Kategorie: Film
"Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war"
Was heißt schon normal? Über das Aufwachsen in einer psychiatrischen Klinik
Unterrichtsfächer
Thema
Joachim, genannt Josse, wächst mit seiner Familie auf dem Gelände einer psychiatrischen Klinik (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) in Schleswig-Holstein auf, die sein Vater Richard als Direktor leitet und die er von einer "Verwahrpsychiatrie" in ein partizipatives Konzept überführen will. Der Kontakt mit den Patient/-innen ist für Josse alltäglich, sie sind bei privaten Feiern zu Gast und stehen ihm als Freund/-innen in Momenten der Krise zur Seite. Der Film begleitet Josse in drei Etappen seines Lebens – als siebenjähriges Kind, als Teenager und als junger Mann im Alter von 25 Jahren. Unkontrollierbare Wutausbrüche prägen seine Kindheit und Jugend ebenso wie eine Lernschwäche, die seine zwei älteren Brüder zu anhaltenden Sticheleien verleitet. Als Teenager ist Josse durch das traurige Ende einer ersten Liebe und die zerbrechende Ehe der Eltern herausgefordert. Über all den kleinen und großen Hürden seines Lebens schwebt dabei beständig die Frage, wer oder was eigentlich normal und ob diese vermeintliche Normalität überhaupt erstrebenswert ist.
"Wann wird es wieder so, wie es nie war" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Joachim Meyerhoff und ist durchgehend aus der Perspektive der jungen Hauptfigur erzählt. Josse ist in jeder Zum Inhalt: Szene zu sehen, die Kamera mit ihm auf Augenhöhe, die Zum Inhalt: Bildgestaltung entspricht seiner Wahrnehmung und emotionalen Erfahrung. Auf diese Weise kann der Film dem Konflikt der Eltern mit größtmöglicher Fairness begegnen, da Josse auch in Situationen von Streit stets mit Liebe auf Mutter und Vater blickt. Um seine Erfahrungswelt noch greifbarer zu machen, verlässt Regisseurin Sonja Heiss zuweilen den Realismus ihrer Zum Inhalt: Inszenierung. Dann verändern sich Zum Inhalt: Lichtstimmung, Make-Up (Glossar: Zum Inhalt: Maske/Maskenbild) oder auch ein ganzes Kinderzimmer entsprechend Josses Wahrnehmung oder Interpretation der Ereignisse. Auch der zuweilen aus dem alltäglichen Wahnsinn des Lebens, zum Teil aus pointierten Dialogen generierte Humor in Verbindung mit den mitunter tragischen Ereignissen der Filmhandlung stellt eine Kombination aus realitätsnaher Erzählung und Kinounterhaltung dar.
Für die Fachbereiche Deutsch und Kunst bietet sich der Vergleich von Roman und Verfilmung (Glossar: Zum Inhalt: Adaption) an, mit besonderem Augenmerk auf die Frage, mit welchen filmischen Mitteln die Ich-Erzählung hier ins audiovisuelle Medium übersetzt wurde. So kann neben der Bildgestaltung auch analysiert werden, welche Rolle dabei Zum Inhalt: Kostüm, Zum Inhalt: Ausstattung und Zum Inhalt: Musik spielen. Inhaltlich ist die Entwicklungsgeschichte der Hauptfigur Josse zu betrachten, die über persönliche Rückschläge zu einer eigenständigen Persönlichkeit heranwächst. Über diese klassische Zum Inhalt: Coming-of-Age-Erzählung hinaus lädt "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" in Fächern wie Ethik oder Psychologie zu einer Auseinandersetzung mit den Themen psychische Krankheit beziehungsweise Behinderung ein. Immer wieder formuliert der Film die ethisch-moralische Frage, wie Gesellschaft eigentlich "Normalität" definiert, und skizziert über drei Jahrzehnte hinweg die Entwicklung der modernen Psychiatrie von der Verwahrung zur Ermächtigung. Josses Jugendliebe Marlene ist ein Mädchen, das "sehr, sehr traurig" ist. Nachdem Marlene mit ihren Eltern in eine andere Stadt gezogen ist, begeht sie Suizid, was im Film durch eine Unterhaltung zwischen Josse und seinem Vater vermittelt wird. Die Themen Despression und Suizidgedanken und die damit zusammenhängenden, auch für Heranwachsende relevanten Fragen erfordern hier unbedingt eine pädagogische Einordnung. Hierin liegt gleichwohl die Chance, mit Hilfe des Films über eben jene Themenkomplexe ins Gespräch zu kommen.