Kategorie: Film
"Trainspotting – Neue Helden"
Trainspotting
Auf der Suche nach dem nächsten Kick – Geschichte einer Clique von Heroin-Junckies in Edinburgh, deren Leben von der Droge bestimmt ist.
Unterrichtsfächer
Thema
Atemlos hetzt Mark, die Hauptfigur des Films, durch die Straßen Edinburghs (Glossar: Zum Filmarchiv: "Drehort/Set"), ein Dieb auf der Flucht vor zwei Ladendetektiven. Seine Stimme aus dem Zum Inhalt: Off deklamiert ein Bekenntnis zur Droge Heroin, und der Soundtrack (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) von Iggy Pop verkündet in fetzendem Rhythmus die "Gier nach Leben". Die rasante Eröffnungssequenz überwältigt das Publikum mit einer komplexen Bild- und Tonmontage (Glossar: Zum Inhalt: Montage), die das hedonistische Lebensgefühl seiner Protagonisten beschreibt. Es geht nicht allein um die Droge Heroin, sondern um Sucht schlechthin, Sucht nach Alkohol, Fußball, Sex, Karriere, Medikamente, Fernsehen, Kino oder Konsum.
"Trainspotting – Neue Helden" ist eine Provokation des gängigen "Sozialrealismus", mit dem sonst dieses Thema aufbereitet wird und der meist in pädagogischer Absicht vor allem Betroffenheit erzeugen möchte und sich dementsprechend auf die abschreckende Wirkung des Drogenkonsums konzentriert. Hier wird nicht moralisiert oder gleich über die Gefühle der Jugendlichen hinweg gewertet, sondern Drogenkonsum aus ihrem eher unkritischen Blickwinkel empathisch und nahezu enthusiastisch gezeigt. Der Film sucht nicht nach Gründen im sozialen Milieu oder im Elternhaus. Es gibt keine materielle Not, und die Elterngeneration, sofern sie auftritt, ist liberal, freundlich, aufgeklärt.
Die Freunde Mark, Spud und Sick Boy haben einfach keine Lust auf Jobs, Eigenheim oder Familie, sie entscheiden sich ihrer Ansicht nach sogar aus freien Stücken für Heroin. "Ich habe mich entschieden, mich gegen das Leben zu entscheiden. Meine Gründe? Es gibt keine Gründe. Wer will Gründe, wenn man Heroin hat? (Mark). Nur Tommy drückt eines Tages aus Liebeskummer, den seine Freunde mitverschuldet haben, und er ist auch der einzige im Film, der an der Droge zu Grunde geht und die angebliche Entscheidungsfreiheit für die Sucht grundsätzlich relativiert. Fast unmerklich macht die anfängliche Begeisterung für Drogen im Film einer differenzierteren Sichtweise Platz. Mark bekennt: "Wenn du an der Nadel hängst, hast du nur eine Sorge: Wo kriegst du den Stoff her? Und wenn du davon runter bist, musst du dir plötzlich über allen möglichen Scheiß Gedanken machen, ... wie du dein Essen oder deine Rechnungen bezahlst, ... und um zwischenmenschliche Beziehungen und das ganze Zeug, was absolut keine Rolle spielt, wenn man aufrichtig und ehrlich an der Nadel hängt." Eine Generation von Narzisten, die sich gut amüsieren will und keine Frustrationen erträgt?
Ganz so einfach ist es nicht. Auch wenn der Film die reale Brutalität des Junkielebens eher ausblendet oder in drastische, ironisch gebrochene Zum Inhalt: Szenen kleidet, zeigt er doch, welch "harte", kriminelle Arbeit es bedeutet, sich immer wieder das Geld für den nächsten Schuss zu beschaffen. Ebenso werden die höllischen Qualen des Entzug geschildert und gezeigt, wie jeder in der Sucht sich selbst der nächste ist. Als ein Baby in der gemeinsamen Wohnung stirbt, während die Freunde sich im Drogenrausch befinden, erklärt Mark nur lapidar, er werde für alle den nächsten Schuss präparieren. Der gemeinsame Drogenkonsum hält die Freunde anfangs zusammen, aber mit der Zeit zerstört er alle Menschlichkeit und Sensibilität.
Eine spezielle Form des Rauschverlangens als pathologische Lust am Risiko beschreibt die Figur Begbies. Er lehnt die Drogen seiner Freunde ab und törnt sich mit zielstrebig provozierten Schlägereien an. Spätestens hier wird klar, dass der Rausch von keinem gesellschaftlichen Gegenentwurf mehr getragen wird, wie zumBeispiel einst bei den Hippies, die den Drogenkonsum experimentell oder aus Überzeugung mit einer gesellschaftlichen Utopie verknüpften ("Make love not war"). Im Falle Begbies ist es nur noch krankhafte Veranlagung, und bei seinen Freunden individueller Egoismus. Zynismus ist für Mark die einzige Rettung. Er verrät seine Freunde und wechselt endgültig in das einst so verhasste bürgerliche Leben über.
Der Film, der als schwarze, manchmal surreale Zum Inhalt: Komödie inszeniert ist, versteht es, die Balance zu halten und zeichnet seine Figuren auf einem schmalen Grat von Sympathie und Distanz. Mark und seine Freunde sind das subkulturelle Abbild der Gesellschaft. Sie tragen indirekt dazu bei, die dargestellte Jugendkultur ernstzunehmen, das Drogenproblem in seiner Vielschichtigkeit zu erkennen und es nicht nur als Problem einiger Außenseiter, sondern als strukturellen Bestandteil unserer Gesellschaft zu sehen, das heißt auch, die von ihr verkörperten Werte neu zu reflektieren.