Christiane wächst in der Berliner Hochhaussiedlung Gropiusstadt auf. Nach einem Schulwechsel freundet sich die Teenagerin mit der selbstbewussten Stella an, durch die sie den angesagten Musikklub Sound kennenlernt. Dort treffen sie auf den schüchternen Axel, seine besten Freunde Michi und Benno und die aus einer wohlhabenden Familie stammende Babsi. Gemeinsam stürzen sich die Sechs fortan ins Berliner Nachtleben. Einerseits aus Neugierde und Spaß am Partyleben, anderseits um dem tristen, von Gleichgültigkeit und Gewalt geprägten Alltag zu entkommen, experimentiert die Clique erst mit Ecstasy-Trips, schließlich – wie bereits schon zuvor Axel – auch mit Heroin.

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Szene (© Constantin Television, Amazon Studios)

Coming-of-Age – zwischen gestern und heute

Anders als der auf Tatsachen beruhende gleichnamige Bestseller (1978) und seine erste Verfilmung Zum Filmarchiv: "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" (1981) wählt die Serie einen multiperspektivischen Ansatz. Die reale Geschichte von Christiane F. bildet zwar den narrativen Rahmen dieser Neuerzählung, viel Raum nehmen aber auch die ausgebauten Erlebnisse ihrer Freunde und Freundinnen ein. Zudem wird der Zum Inhalt: Coming-of-Age-Plot stärker betont. So dreht sich die Handlung zunächst genretypisch (Glossar: Zum Inhalt: Genre) um jugendliche Unabhängigkeitsbestrebungen: Während Christiane ihren streitenden Eltern entfliehen will und Stella ihrer alkoholkranken Mutter, versucht Babsi die Trauer um ihren verstorbenen Vater zu betäuben und der emotional distanzierten Großmutter zu entkommen, bei der sie lebt. Benno, Axel und Michi dagegen haben mit ihrer beruflichen Zukunft zu kämpfen. Sie fühlen sich unverstanden von Erwachsenen, die mit eigenen Problemen beschäftigt, mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert und mitunter sogar gewalttätig sind. Der Drogenrausch scheint einen Ausweg zu bieten, führt die Clique aber in neue Abhängigkeitsbeziehungen und letztendlich in die Selbstzerstörung.

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Szene (© Constantin Television, Amazon Studios)

Zeitlich ist die Handlung zwischen den 1970er-Jahren und der Gegenwart situiert: Christiane und ihre Clique tragen hippe Vintage-Mode (Glossar: Zum Inhalt: Kostüm/Kostümbild) und hören Musik von David Bowie, während die verwendeten Originalsongs (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) fast ausnahmslos der Gegenwart entstammen. Die einstige Berliner Rock-Diskothek Sound wird in der Serie zum modernen Elektroclub (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set). Gleichzeitig ist Axel fest davon überzeugt, er werde von der Staatssicherheit der DDR abgehört.

Gegenwart und Vergangenheit fließen so ineinander und lassen die Jugendlichen in einer zeitlosen Welt erwachsen werden. Damit fehlen aber auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Geschichte, haben sich doch in den vergangenen 40 Jahren etwa Erziehungsnormen, Eltern-Kind-Beziehungen, sowie der Umgang mit Drogenabhängigen in der Gesellschaft verändert. Durch den Wegfall von sozialgeschichtlichen Kontextualisierungen bleiben auch die dargestellten Konflikte unspezifisch und generisch. So stehen immer wieder romantische Konflikte im Zentrum, welche durch die Drogenthematik dramaturgisch aber nicht neu gerahmt werden.

Die Perspektive der süchtigen Teenager

Die Ästhetik der Serie "Wir Kinder von Bahnhof Zoo" entfernt sich vom dokumentarisch anmutenden Stil der ersten Verfilmung und passt sich aktuellen Sehgewohnheiten an: Die Zum Inhalt: Inszenierung ist mit vielen Schnitten (Glossar: Zum Inhalt: Montage) und Ortswechseln dynamisch und wird fast durchgängig von Musik getragen. Die Kamera rückt häufig nah an die Figuren heran (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen). Leuchtende Zum Inhalt: Farben visualisieren die Lebensrealität der Teenager als selbstvergessenen, mitunter surreal wirkenden oder glamourösen Rausch, der durch Drogen intensiviert wird.

Die Erzählung nimmt dabei die Perspektive der Jugendlichen ein. Gerade auch in Hinsicht auf den Heroinkonsum neigt die Serie so trotz einiger drastischer Szenen zur Romantisierung: So führt etwa der gemeinsame Drogenrausch zur Versöhnung zwischen Christiane und ihrem Freund Benno. In einer weiteren Zum Inhalt: Szene versinkt Benno nach einer Dosis Heroin glückselig in eine fantasierte Schneelandschaft.

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Szene (© Constantin Television, Amazon Studios)

In der zweiten Hälfte der Serie weicht der jugendliche Freiheitsdrang immer mehr einem zerstörerischen Kreislauf aus Sucht, Prostitution und Entzugsversuchen, was für einige tödlich endet. Die Inszenierung bleibt auch in diesen Momenten nah an den Figuren und betrachtet die Ereignisse überwiegend aus ihrer persönlichen Perspektive. Wie die jungen Protagonist/-innen gibt sich auch die Serie immer wieder der Faszination eines urbanen Drogenmilieus hin, vermittelt Erfahrungen des Straßenstrichs in einer Zum Inhalt: Montagesequenz beispielsweise als jugendliches Abenteuer. Die Schlussszene gestaltet sich hingegen ambivalenter, wenn inmitten einer Heimat- und Pferdefilmästhetik eine mögliche Rückkehr der Sucht angedeutet wird.

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