Kategorie: Serienbesprechung
"Adolescence"
Kinder und Social Media: In der vieldiskutierten britischen Serie steht ein Teenager unter Mordverdacht.

Unterrichtsfächer
Thema
Bildungsrelevant, weil sich "Adolescence" inszenatorisch und emotional stilsicher den Auswirkungen von jugendlichem Medienkonsum in ihren vielen Facetten annähert.
Die Geschichte: Ein Teenager wird zum Mörder.
Unvermittelt platzt ein Sondereinsatzkommando der Polizei in das Leben der britischen Familie Miller. Mit dem Sturmgewehr im Anschlag nehmen sie Jamie, den 13-jährigen Sohn der Familie, in Gewahrsam. Er wird beschuldigt, am Abend zuvor seine Mitschülerin Katie mit einem Messer brutal getötet zu haben. Zwar streitet Jamie die Tat mehrfach ab, aber ein Überwachungsvideo lässt kaum Zweifel offen. Vielmehr ist es die Suche nach seinem Motiv, die sich schwierig gestaltet. Denn in der Schule offenbart sich eine Welt, auf die weder Jamies Eltern noch die Polizei Zugriff haben: Per Social Media werden Nacktbilder von Schülerinnen herumgereicht, Mobbing ist an der Tagesordnung und misogyne Influencer haben leichtes Spiel mit verunsicherten Teenagern wie Jamie.
Filmische Umsetzung: emotionale Dichte und die Nüchternheit der Bürokratie
Die vier Folgen der Serie kommen ohne Schnitt (Glossar: Zum Inhalt: Montage) aus. Regisseur Philip Barantini setzt dieses Mittel der Zum Inhalt: Plansequenz ein, um einerseits emotionalen Dialogen eine besondere Dichte zu verleihen, während andererseits die festen Abläufe auf der Polizeiwache oder in der Schule noch unüberwindbarer wirken. Die Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) kreist um die Sprechenden, aber entwickelt auch eine eigene Dynamik, indem sie durch Fenster und Türen gleitet und uns sogar – im fließenden Übergang von der Zum Inhalt: Steadicam zur Kameradrohne – einen schwindelerregenden Überblick über den Tatort verschafft. Besonders wirksam wird die Plansequenz aber in engen Räumen, etwa in Jamies Verhör oder einem Gespräch mit der betreuenden Psychologin. Kleinste Details des herausragenden Zum Inhalt: Schauspiels werden dann sichtbar und reihen sich in den fließenden Verlauf von intensiven und entspannenden Momenten.
Thema: die einfachen Antworten der "Manosphere"
"Adolescence" widmet sich auf nachhaltige Art und Weise einem jugendlichen Erleben von Männlichkeit und vermittelt in vielen Details der Erzählung, wie schnell authentische Männlichkeitsvorbilder durch die einfachen Antworten professioneller Frauenfeinde im Internet ersetzt werden können. Doch die Serie verwehrt sich der einfachen Antwort, dass allein Jamies Kontakt mit misogynen Inhalten auf Social Media zum Mord an seiner Mitschülerin geführt hat. Im Fokus steht auch die Machtlosigkeit von Pädagog/-innen, Eltern und der Polizei, in Bezug auf die virtuelle Lebenswelt von Teenagern.
Kritische Aspekte: Frauen als Stichwortgeberinnen
Die weiblichen Figuren werden stark über ihre Unterstützung der männlichen Figuren definiert. Trotz ihres Status als leitende Ermittlerin liefert die Polizistin Mischa Frank vor allem freundschaftliche Ermutigung, bleibt in der konkreten Polizeiarbeit aber im Hintergrund, während sich Jamies Mutter und Schwester vornehmlich um das Wohlergehen des Vaters kümmern – und darüber ihre eigene Aufarbeitung hintenanstellen.
Fragen für ein Filmgespräch
In Episode zwei wird der Alltag an Jamies Schule gezeigt. Wo seht ihr Überschneidungen mit eurem Schulalltag und was findet ihr nicht so gelungen inszeniert?
Habt ihr bereits schlechte Erfahrungen mit Geschlechterrollen auf Social Media gemacht? Sollte es strengere Regeln von Eltern und Lehrer/-innen für den Umgang mit Social Media geben bzw. stärkere gesetzliche Regelungen für die Plattformen?
Welches Bild zeichnet die Serie von Jamie? Diskutiert, inwiefern filmische Mittel wie Kamera, gesprochener Dialog oder Musik eure Wahrnehmung der Figur beeinflussen können.