Mitten am Tag stellt eine junge Frau ein Fahrrad in einer belebten Hamburger Geschäftsstraße (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set9 ab, genau vor dem Übersetzungs- und Steuerberatungsbüro des Deutsch-Türken Nuri Şekerci. Als dessen Frau Katja am Abend ihren Mann und ihren gemeinsamen Sohn dort abholen will, ist die Straße gesperrt, das Ladengeschäft durch eine Nagelbombe zerstört und ihre Angehörigen tot. Fatih Akin erzählt in seinem aktuellen Spielfilm Zum Filmarchiv: "Aus dem Nichts" (DE/FR 2017) von den Folgen eines rechten Terroranschlags – eines Anschlags, der Ähnlichkeiten mit dem Bombenattentat in der Kölner Keupstraße 2004 aufweist, bei dem allerdings kein Mensch ums Leben kam.

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Ein neuer Blick auf Terrorismus von rechts

Mittlerweile steht fest, dass die rechtsextreme Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), die zwischen 2000 und 2007 neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin erschoss, auch diesen Anschlag verübt hat. Wie bei der Mordserie ermittelte die Polizei auch beim Nagelbombenattentat in Köln zunächst im Umfeld der Opfer, vermutete als Motiv des Anschlags einen Konflikt im Drogen- und Rotlichtmilieu. Erst seit dem wahrscheinlichen Selbstmord der beiden NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2011 und dem anschließend von Beate Zschäpe verschickten (sowie in der Wohnung des Trios gefundenen) Bekennervideo ist das rassistische Motiv dieser Taten bekannt. Der 2013 eröffnete NSU-Prozess gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer läuft derzeit immer noch vor dem Oberlandesgericht München.

Die Erkenntnis, dass Neonazis mehr als zehn Jahre lang im Untergrund leben und mindestens zehn Morde begehen konnten, bedeutete in vielerlei Hinsicht eine Zäsur. Warum konnten die drei Rechtsextremen untertauchen? Wieso brachten die Sicherheitsbehörden die Mordserie an Menschen mit Migrationshintergrund – stets verübt mit derselben Waffe, einer Ceska 83 – erst so spät mit rassistischen Motiven in Verbindung, trotz aussagekräftiger Indizien und beharrlicher Hinweise von Opfern und Angehörigen? Noch immer sind viele Fragen offen. Der NSU-Komplex hat den politischen Umgang mit und den medialen Diskurs über Rechtsterrorismus verändert. Ein genauer Blick in die westdeutsche Nachkriegsgeschichte offenbart zwar, dass der NSU längst nicht die erste rechte Terrorzelle war und dass auch seine klandestine Strategie Vorbilder hatte. Dennoch stellt die planmäßige und gezielte Ermordung einzelner Menschen eine neue Qualität im Rechtsterrorismus in Deutschland dar.

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Filmische Aufarbeitung eines vernachlässigten Themas

Das dringende Bedürfnis, den lange Zeit vernachlässigten und unterschätzten Terrorismus von rechts medial aufzuarbeiten, schlägt sich in den vergangenen Jahren auch in einer regen Filmproduktion nieder. Im Gegensatz zu den zahlreichen Spiel- und Zum Inhalt: Dokumentarfilmen über den Linksterrorismus der "Roten Armee Fraktion" gab es vor dem Bekanntwerden des NSU zwar Filme über die rechtsextreme Szene, fast nie aber über die (reale oder fiktive) terroristische Gefahr, die von diesem Milieu ausgeht. Als Ausnahme kann hier der Dokumentarfilm "Der Rebell – Psychogramm eines Terroristen" (DE/FR/LB 2006) von Jan Peter gelten, der die terroristische "Karriere" des Neonazis Odfried Hepp und die Anschläge der sogenannten Hepp-Kexel-Gruppe auf Einrichtungen und Repräsentanten der US-amerikanischen Armee in den 1980er-Jahren nachzeichnet. Kurz zuvor war mit dem Oktoberfestattentat, bei dem 13 Menschen getötet und 211 verletzt wurden, der schwerste Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte verübt worden. Dem Bombenanschlag und der bis heute umstrittenen Einzeltäter-Hypothese widmete sich Daniel M. Harrichs TV-Spielfilm "Der blinde Fleck" (DE 2013). 2014 wurden die Ermittlungen zu dem bis heute nicht aufgeklärten Ereignis wieder aufgenommen.

Ein Großteil der Produktionen der letzten Jahre – Dokumentarfilme ebenso wie fiktionale Werke – bezieht sich jedoch direkt oder indirekt auf die Taten des NSU. Den Kinostart am 23. November 2027 von Zum Filmarchiv: "Aus dem Nichts" nimmt kinofenster.de deshalb zum Anlass, sich mit dem Thema "Rechtsterrorismus im deutschen Film" zu beschäftigen. Dabei wird dem Film von Fatih Akin, der ganz die Perspektive der Opfer einnimmt und somit einen emotionalen Zugang zur Thematik wählt, die preisgekrönte ARD-Spielfilmtrilogie Zum Filmarchiv: "Mitten in Deutschland: NSU" (Christian Schwochow/Züli Aladağ/Florian Cossen, DE 2016) gegenübergestellt, die die Geschichte der bislang noch nicht vollständig aufgeklärten NSU-Attentate aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt. Vor allem bei der Darstellung dieser menschenverachtenden Taten aus der jüngeren Vergangenheit sind die Wahl der Erzählperspektive und der filmischen Zum Inhalt: Inszenierung – das zeigen auch die anderen Beispiele dieses Themendossiers – von entscheidender Bedeutung.

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"Heil"

Kategorie: Filmbesprechung

Unterbelichtete Neonazis, überforderte Verfassungsschützer, sensationslüsterne Medien und mittendrin ein afrodeutscher Autor, der nach einem Schlag auf den Kopf rechte Parolen von sich gibt. "Heil" ist eine schrille Satire auf die deutsche Mediengesellschaft im Jahr 2015.