Kategorie: Film
"Lola"
Eine Prostituierte stellt in einer deutschen Kleinstadt der Wirtschaftswunderzeit die Ordnung wieder her. In der Hauptrolle von Fassbinders Satire überzeugt Barbara Sukowa.
Unterrichtsfächer
Thema
Ab den späten 1970er-Jahren wandte sich Rainer Werner Fassbinder mit seinen Filmen einem größeren, auch internationalen Publikum zu. Höhere Produktionsbudgets, elegante Zum Inhalt: Inszenierungen und die Anlehnung an das Hollywoodkino zeichnen sein Spätwerk aus. 1981 gedreht, ist "Lola" der letzte Teil von Fassbinders BRD-Trilogie, die einen Höhepunkt dieser Schaffensphase markiert. Wesentlich für alle Filme der Trilogie ist die Verbindung von Zum Inhalt: melodramatischer Liebesgeschichte und einem differenzierten Blick auf die bundesdeutsche Nachkriegszeit.
"Lola" ist Ende der 1950er-Jahre in einer Zum Inhalt: mittelgroßen bayerischen Stadt angesiedelt. Der wirtschaftliche Aufschwung unter Konrad Adenauers Kanzlerschaft, der damit einhergehende Bau-Boom und Ludwig Erhards soziale Marktwirtschaft bilden den historischen Rahmen, den Fassbinder in zahlreichen Anspielungen auf politische Ereignisse und Alltagskultur absteckt. Erzählt wird ein Konflikt um ein millionenschweres Bauprojekt: Der neue Baudezernent von Bohm kooperiert zunächst mit dem städtischen Machtkartell um den Baulöwen Schuckert. Als er jedoch erfährt, dass seine junge Geliebte Lola im Bordell arbeitet und Schuckerts "persönliche Hure" ist, stellt er sich den korrupten Strukturen entgegen.
Die Charaktere in "Lola" sind als Stellvertreter verschiedener gesellschaftlicher Positionen angelegt, was eine allegorische Lesart des Films nahelegt: Der von der Stadtgemeinschaft als "Moralist" wahrgenommene Bohm auf der einen Seite, Schuckart als Profiteur des Fortschritts auf der anderen. Am komplexesten ist die zentrale Frauenfigur im Film gezeichnet: Elegant und verführerisch, fügt sich Lola einerseits in das patriarchale System, indem sie sich dem männlich-voyeuristischen Blick (auch in Fassbinders Zum Inhalt: Inszenierung) hingibt. Andererseits weiß sie um die Macht ihrer Reize und setzt diese geschickt ein, um sich ihr bietende Handlungsspielräume auszunutzen. Weckt von Bohms Aufrichtigkeit zunächst noch ihr Interesse, erkennt sie schnell, dass das Ausblenden von Gefühlen in diesem System eine Voraussetzung ist, um zu Macht und Wohlstand zu gelangen. Anders als in Josef von Sternbergs Klassiker Zum Filmarchiv: "Der blaue Engel" (1930), der Fassbinder lose als Vorlage dient, endet die Liaison nicht in gesellschaftlicher Exklusion. Vielmehr initiiert Lola ein Arrangement, das die bestehenden Verhältnisse zementiert und alle Figuren profitieren lässt: Sie heiratet von Bohm, ermöglicht so das Bauvorhaben und steigt im Gegenzug durch Schuckert zur Bordellbesitzerin auf.
Fassbinders Film ist nicht als Versuch eines realistischen Abbildes der 1950er-Jahre zu verstehen. Das legen auch stilistische Mittel wie die künstliche Zum Inhalt: Farb- und Zum Inhalt: Lichtgebung und der Einsatz auffälliger Zum Inhalt: Blenden zwischen den Szenen nahe. Vielmehr interpretiert Fassbinder die historische Situation aus seiner Perspektive. Der Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg erscheint demzufolge auf Verdrängung und dem Opfer emotionaler und moralischer Werte begründet. In der gesamtgesellschaftlichen Anpassung an ein ausbeuterisches System, das von der Wirtschaftswunder-Ideologie getragen wird, erkennt er eine Kontinuität zum Nationalsozialismus. "Der Faschismus wird siegen" wird in "Lola" einmal auf ein Blatt getippt – und zwar bezeichnenderweise von einer Figur, die sich als Humanist versteht, sich am Ende jedoch ebenso opportunistisch in das System fügt wie alle anderen.