Wie verbringen alte Leute ihren Tag? Und wie macht so ein Lehrer eigentlich Urlaub? Schon die Frage danach verbittet sich Lehrer Zickzack, auch der letzte Tag vor den Sommerferien setzt die Regeln nicht außer Kraft. Das Leben der Erwachsenen geht Kinder nichts an, zumindest außerhalb der Familie. In "Zum Filmarchiv: "Neue Geschichten vom Franz"" (Johannes Schmid, AT/DE 2023) wissen Junge und Alte wenig voneinander, wie auch in der Realität. Die gegenseitigen Altersbilder sind von Vorurteilen und oft negativen Stereotypen bestimmt. Kinder sind aufmüpfig und faul. Der Lehrer Zickzack ist immer streng und hat keinen Humor. Von der im Hausflur meist grantig auftretenden Nachbarin Frau Berger glaubt Franz bald, sie sei die in ganz Wien gesuchte Juwelendiebin. Dass die flüchtigen Eindrücke täuschen und die Generationen im Gegenteil viel voneinander lernen können, ist ein zentrales Thema der Kinderbuch- Zum Inhalt: Adaption.

Eine Hausgemeinschaft als Großfamilie

Für die meisten Kinder sind Kita, Schule und Nachbarschaft die ersten Stätten intergenerationeller Begegnung jenseits der Familie. Für Kinderfilme bietet es sich daher an, sie hier ihre ersten Schritte ins Leben machen zu lassen. Auch in "Zum Filmarchiv: "Rico, Oscar und die Tieferschatten"" (Neele Leana Vollmar, DE 2014) sind die eigenen Eltern schnell aus dem Bild oder halten sich dezent im Hintergrund. In der Erzählung um die ungleichen Freunde Rico und Oskar wird gleich ein ganzes Haus zur erweiterten Familie und übernimmt zum Teil deren Aufgaben. Von seiner nachts arbeitenden Mutter oft sich selbst überlassen, kommt das Berliner Großstadtkind Rico gelegentlich bei der vereinsamten Nachbarin Frau Dahling unter, sieht mit ihr Liebesfilme und isst Schnittchen. Sie reden nicht viel, aber beide haben etwas davon. Manchmal bedeutet intergenerationelles Begegnen lediglich, miteinander Zeit zu verbringen.

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Junge und Alte als "Partners in Crime"

Blickt man in die Filmgeschichte, findet sich mit Charlie Chaplins "Zum Filmarchiv: "Der Vagabund und das Kind"" ("The Kid" , USA 1921) ein frühes, berühmtes Beispiel kindlich-erwachsener Interaktion. Chaplins Tramp und ein kleiner Waisenjunge trotzen der allgegenwärtigen Armut und werden dank sorgsam ausgeklügelter Betrügereien zu "Partners in Crime". Das Motiv wurde in zahlreichen Filmen immer wieder aufgenommen, etwa in Wim Wenders‘ Zum Filmarchiv: "Alice in den Städten" (BRD 1974). Die neben den Eltern wichtigsten Bezugspersonen in Kinderfilmen sind allerdings die Großeltern. Die Beziehung zur Großelterngeneration ist es in der Regel auch, die mit Begriffen wie "Intergenerativität" gemeint ist. Dass dieses Verhältnis von sozialromantischen Vorstellungen bis hin zum Kitsch geprägt sein kann, beweist das wohl bekannteste Beispiel von Heidi und ihrem Großvater, dem Alpöhi, aus den Erzählungen nach Johanna Spyri. Erst vor wenigen Jahren erfuhr die mehr als 100 Jahre alte Geschichte – nach zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen und der besonders populären Zum Inhalt: Zeichentrickanimation aus den 1970er-Jahren – mit "Zum Filmarchiv: "Heidi"" (Alain Gsponer, CH/DE 2015) eine Neuauflage .

Auch Großmutter war einmal jung

Das Trennungskind Romy in "Zum Filmarchiv: "Romys Salon"" ("Kapsalon Romy" , Mischa Kamp, NL/DE 2019) hat eigentlich keine Lust, ihre Tage nun häufiger in der Obhut ihrer Oma Stine zu verbringen. Stine ist eigenwillig, streng und mit ihrem Frisiersalon vollends beschäftigt. "Früher dachte ich, dass ich alles wüsste, und dass meine Oma dumm sei", erzählt Romy in der Zum Inhalt: Voiceover, um dann einzugestehen: "Aber eigentlich wusste ich gar nichts.“ Tatsächlich ist Stine ein wenig vergesslich, und erkrankt in der Folge an Alzheimer. Doch die Annäherung der beiden ist intergenerationelles Lernen par excellence: Romy übernimmt nun immer häufiger Aufgaben, dreht Lockenwickler ein und besorgt die Kasse. Im Gegenzug begleitet sie die zuweilen anarchistisch gestimmte Oma auf vergnüglichen Shoppingtouren. Zugleich erfährt sie – zunächst durch Fotos und Briefe in Großmutters Stube, dann durch deren Erzählungen – von Stines früherem Leben. Konsequent auch durch die Kamera in der Perspektive des Kindes (Glossar: Zum Inhalt: Kameraperspektiven) verbleibend, hütet sich der Film allerdings vor falschen Erwartungen: Romy schmeißt keineswegs den Frisiersalon, und auch die Pflege der zusehends dementen Stine würde sie überfordern.

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Gemeinsame Erfahrung von Schmerz – und gegenseitige Hilfe

Intergenerationelle Kinderfilme ermutigen zur Teilhabe am Leben der anderen Generation, leben vom Zusammenspiel von Jugend und Erfahrung, informieren aber auch über das Alter, Krankheit und Vergänglichkeit. Auch die gemeinsame Verarbeitung von Schmerz und Trauer ist ein häufiges Motiv. So verbinden sich in Wintertochter (Johannes Schmid, DE/PL 2011) die Lebenswege der 12-jährigen Kattaka und ihrer robusten Nachbarin Lene. Durch eine Reise nach Polen, wo Lene im Kriegswinter 1944/45 ihre Mutter verlor, lernt das Mädchen seine eigene, deutsch-polnische Patchwork-Biografie besser zu begreifen. Ähnliches gelingt dem traumatisierten Oskar und seinem neu entdeckten Großvater in dem Oscar®-nominierten 9/11-Drama "Extrem laut & unglaublich nah" ("Extremely Loud & Incredibly Close" , Stephen Daldry, USA 2011). Die Begegnung mit alten Menschen führt aber nicht zwangsläufig in die Tiefen der Geschichte, aus der die Jüngeren etwas lernen sollen. In dem Independent- Zum Inhalt: Roadmovie "Little Miss Sunshine" (Jonathan Dayton/Valerie Faris, USA 2006) über eine dysfunktionale Familie, die die kleine Tochter zu einem Kinder-Schönheitswettbewerb begleitet, lehrt ausgerechnet der ansonsten wenig vorbildhafte Großvater seine Enkelin, auf die haarsträubenden Schönheitsideale dieser Welt zu pfeifen. Es ist einer von vielen Mehrgenerationen-Filmen, in denen Großeltern einspringen, wo allzu oft mit sich selbst beschäftigte Eltern versagen.

Mohammad Ali Talebi

Wobei sich die Rollen auch umkehren lassen: Im iranischen Film "Ein Sack Reis" ("Kiseye Berendj" , Mohammad-Ali Talebi, IR/JP 1996) begleitet die kleine Jairan ihre kurzsichtige Nachbarin auf einer Odyssee durch Teheran, um ein Bündel Reis für das abendliche Festmahl aufzutreiben. Eine forsche Vierjährige, aber auch zufällige Passant/-innen und eine ganze Schulklasse helfen der alten Frau, die von den eigenen Kindern im Stich gelassen wurde.

Voneinander, miteinander lernen

Um dieser undankbaren Rolle zu entkommen, muss die "mittlere" Generation der Eltern selbst die Hierarchien sprengen, die Erzieherrolle zumindest für eine Weile hinter sich lassen. So wie in der belgischen Familienkomödie "Zum Filmarchiv: "Mein Vater, die Wurst"" ("Mijn vader is een saucisse" , Anouk Fortunier, BE/NL/DE 2021), in der Vater Paul alle gegen sich aufbringt mit dem Entschluss, Schauspieler zu werden. Dies gelingt ihm mithilfe seiner Tochter Zoë, die mit ihrer Rolle in der Familie ebenso hadert wie er. Am Ende reicht es nur für einen Auftritt als Wurst in einem Werbespot, doch durch gemeinsame Proben und Atemübungen haben Vater und Tochter zueinander und zu sich selbst gefunden.

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Auch Erwachsene haben Träume

Auch Franz' Nachbarin Frau Berger träumt vom Theater. Sie ist auch nicht so einsam, wie es sich das gesellschaftliche Klischee und Franz' blühende Fantasie ausmalen. Vielmehr verwirklicht sie längst ihre Träume von einem anderen Leben, ausgerechnet mit dem Lehrer Zickzack. Nachdem Franz mit seinem falschen Verdacht viel Unheil gestiftet hat, kann er sie doch noch dabei unterstützen. Umgekehrt hilft sie ihm dabei, mit Atem- und Hüpfübungen vom Theater seine Aufregung besser zu kontrollieren. Eine wirkliche Großmutter gibt es zwar nicht in den "Zum Filmarchiv: "Neuen Geschichten vom Franz"" . Und doch ist die ältere Generation von Anfang an präsent, nämlich in der gütigen Erzählstimme, die deutlich angelehnt ist an die 2018 verstorbene Autorin Christine Nöstlinger. Wenn sie von den "großen Problemen, die einmal klein anfangen" erzählt, weiß sie, wovon sie spricht.

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