Der weibliche Widerstand gegen den Nationalsozialismus hat prominente Namen. Vor allem Sophie Scholl und die "Frauen des 20. Juli" sind Teil des öffentlichen Bewusstseins, durch zahlreiche Buchbiografien oder auch Filme, und sei es in Nebenrollen. Nach vielen anderen sucht man vergeblich, etwa den weiblichen Mitgliedern des Kreisauer Kreises oder den zahlreichen Helferinnen des Arbeiterwiderstands, die Flugblätter druckten und verteilten, Solidaritätsaktionen für Inhaftierte organisierten und sich selbstverständlich auch an Diskussionen beteiligten. Elvira Eisenschneider, um ein spektakuläres Beispiel zu nennen, floh mit ihrer Familie in die Sowjetunion und sprang im Sommer 1943 mit dem Fallschirm über Deutschland ab. Nach Funkkontakt mit Moskau wurde sie festgenommen und am 6. April 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet – kurz vor ihrem 20. Geburtstag. Eine DDR-Briefmarke erschien zu ihrem Gedenken, aber kein Film.

Die "Frauen des 20. Juli" – Widerstand in der zweiten Reihe

In der NS-Hierarchie ohne Zugang zu hohen Ämtern und Schlüsselpositionen, agierten Frauen in der zweiten Reihe – im Film wie in der Realität. Umso erstaunlicher ist der durchaus markante Auftritt einer fiktiven Figur namens Hildegard Klee in Falk Harnacks "Der 20. Juli " (BRD 1955), einem der ersten Filme über das Stauffenberg-Attentat. Die im Oberkommando der Wehrmacht beschäftigte Sekretärin besorgt Informationen, hört Feindsender, tippt geheime Kommandopläne und ist von den maßgeblichen Verschwörern um Oberst Stauffenberg und General von Tresckow als Gesprächspartnerin akzeptiert. Sie erfüllt damit jenen Part, den in der historischen Realität die Sekretärin Margarethe von Oven, aber auch Ehefrauen wie Erika von Tresckow oder Freya von Moltke einnahmen. Die Fiktionalisierung wirkt der politischen Atmosphäre der Nachkriegszeit geschuldet: Noch galten die Verschwörer des 20. Juli vielen als "Landesverräter", die Verbindung realer, noch lebender Personen zum Widerstand war folglich nicht immer erwünscht oder gar justiziabel. Dennoch erhielt das weibliche Publikum eine Identifikationsfigur, zu einer Zeit, in der Widerstand noch ausschließlich als "Männersache" galt.

Sophie Scholl – einsame Ikone des Widerstands

Das Bedürfnis nach weiblichen Erzählungen erfüllte schließlich Zum Filmarchiv: "Die weiße Rose" (Michael Verhoeven, BRD 1982), mit nachhaltiger Wirkung. Zunächst etwas naiv gezeichnet, stößt Sophie Scholl nur zufällig auf die Flugblattaktivitäten der Studentengruppe um ihren Bruder Hans und findet, gegen deren Bedenken, zu ihrer aktiven Rolle. Aufmüpfig und unerschrocken auftretend, wurde die Hauptdarstellerin Lena Stolze geradezu zum Gesicht des deutschen Widerstands im Film; in "Fünf letzte Tage" (Percy Adlon, BRD 1982) spielte sie die Rolle gleich ein zweites Mal. Es war das Fundament, auf dem später Marc Rothemunds Zum Filmarchiv: "Sophie Scholl – Die letzten Tage" (DE 2005) aufbauen konnte. In dem Zum Inhalt: Kammerspiel um die wenigen Tage von der Verhaftung bis zur Hinrichtung sind Scholls Überzeugungen längst gefestigt, als todesmutige Märtyrerin inszeniert trotzt sie dem Verhör. Nicht nur die Dialoge ("Wir sehen uns in der Ewigkeit wieder"), sondern auch Zum Inhalt: Kameraperspektiven und Ausleuchtung (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung) betonen ihre christliche Motivation. In "Die Weiße Rose" wirkte diese noch bewusst unterspielt.

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Eine ähnlich ikonische Wirkung konnte seither kein Film mehr entfalten, doch die Widerstandserzählung wurde zunehmend weiblich. Zwar verdankt sich das breite Publikumsecho für "Aimée & Jaguar" (Max Färberböck, DE 1999) vor allem der lesbischen Liebesgeschichte im Zentrum des Films. Aber die Widerstandsaktivitäten der realen Hauptfigur Felice Schragenheim, die als Jüdin um ihr Überleben kämpft, zeigen die wenigen Handlungsmöglichkeiten im totalitären System: Felice, undercover bei einem "Nazi-Blatt" tätig, beschafft für eine Untergrundorganisation Informationen und falsche Papiere, hilft anderen Jüdinnen und lässt sich ihren Humor nicht nehmen: "Aufregende Zeiten, was?"

Zum offenen Widerstand greifen die Frauen in Margarethe von Trottas Zum Filmarchiv: "Rosenstraße" (DE/NL 2003), um ihre in Haft genommenen jüdischen Ehemänner freizubekommen. Wider Erwarten haben sie damit Erfolg. Gemeinsam haben beide um die Jahrtausendwende entstandenen Filme nicht nur, dass mehrere Details historisch umstritten sind: Von welchen Abhängigkeiten war die Liebe zwischen der Jüdin Felice und der "arischen" Ehefrau und Mutter Lilly Wust, auf deren Memoiren "Aimée & Jaguar" basiert, in Wirklichkeit geprägt? Verfälscht die in "Rosenstraße" entworfene Utopie eines erfolgreichen Frauenwiderstands die gerade im Hinblick auf sogenannte "Mischehen" äußerst komplexen Modalitäten der nationalsozialistischen Judenverfolgung? Wichtiger erscheint jedoch: In Zeiten des Hasses wird hier die Liebe selbst zum Widerstand. Zu dieser emotionalen Grundierung passt es, dass beide Filme ihr Geschehen in eine umfangreiche Rahmenhandlung (Glossar: Zum Inhalt: Rückblende/Vorausblende) einbetten, um leidvolle Vergangenheit und Gegenwart zu verknüpfen: Die mittlerweile 83-jährige Lilly teilt die damaligen Ereignisse im Altersheim mit einer Weggefährtin; aus dem New York der Gegenwart reist die Tochter einer Beteiligten nach Berlin, um zu erfahren, was damals wirklich geschah in der Rosenstraße. Die Erinnerung an die widerständige Liebe wird zum wesentlichen Motiv, die Geschichten überhaupt zu erzählen.

Widerstand kennt kein Geschlecht?

Der deutsche Film verfügt gewiss nicht über die Freiheiten, die es einem Quentin Tarantino in "Inglourious Basterds" (USA 2009) erlaubten, gleich zwei fiktive Figuren – eine französisch-jüdische Kinobetreiberin sowie eine deutsche Agentin der Alliierten – an einem noch dazu erfolgreichen Attentat auf Adolf Hitler zu beteiligen. Die Last deutscher Schuld setzt der Fiktion enge Grenzen. Aber war es vielleicht auch ein traditionelles, im Nationalsozialismus und sicher auch unter einigen Widerständlern vorherrschendes Frauenbild, das weiteren Erzählungen im Wege stand? Es ist in diesem Zusammenhang aufschlussreich, dass keine der bürgerlichen Ehefrauen des 20. Juli, wiewohl oft Mitwisserinnen, zum Tode verurteilt wurde. Die aktive Tatbeteiligung einer deutschen Ehefrau und Mutter war schlicht unvorstellbar. Noch 2004 bestätigte "Stauffenberg" (Jo Baier, DE 2004) das Klischee: Nina von Stauffenberg versucht ihren Mann von dem gefährlichen Plan abzuhalten, sie möchte ihn privat für sich. Zumindest in dieser Darstellung war die internationale Koproduktion "Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat" (Valkyrie, Bryan Singer, USA/DE 2008), kritisiert wegen zahlreicher historischer Ungenauigkeiten, der Realität näher.

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Andreas Dresens Zum Filmarchiv: "In Liebe, Eure Hilde" (DE 2024) schließt also in mehrfacher Hinsicht eine Lücke. Nicht nur werden mit Dresens Porträt der Roten Kapelle neben der Hauptperson Hilde Coppi zahlreiche andere Frauen des Widerstands ins Bild gesetzt, wie etwa Ina Ender-Lautenschläger, Liane Berkowitz oder Libertas Schulze-Boysen. Sie stehen überdies für den weniger bürgerlichen, oft proletarischen Widerstand, an dem die Nationalsozialisten ihre ganze Wut ausließen: Unter den über 50 Hingerichteten der Roten Kapelle befanden sich fast 20 Frauen. Auch Dresen erzählt vor allem über Gefühle, streift politische Motive nur am Rande, vermittelt stattdessen eine humanistische Grundhaltung. Widerstand kennt kein Geschlecht. Aber es gibt noch viele Geschichten zu erzählen.

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