Kategorie: Einführung
Mobbing-Prävention im Unterricht und in der Projektarbeit
Wie Filme im schulischen und außerschulischen Bereich eingesetzt werden können
Seit der öffentlichen Wahrnehmung des Mobbing-Phänomens Mitte der 1980er-Jahre ist Mobbing auch Thema in Kinder- und Jugendfilmen, die heutzutage in der Prävention und Intervention eingesetzt werden.
Der Begriff Mobbing stammt aus dem Englischen ("to mob") und bedeutet übersetzt: jemanden schikanieren. Über das Feld der Arbeitspsychologie zog das Wort in die Alltagssprache ein. Heute meint der Begriff "Mobbing" das bewusste, wiederholte in erster Linie seelische Verletzen von Menschen am Arbeitsplatz oder in der Schule, aber auch im Alltag.
Das Dossier "Filmeinsatz bei der Mobbing-Prävention" führt in das Mobbing-Phänomen bei Kindern und Jugendlichen ein. In zwei Hintergrundtexten werden die Filme Zum Filmarchiv: "Die dicke Tilla" (Werner Bergmann, DDR 1981) und der Fernsehfilm Zum Filmarchiv: "Homevideo" ( Kilian Riedhof, DE 2011) sowie deren Einsatzmöglichkeiten zur Mobbing-Prävention im Unterricht vorgestellt.
Der Einsatz von Filmen dient nicht nur der Illustration von Mobbing- und Cybermobbing-Fällen, sondern einer Sensibilisierung für das Thema, sodass Opferperspektive und Tätermotivation besser nachvollzogen werden können. Der dritte Hintergrundartikel stellt exemplarisch zwei Projekte vor, in denen Schülerinnen und Schüler im Zuge der Mobbing-Prävention Zum Inhalt: Kurzfilme drehten. Hierbei nehmen sie die Perspektiven von Tätern und Opfern ein und lassen gegebenenfalls eigene Erfahrungen einließen. Die Filmarbeit bildet somit eine wichtige Säule in der Mobbing-Prävention. Eine kommentierte Linkliste gibt Schüler/-innen, Lehrenden und Eltern eine Übersicht zu Projektangeboten der Mobbingprävention und –intervention.
Grundlagen der Mobbing-Forschung
Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz verwendete den Begriff Mobbing erstmals 1963 in seinem Buch Das sogenannte Böse, in dem er aggressive Verhaltensweisen zwischen artgleichen Tieren untersuchte. Sechs Jahre später formulierte der schwedische Arzt und Psychologe Peter-Paul Heinemann gemeinsam mit Kollegen die Hypothese, dass beim Zusammenleben der Menschen eine Gruppendynamik entstehe, die dazu führt, dass von der Norm abweichende Individuen gegängelt oder gar attackiert werden können. Während sich im skandinavischen wie auch im deutschsprachigen Raum in den vergangenen 30 Jahren der Begriff Mobbing durchsetzte, wird dasselbe Phänomen in Großbritannien und den USA mit dem Begriff Bullying beschrieben.
Die Darstellung von Mobbing in Filmen
Die Grundlagenforschung der schwedischen Ärzte sensibilisierte die Öffentlichkeit Anfang der 1980er-Jahre für das Phänomen. Die Definition von Mobbing bezog sich fortan nicht mehr ausschließlich auf die Arbeitswelt, sondern wurde auf andere Lebensbereiche übertragen. Eine repräsentative Studie des Pädagogen Horst Kaspar aus dem Jahr 2002 ergab, dass an deutschen Schulen jedes zehnte Kind einmal Mobbing-Opfer geworden ist. Das neue Bewusstsein für Mobbing im schulischen Kontext spiegelt sich auch früh im Kino wider. Tony Bills Zum Inhalt: Coming-of-Age-Film "Die Schulhofratten von Chicago" ("My Bodyguard" , USA 1980) erzählt die Schwierigkeiten des jungen Clifford, sich nach dem Umzug von New York nach Chicago an der neuen Schule zurechtzufinden. Aufgrund seiner guten Leistungen und seiner eleganten Kleidung gilt er schnell als Außenseiter, der von einer Gruppe von Mitschülern schikaniert wird.
Mit einem ähnlichen Setting arbeitet auch der Kinderfilm "Die dicke Tilla" . Die neunjährige Anne, eine leistungsstarke Schülerin, kommt nach dem Umzug in eine Klasse, die von der robusten Tilla dominiert wird. Das Mädchen versucht, Mitschülerinnen und Mitschüler gegen die Neue aufzuwiegeln. Diese Filme illustrieren exemplarisch Heinemanns Hypothese, dass allein das Abweichen einer Einzelperson von der Gruppennorm zum Mobbing führen kann. Auch heute geht die Psychologie davon aus, dass es keine charakterlichen Eigenschaften oder Verhaltensweisen gibt, die eine Schülerin oder einen Schüler als leichtes Opfer von Mobbing-Attacken prädestinieren. Es kann jede/n treffen.
Cybermobbing – Mobbing mit digitalen Mitteln
Mit dem Aufkommen der Neuen Medien fand Mobbing neue Möglichkeiten: Cybermobbing ist seitdem ein wichtiges Thema im öffentlichen Diskurs. Der Begriff umfasst die Diffamierung, Belästigung, Beleidigung und das Schikanieren in Chaträumen, in sozialen Netzwerken und Internetforen. Die US-amerikanischen Rechtsprofessoren John Palfrey und Urs Gasser wiesen darauf hin, dass die Hemmschwelle, Mitschülerinnen oder Mitschüler in der vermeintlichen Anonymität des Internets zu drangsalieren, gering sei. In ihrer 2008 veröffentlichten Monografie Generation Internet beschreiben sie Cybermobbing als eine der größten Gefahren für die sogenannten Digital Natives.
In der Tat sind die Zahlen alarmierend. Eine Umfrage des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ergab 2011, dass bis dahin jeder achte Jugendliche Opfer von Cybermobbing wurde. Kompromittierende Bilder oder Videos verbreiten sich in den sozialen Netzwerken mit einer ungeheuren Geschwindigkeit. Anders als beim Mobbing reicht hier der Schulwechsel als letzte Möglichkeit, der Drangsalierung zu entkommen, nicht mehr aus. Gegen diffamierende Äußerungen oder Bildmaterial, das Persönlichkeitsrechte verletzt, muss notfalls juristisch vorgegangen werden. Die Folgen von Cybermobbing beschreibt der Film "Homevideo" (DE 2011) von Kilian Riedhof. Der 15-jährige Jakob wird durch Mitschüler der Lächerlichkeit preisgegeben. Ein Schulwechsel bringt keine Verbesserung der Situation, da die neuen Klassenkameraden durch die sozialen Netzwerke das belastende Material bereits kennen.
Filme als Mittel bei der Mobbing-Prävention
Die Behandlung von Filmen mit Mobbing-Thematik im Unterricht oder in der Projektarbeit ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, Konfliktpotenziale rechtzeitig zu erkennen und Lösungsstrategien zu antizipieren. Dieser Ansatz ist umso erfolgreicher in Projekten, in denen Filme nicht nur angesehen und besprochen, sondern auch selbst gedreht werden. Beim Schreiben eines Zum Inhalt: Treatments oder Zum Inhalt: Drehbuchs versetzen sich die Schülerinnen und Schüler sowohl in Täter als auch Opfer hinein und beleuchten die Rolle der vermeintlich unbeteiligten Zuschauenden. Vor allem in der Prävention hat sich dieser Ansatz als vielversprechend erwiesen. Somit kann die Auseinandersetzung mit dem Medium Film eine wirkungsvolle Strategie darstellen, um den Phänomenen Mobbing und Cybermobbing entgegenzutreten.