Kategorie: Serienbesprechung
"Hungry"
Wegen ihrer Essstörung muss Ronnie in die Klinik – eine Mini-Serie mit viel Humor und eigebauter Triggerwarnung
Unterrichtsfächer
Thema
Wenn du groß bist, kannst du sein, wie du willst. Sagen die Erwachsenen. Ronnie hat von solchen gut gemeinten Sätzen aber schon als Kind zu viel. Einen Scheißdreck kann man, sagt sie. Und wird als Jugendliche in ihrer fatalistischen Haltung bestätigt, als sie von ihrer Mutter aufgrund einer Essstörung in eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie gebracht, in der sie die nächsten 15 Wochen bleiben soll. Zwischen "Essis" und "Depris" muss die mittlerweile 17-Jährige sich dort erst einmal zurechtfinden. Zunächst verweigert sie die Therapie und setzt alles daran, sich so schnell wie möglich rauswerfen zu lassen. Doch je mehr sie sich mit den anderen Jugendlichen in der Klinik unterhält, desto mehr merkt sie, dass sie nicht allein mit ihren Sorgen ist. Und sie lernt den unter einer bipolaren Störung leidenden Mitpatienten Nick kennen, in den sie sich verliebt.
Zu Beginn jeder Episode steht eine kurze Sequenz, die durch schnelle Perspektivwechsel, Zum externen Inhalt: Jump Cuts (öffnet im neuen Tab) und markante Zum Inhalt: Musik äußerst dynamisch inszeniert ist. Selbstironisch durchbricht Ronnie – hier noch als Kind – die " Zum Inhalt: vierte Wand", spricht das Publikum ebenso direkt wie unverblümt an und platziert dabei auf unterhaltsame Art eine ganze Reihe an Triggerwarnungen. Diese Intros setzen auch den Tonfall: Die sechsteilige Mini-Serie spielt mit Höhen und Tiefen, lässt bitteren Humor auf ernstes Drama, Leichtigkeit auf Krisen prallen. An einem begrenzten Schauplatz (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) – einer Klinik für Kinder und Jugendliche – wirft die Serie einen Blick auf die psychische Gesundheit Jugendlicher. Essstörungen wie Bulimie und Anorexie werden ebenso gestreift wie Angststörungen, Selbstverletzungen und Depressionen. Erwachsene spielen hier kaum eine Rolle. Beobachtet werden nahezu ausschließlich die Beziehungen zwischen den Jugendlichen, die sich in ihren Problemen näher stehen als sie zunächst vermuten. Die Widersprüchlichkeit der Empfindungen wird durch einen Zum Inhalt: Voiceover-Kommentar von Ronnie zum Ausdruck gebracht, der immer wieder die Szenen kommentiert oder sich in Dialoge einmischt. Erzählt wird ohne erhobenen Zeigefinger, es gibt keine Anschuldigungen, aber eben auch keine Entschuldigungen oder einfachen Erklärungen und Lösungen. Mehr als die konkreten Krankheitsbilder und Störungen stehen die Gefühle der Jugendlichen im Mittelpunkt.
Die Jugendlichen in "Hungry" bezeichnen sich immer wieder als Loser und Außenseiter/-innen. Aber die Serie teilt diese Selbstwahrnehmung nicht, setzt vielmehr auf empowernde Momente und stellt Themen heraus, die gerade für die Phase des Erwachsenwerdens typisch sind: Die Protagonisten/-innen sind unzufrieden mit ihrem Aussehen, wünschen sich Anerkennung und einen Platz in der Gesellschaft, wollen das Gefühl haben, ihr Leben selbst bestimmen zu können. Diese Grundbedürfnisse der Figuren können im Deutschunterricht als Ausgangspunkt für eine Besprechung dienen, wobei sich auch die Rolle als Verlierer/-innen hinterfragen lässt: Sind die Figuren wirklich so außergewöhnlich, wie sie sagen? Oder werden sie vielmehr zu Außenseiter/-innen gemacht? In Biologie können die dargestellten Störungen und Erkrankungen genauer betrachtet werden, wobei neben Formen und Folgen vor allem Hilfsangebote für Betroffene von Bedeutung sind. Im Hinblick auf die Inszenierung kann auch in den Fächern Deutsch oder Kunst diskutiert werden, wie die Serie durch filmgestalterische Mittel wie subjektive Tonwahrnehmung, den Soundtrack (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) oder Zum Inhalt: Kameraeinstellungen Einblicke in die Gefühlswelt der Figuren vermittelt und wie der bisweilen freche Tonfall die Serie von vergleichbaren Formaten unterscheidet.