Zoë fühlt sich wie ein Chamäleon. Während sich um sie herum alles verändert, zieht die Elfjährige sich zurück und macht sich unsichtbar. Nach einem Umzug ist sie noch nicht in ihrem neuen Leben angekommen. Ihre Mutter ist oft auf Reisen, um für das Familienunternehmen Pralinen zu verkaufen, ihre Schwester interessiert sich nur für den Geigenlehrer und ihr Bruder bereitet sich im Keller auf den Weltuntergang vor. Gemeinsame Zeit kommt meist zu kurz. Doch dann explodiert der Taschenrechner ihres Vaters Paul, als er, frisch befördert, seinem langweiligen Job bei der Bank nachgeht. Paul nimmt den Vorfall als Zeichen und kündigt. Er will Schauspieler werden und sich damit einen lang gehegten Traum erfüllen. Die Familie ist entsetzt, nur Zoë unterstützt ihren Vater. Nachdem Paul kurz darauf sieht, wie Zoë von Mitschülerinnen gemobbt wird, nimmt er sie heimlich und unter einem Vorwand aus dem Unterricht. Gemeinsam besuchen Vater und Tochter fortan Schauspielkurse und Vorsprechtermine am Theater und bestreiten schließlich Pauls ersten Dreh – als vegetarisches Würstchen.

Regisseurin Anouk Fortunier erzählt in ihrer berührenden Familienkomödie "Mein Vater, die Wurst" eine generationenübergreifende Geschichte von der Suche nach der eigenen Identität. Ihre zwei Hauptfiguren nehmen dabei gegensätzliche Perspektiven ein. Paul macht Karriere in einer lukrativen Branche, stellt jedoch fest, dass sein Beruf ihm nicht entspricht und ihn unglücklich macht. Zoë wiederum, gerade erst der Kindheit entwachsen, weiß noch gar nicht, wer sie eigentlich ist. Es ist ihr Blickwinkel, den das Publikum einnimmt, wenn sie im Zum Inhalt: Voice-Over von den Geschehnissen berichtet. Ihre Worte werden durch fantasievolle Stop-Motion-Animationen (Glossar: Zum Inhalt: Animationstechniken) untermalt, die aus Zoës Collagen und Zeichnungen entstehen. So gelingt dem Film ein einfühlsamer Blick in ihre Innenwelt. Das ist wichtig für die Erzählung, denn obwohl die Balance zwischen den Figuren meist gut gehalten wird, verdeckt die drängende Suche des Vaters manchmal Zoës zaghaftes Vortasten. Allerdings passt diese Darstellung auch zu ihrer Entwicklung: Erst am Ende hat Zoë durch die Abenteuer mit Paul genug Selbstbewusstsein, um sich zu positionieren und ihre Stimme zu erheben. Nun tritt sie mutig ein gegen das Mobbing in ihrer Klasse und damit auch aus ihrem Versteck heraus.

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Besonders im Deutschunterricht lässt sich diese erzählerische Form genauer untersuchen. Hier bietet es sich an, auch die Nebenfiguren zu diskutieren, die vor allem als komödiantische Stereotype eingesetzt werden. In Ethik, Religion oder Sozialkunde kann der Begriff "Rolle" definiert und Fragen nach den Rollenmustern von Kindern und Eltern in "Mein Vater, die Wurst" behandelt werden. Wichtig ist dabei Zoës Erkenntnis, dass ihr Vater auch nur ein Mensch mit Träumen und Ängsten ist. Vertiefend können sich die Schüler/-innen mit eigenen Träumen auseinandersetzen und ihre zukünftigen, erträumten Rollen beschreiben oder diese – etwa im Fach Darstellendes Spiel – auch aufführen. Im Kunstunterricht sind diese Wünsche in Anlehnung an den Film Thema für Collagen und Zeichnungen, die Ausgangspunkte für eigene Animationen (Glossar: Zum Inhalt: Animationsfilm) (mithilfe der Stop-Motion-Technik) sein können. Das Spannungsverhältnis zwischen Verantwortung und dem Drang nach Selbstverwirklichung, das im Film zu einem heftigen Konflikt zwischen Paul und seiner Frau führt, spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Das etwas abrupte, aber angenehm realistisch gestaltete Happy End entlässt junge Zuschauer/-innen wie Erwachsene mit einer inspirierenden Botschaft aus dem Film: Es ist nie zu spät, das Leben umzukrempeln und den eigenen Weg zu gehen. Am besten gemeinsam.

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