Mia ist elf Jahre alt und ihre Mutter Sandrine heroinabhängig. Als 1995 die offene Drogenszene in Zürich aufgelöst wird, quartiert man die Drogenabhängigen in ihre Heimatgemeinden um. So landen Mia und die frisch geschiedene Sandrine im Züricher Oberland. 34 Tage bleibt die Mutter clean. Mias Hoffnung auf Normalität und eine liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung wächst. Doch dann tauchen alte Freunde auf und Sandrine wird rückfällig. Mia kämpft verzweifelt um Sandrines Genesung und die Rückkehr unbeschwerter Tage. Stattdessen muss sie für die Mutter stehlen, Drogen organisieren, hungern und oft gibt es zuhause nicht einmal Strom. Nebenbei warten auf Mia weitere Herausforderungen: neue Schule, neue Freunde, neue Fähigkeiten. Mia findet Kraft für ihren eigenen Weg.

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Dass die emotionale Achterbahnfahrt von "Platzspitzbaby" gelingt, liegt an dem beeindruckenden Spiel der Hauptdarstellerinnen Sarah Spale (Sandrine) und Luna Mwezi (Mia). Großaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) finden in ihren Gesichtern all die Spuren der Sucht, der Gier, des Zerfalls, aber auch von Zärtlichkeit, Liebe und Hoffnung. Die Milieustudie, basierend auf der Biografie von Michelle Halbheer, wird aus Mias Perspektive erzählt. Sie romantisiert nichts, sondern zeigt schonungslos die schwierigen Umstände, die kaum Raum bieten zur Selbstentfaltung des Mädchens. Je mehr die neue Wohnung (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) verwahrlost, je mehr sich Mias Situation zuspitzt, desto häufiger flüchtet sie in eine sonnenbeschienene (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung) Fantasiewelt zu ihrem Freund Buddy. Nebenher vollzieht sich das "normale" Erwachsenwerden (Glossar: Zum Inhalt: Coming-of-Age-Filme) in Mias neuer Clique mit Mutproben und dem ersten Kuss. Derartige Kontraste zählen zu den Stilmitteln von Regisseur Pierre Monnard, der an der britischen Bournemouth Film School auch die Darstellung von sozialen Härten und Authentizität studiert hat. So kämpft sich die Kamera in einer Szene durch die ausgemergelten Gestalten auf dem titelgebenden Platzspitz-Areal in Zürich, die dort bis 1992 zu Hunderten hausten und offen ihre Drogen nahmen.

"Platzspitzbaby" ist all den vergessenen Kindern gewidmet, die unter ähnlichen Bedingungen heranwachsen. Der Film zeigt nicht nur die desaströsen Folgen von exzessivem Drogenkonsum, die auch die Kinder von Süchtigen fürs Leben zeichnet, sondern vermittelt auch, wie schnell sie selbst abrutschen können – spannend für den Psychologieunterricht. Dass Mia nach der Scheidung ihrer Mutter zugesprochen wurde, sollte zwar Sandrines Resozialisierung fördern, zwingt Mia jedoch in eine selbstzerstörerische Co-Abhängigkeit. Laut dem Bundesgesundheitsministerium wachsen in Deutschland über 3 Millionen Kinder und Jugendlichen mit mindestens einem suchtkranken Elternteil heran (Stand Mai 2017, siehe Linkliste). Angesichts dieser Zahl lohnt sich im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht die Hinterfragung ihrer Lebensumstände ebenso, wie die Effizienz von Hilfssystemen wie Jugend- und Sozialämter, Medizin und Drogenberatung. In Bezug auf die Zum Inhalt: Bildkomposition des Films lässt sich beispielsweise untersuchen, wie durch Rahmungen und einer damit einhergehenden Verengung des Bildes die Ausweglosigkeit des Mädchens vermittelt wird. Zudem können die Schüler/-innen diskutieren, in welchen Situationen Mias imaginärer Freund auftaucht und wofür er steht.

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