Kategorie: Filmbesprechung
"Der Eissturm"
The Ice Storm
Ang Lee entwirft in seiner Romanverfilmung ein komplexes Porträt der US-Gesellschaft zu Beginn der 1970er-Jahre.
Unterrichtsfächer
Thema
Während im November 1973 das Fernsehen über die Watergate-Affäre berichtet und US-Präsident Nixon sich in Lügen verstrickt, bereiten sich die Familien Hood und Carver in einer Kleinstadt in Connecticut auf das Thanksgiving-Fest vor. Die heile Familienwelt allerdings ist kaum noch mehr als ein schöner Schein. Wie die politischen Verhältnisse ist auch das Zusammenleben der Hoods und Carvers geprägt von Unehrlichkeit, Sprachlosigkeit und Geheimnissen. Längst haben sich die Eltern voneinander ebenso entfremdet wie von ihren heranwachsenden Kindern, die ihre Abwesenheit kaum zur Kenntnis nehmen. Mehr oder weniger erfolgreich flüchten sich die Erwachsenen in Affären und Partnertausch – und überlassen die Teenager, die ihrerseits erste sexuelle Erfahrungen machen, sich selbst. Ausgerechnet in jener Nacht, in der die Konflikte sich zuspitzen, zieht ein Eissturm auf.
Die sexuelle Revolution, so legt es der Film "Der Eissturm" nahe, hat ihren Tribut gefordert. Die propagierte Freizügigkeit der 1968er hat demnach die Menschen mehr verunsichert als befreit oder ist für sie zu einer leeren Versprechung geworden. In ebenso klug beobachteten wie komischen Zum Inhalt: Szenen deckt Ang Lee auf, wie die Protagonisten/innen seines Ensemblefilms versuchen, sich den vermeintlich progressiven moralischen Standards anzupassen. In scharfem Kontrast zu der inneren Unruhe und Orientierungslosigkeit der Figuren steht die ruhige Inszenierung, die durch das Szenenbild oder die Farbgebung (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) der Zum Inhalt: Kostüme zugleich nach bildlichen Entsprechungen für die Gefühle der Protagonisten/-innen sucht. Deutlich heben sich die leuchtend roten Jacken der Jugendlichen von der verschneiten Umgebung ab, die auch auf die frostigen Beziehungen innerhalb der Familien verweist.
"Der Eissturm" entwirft ein komplexes Gesellschaftsporträt, das dramaturgisch eng mit dem zeitgeschichtlichen Rahmen verwoben wird und Anknüpfungspunkte an den Sozialkunde- oder Politik- und Geschichtsunterricht bietet. Vor diesem Hintergrund regen vor allem die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern zum Nachdenken an. So steht nicht nur die moralisch-ethische Vorbildfunktion der Eltern in Frage, sondern auch, welche Folgen ihre Eskapaden auf die nachwachsende Generation haben. Besonders die letzten Szenen des Films machen nur allzu deutlich, dass die Opfer der gesellschaftlichen Experimente nicht die Erwachsenen sind, sondern die Kinder.