Filme bieten die Möglichkeit, etwas über sich selbst und andere, über eigene oder fremde Lebenswelten zu lernen. Inwiefern Filme einen Beitrag zur Inklusion von Heranwachsenden mit Fluchthintergrund sowie zur interkulturellen Verständigung leisten können, zeigt das Dossier "Filmarbeit mit geflüchteten und einheimischen Kindern und Jugendlichen" praxisnah anhand von Beispielen aus der filmrezeptiven und filmpraktischen Arbeit auf.

Inklusion von heranwachsenden Flüchtlingen

Im Juni 2016 veröffentlichte das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) in seinem Jahresbericht "Global Trends" erschreckende Zahlen. Bis Ende 2015 waren demnach 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Das sei, so UNHCR, eine nie da gewesene Zahl. Im September 2014 war laut einer UNICEF-Studie jeder dritte nach Deutschland einreisende Geflüchtete ein Kind oder Jugendlicher. Sie kommen allein (im Januar 2016 lag nach Angaben vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) die Zahl bei 60.162) oder mit ihren Familien in ein Land, dessen Sprache sie nicht sprechen und dessen Alltagsleben und Kultur ihnen fremd sind. Das stellt nicht nur die Heranwachsenden vor besondere Herausforderungen und Anpassungsleistungen, sondern in neuem Maße auch Pädagoginnen und Pädagogen. Denn auch wenn zunächst der Spracherwerb im Vordergrund steht, geht es ebenso darum, den Neuankömmlingen Grundlagen über das gesellschaftliche und kulturelle Zusammenleben in Deutschland zu vermitteln. Doch wie erreicht man junge Geflüchtete in der Schule und bei der Jugendarbeit? Was ist notwendig für eine gelingende Kommunikation in heterogenen Lerngruppen, zwischen deutschen und geflüchteten Schülerinnen und Schülern? Die Erziehungswissenschaftlerin Ulrike Becker erklärt im Interview dieser Ausgabe, dass die Bereitschaft zum Dialog und eine generelle Offenheit für das Neue und andere grundlegend sind. Eigene Filmprojekte im Rahmen des Unterrichts helfen Jugendlichen dabei, sich für neue Perspektiven zu öffnen.

Möglichkeiten und Chancen der pädagogischen Filmarbeit

Die pädagogische Filmarbeit bietet unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten und Zielsetzungen. So können einheimische Kinder und Jugendliche über ausgewählte Spiel- und Zum Inhalt: Dokumentarfilme für das Thema "Flucht" sensibilisiert werden. Für den Einsatz ab der 10. Klasse eignet sich etwa der diesjährige Berlinale-Gewinnerfilm Zum Filmarchiv: "Seefeuer" (I, F 2016) von Gianfranco Rosi, der den Alltag der Menschen auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa dokumentiert, die seit Jahren von Bootsflüchtlingen aus dem Nahen Osten und aus Afrika angesteuert wird. Der Dokumentarfilm regt dazu an, sich im Unterricht sowohl mit der europäischen Politik in Bezug auf die Flüchtlingskrise wie auch mit ihrer medialen Präsentation zu beschäftigen. Bleiben die Geflüchteten in "Seefeuer" anonym in der Masse, so stellen viele andere aktuelle Dokumentar- und Spielfilme die Erfahrungen der geflüchteten Menschen in den Mittelpunkt, wodurch sie wiederum ein Gesicht und eine Geschichte erhalten. Zuschauer/-innen ohne Fluchthintergrund können in der Auseinandersetzung mit dem Gesehenen Verständnis und Mitgefühl für die Belange geflüchteter Menschen entwickeln, weil sie über die individuelle Geschichte hinaus etwas über Ursachen und Konsequenzen der Flüchtlingskrise erfahren. Dass man das Thema "Flucht" altersgerecht bereits in der Grundschule aufbereiten kann, zeigt die Kinderbuchverfilmung Zum Filmarchiv: "Paddington" (GB/F 2014) über einen aus Peru stammenden Bären, der in London eine neue Heimat sucht.

Ein gemeinsames Filmerlebnis bietet immer auch die Möglichkeit einer interkulturellen Begegnung. Es schafft Gesprächsanlässe – wichtig vor allem auch im Hinblick auf den Spracherwerb – und ermöglicht geflüchteten wie einheimischen Kindern und Jugendlichen etwas über einander zu erfahren. Ebenso fördert die gemeinsame Arbeit in filmpädagogischen Praxisprojekten den Austausch aller Beteiligten. Für geflüchtete Kinder und Jugendliche eröffnen derartige Projekte die Chance, ihre eigenen Geschichten zu erzählen und Erfahrungen zu vermitteln.

Zunehmend erkennen Institutionen und private Initiativen das Potenzial von Film und Kino. Beispiele aus der Praxis sind etwa der vom Goethe Institut und dem Bundesverband Jugend und Film (BJF) ins Leben gerufene Cinemanya-Filmkoffer oder das Filmbildungsprojekt Mix It!. Ziel solcher Projekte und der rezeptiven und praktischen Filmarbeit ist es, durch gemeinsame Seh- und Arbeitserlebnisse sowie kulturelle Teilhabe die Inklusion geflüchteter Kinder und Jugendlicher zu fördern.