Kategorie: Musikvideo
"Die Goldenen Zitronen: Das war unsere BRD"
Ein Rückblick auf die BRD und zugleich ein Statement zur Gegenwart – wie ein chronologisch ungeordnetes Fotoalbum erscheint das Musikvideo zu Das war unsere BRD von der Hamburger Punkband Die Goldenen Zitronen.
Unterrichtsfächer
Thema
Erinnerungen sind nicht statisch, sondern verändern sich im Laufe der Zeit. Damit erfüllen sie eine wichtige soziale Funktion. Im sozialen Zusammenleben und Alltag ist es nicht immer von Relevanz, was wirklich geschehen ist: Unterhaltungen über Vergangenes und das gegenseitige Beeinflussen von Erinnerungen prägen häufig die soziale Interaktion.
Dass Die Goldenen Zitronen für ihr Lied Das war unsere BRD ein Musikvideo gedreht haben, das auf assoziative Zusammenschnitte (Glossar: Zum Inhalt: Montage) von aktuellen und historischen Aufnahmen setzt, ist in Anbetracht dieser Definition nur folgerichtig. Denn der Blick zurück auf die Bundesrepublik Deutschland der 1980er-Jahre ist keine feststehende Erinnerung und impliziert kein absolutes "Wir". Er ist geprägt vom Standpunkt und der Situation, von der aus auf dieses Land geschaut wird. Wenn der Sänger der Goldenen Zitronen Schorsch Kamerun also singt "Das war unsere BRD. Unsere weiße BRD. Unsere monodeutsche BRD. (...) Unsere braune BRD. Unsere verhasste BRD.", dann ist das nicht nur eine Abrechnung mit politischen und kulturellen Verhältnissen in der Bundesrepublik, sondern auch ein persönlicher Rückblick auf die Jugend in den 1980ern. Es ist damit auch ein Blick auf die Gründungsjahre der Goldenen Zitronen, die sich 1984 als Punkband zusammenschlossen und in ihren Texten häufig gesellschaftskritische Themen aufgreifen.
Im Musikvideo, dass von der Künstlerin Ariane Andereggen und dem Goldenen- Zitronen-Gründungsmitglied Ted Gaier umgesetzt wurde, werden Gesellschaftsprinzipien, die die BRD der 1980er-Jahre prägten, beleuchtet, aufgebrochen und – wie im Punk jener Zeit üblich – dekonstruiert. Andereggen und Gaier greifen dafür auf private Filmaufnahmen von Künstlern/-innen wie der Regisseurin Margit Czenky, der Autorin Antje Steffen und der Künstlerin Deborah Schamoni zurück und kontrastieren diese mit Aufnahmen, die speziell für das Video entstanden.
Dadurch entsteht eine Art Fotoalbum, das verwaschene, historische Bildaufzeichnungen mit Neuaufnahmen verbindet und die Zuschauenden zuweilen irritiert. In diesem Fotobuch aus bewegten Bildern stehen vergangene Polizeieinsätze, graue Alltagssituationen und schlecht ausgeleuchteten Straßen lächelnde, manchmal tanzende Menschen der Jetztzeit gegenüber. Mitunter ist es aber auch andersherum: Das Bunte, Lebendige findet sich in den Aufnahmen aus den 1980ern, die Trostlosigkeit in der Jetztzeit. In diesem filmischen Zusammenschnitt wird nicht nur eine Geschichte rezipiert, sondern sie wird durch die Kopplung von Vergangenheit und Gegenwart mit den Mitteln des Gegenschnitts neu entdeckt.
"Daher haben wir auch altes Filmmaterial bei allen angefragt und auch in unserem Umfeld gesucht. Da sind tolle Sachen aufgetaucht und auch alte Freundschaften entstaubt worden. Jeder hat ja seine eigene Geschichte", sagt Schorsch Kamerun im Interview mit dem Kaput-Magazin über die Idee zum Video.