Kategorie: Gespräch mit Schüler/-innen
Wie Jugendliche aus der Hauptstadt "Babylon Berlin" sehen
Fünf Berliner Schüler/-innen zwischen 15 und 18 Jahren haben sich die ersten beiden Folgen der Serie angeschaut und diskutieren: über das Bild ihrer Stadt, ihren Eindruck von Geschichte und darüber, was eine gute Serie ausmacht.
Dunkle Nacht. Nur der weiße Rauch einer Dampflokomotive durchbricht die Finsternis. Doch dann rückt eine grüne Tanne ins Blickfeld, die lichterloh brennt. Sie fällt auf die Gleise und blockiert die Weiterfahrt des Zuges. Die Zum Inhalt: Szene aus der Pilotfolge von Zum Filmarchiv: "Babylon Berlin" erzählt spannungsgeladen von einem Zugüberfall in der Sowjetunion, 1.496 Kilometer von Berlin entfernt. Die 15-jährige Schülerin Nelly ist aber vor allem von der Bildästhetik beeindruckt: "Das ist ein wirklich schöner Kontrast zwischen Dunkelgrün und Weiß. Da darf man als Zuschauer einfach im Moment sein." Die Zugfahrt Richtung Berlin wird immer wieder in die Handlung der Serienfolge hineinmontiert (Glossar: Zum Inhalt: Montage). Thomas ist sich sicher: "Der Zug hat eine Bedeutung, auch wenn der direkte Bezug noch nicht klar wird."
Faszination "Babylon Berlin" – auch für Jugendliche?
"Babylon Berlin" hat seit der Erstausstrahlung 2017 diverse Preise gewonnen und zahlreiche Artikel über das Bild der Weimarer Republik und das deutsche Serienschaffen inspiriert. Aber weckt die Serie auch bei jungen Menschen Interesse? Und wie sehen Jugendliche von heute die Figuren und Geschichten aus der Zeit der ersten deutschen Demokratie? kinofenster.de wollte das genauer wissen. Gemeinsam mit Nelly, Jasper, Lea, Pia Lou und Thomas – fünf Berliner Schüler/-innen zwischen 14 und 18 Jahren – haben wir uns die Pilotfolge der ersten Staffel angeschaut. Die fünf Jugendlichen sind angetan von den Details und der Komplexität der Erzählung. "Es passiert wahnsinnig viel gleichzeitig", fasst Pia ihre Eindrücke zusammen. Auch wenn der Zum Inhalt: Plot am Anfang noch unübersichtlich ist, interessieren sich alle fünf von Beginn an für die Figuren. Lea hat schon eine Ahnung, wie sich das Beziehungsgeflecht in den weiteren Episoden entwickeln wird: "Sie sind alle irgendwie miteinander verknüpft." Eine interessante Rolle nimmt dabei Charlotte Ritter ein. "Charlotte ist spannend", erklärt Pia. "Sie kommt aus einem wirklich ärmlichen Haus, hat aber ihr eigenes Leben und ihren eigenen Kopf. Sie bildet eine Brücke zwischen dem kriminellen Bereich und der Polizei.“ Diese Multiperspektivität ist wesentlich für die Zum Inhalt: Dramaturgie von "Babylon Berlin" .
Berlin neu entdecken
Doch im Mittelpunkt der Serie steht die Stadt (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set9 selbst. "Babylon Berlin" blickt auf das Jahr 1929 und die Weimarer Republik zurück. Die Serie zeichnet das vielschichtige Bild einer kulturellen Metropole im Aufbruch. Neben einigen Parallelen zur heutigen Zeit entdecken die Jugendlichen dabei auch die Stadt Berlin und ihre Geschichte in gewisser Weise neu. Einige Aspekte sind ihnen durchaus noch vertraut: "Es ist cool, Orte wiederzuerkennen", findet Pia. Und weiter: "Fast alle haben berlinert. Das hat mir gut gefallen. Der Kommissar Wolter ist so ein richtiges Urberliner Klischee." Gleichzeitig gibt es neue Facetten der vertrauten Umgebung zu entdecken. "Wenn ich das nächste Mal über den Alex laufe, werde ich auf jeden Fall an "Babylon Berlin" denken und daran, was vorher da stand", sagt Lea. "Der Alex ist ja wirklich nicht schön. Aber in der Serie wirkt er ganz anders, viel angenehmer." Während diese Unterschiede zur Gegenwart einerseits den Reiz ausmachen, wirken sie andererseits auch irritierend: So geht es fast allen mit der Drohnenaufnahme, die den Alexanderplatz als zentralen Handlungsort etabliert, die aber zugleich aus der Zeit gefallen zu sein scheint. "Das sah für den Look der Serie zu sauber aus", meint Nelly. Auch fühlt sie sich in einer Szene, in der ein Mann gerade Oktopus speist, in ein hippes Restaurant in Berlin-Mitte versetzt. "Das war mir zu modern. Das hat mich kurz aus der Bahn gebracht."
Die Serie vermittelt ein Gefühl für eine vergangene Zeit
Durch die Zum Inhalt: Text-Inserts, die Propagandaplakateund die Zum Inhalt: Kostüme war den Jugendlichen schnell klar, dass die Serie in den 1920er-Jahren spielt – in einer Zeit, die Thomas als "ziemlich politisch und brisant" beschreibt. Im Unterricht haben die meisten aus der Gruppe schon die Weimarer Republik besprochen. Aber in der Schule lerne man meistens nur die Fakten über eine historische Zeit. "Und hier sehen wir, wie man gelebt hat", sagt Nelly. Thomas sieht das ähnlich: "In der Serie wird einem nichts aufs Auge gedrückt, sondern das Wissen kommt subtiler daher". Im Fluss der Erzählung überträgt sich für Jasper ein Gefühl für die historische Zeit, eine Stimmung von "Freiheit, Unsicherheit und wirtschaftlichen Krisen". Darin sieht er Ähnlichkeiten zu heute. Auch in der "Radikalisierung von politischen Denkweisen" entdeckt Thomas Parallelen zur Gegenwart. Pia wiederum ist das moderne Spiel mit den Geschlechtern aufgefallen, etwa wenn im Nachtclub Moka Efti eine Frau in Männerkleidung auftritt, während das Publikum ausgelassen tanzt.
So könnte es weitergehen
Es ist diese letzte Szene der Pilotfolge, in der die Serie Berlin als Ort der kulturellen Avantgarde inszeniert. Während die Zum Inhalt: Musik des Auftritts weiterläuft, werden in einer Zum Inhalt: Parallelmontage verschiedene Handlungsstränge in Beziehung gesetzt, gegenübergestellt und damit Spannung aufgebaut. "Die einen feiern Party und haben die Time of their Life – woanders werden Leute umgebracht, weil sie politische Aktionen planen", sagt Thomas. Im Moka Efti kommt dabei nahezu das ganze Figurenensemble zusammen, ohne zwangsläufig voneinander zu wissen. "Alle Charaktere erleben etwas, das sich auf sie auswirken wird", vermutet Lea. Und Jasper ahnt: "Die Moral von der Geschichte ist, es gibt keine. Am Ende werden die Verstrickungen groß sein und niemand mehr von sich sagen können, moralisch richtig gehandelt zu haben".
Ambivalente Figuren sind oftmals ein Merkmal horizontal – also episodenübergreifend – erzählter Serien. Meist sind sie männlich. Die Jugendlichen hoffen deshalb, dass Charlotte als Protagonistin "noch tiefgründiger eingeführt" wird. Sie wollen die Geschichte bis zum wirklichen Finale weiterschauen. Da könnte nämlich auch der Zug wieder auftauchen und zu einer Art "Countdown" werden, glaubt Thomas. "Je näher er nach Berlin kommt, desto mehr kommt die Geschichte zu einem Höhepunkt, wo alles zusammenläuft."
An dem Gespräch haben teilgenommen:
Thomas, 18 Jahre, Abiturient und ab Oktober Student der Filmwissenschaften,
Pia Lou, 17 Jahre, 11. Klasse, Gymnasium,
Jasper Lionel, 14 Jahre, 9. Klasse, Gymnasium,
Lea, 16 Jahre, 11. Klasse, Gymnasium,
Nelly, 15 Jahre, 11. Klasse, Gymnasium