kann dabei eine sinnvolle Ergänzung sein.