Der Begriff "Black Cinema" hat seinen Ursprung in den frühen 1970er-Jahren, als mit "Sweet Sweetback's Baadasssss Song" (Melvin Van Peebles, USA 1971), "Shaft" (Gordon Parks, USA 1971) und "Superfly" ("Super Fly" , Gordon Parks Jr., USA 1972) erstmals Filme an den US-amerikanischen Kinokassen Erfolge verbuchten, die speziell auf ein afroamerikanisches Publikum zugeschnitten waren.

Sweet Sweetback's Baadasssss Song

Melvin Van Peebles' Low-Budget-Film gilt als die erste unabhängige afroamerikanische Filmproduktion, die sich zudem dem radikalen Gestus der Black-Panther-Bewegung verschrieben hatte. Das war Anfang der 1970er-Jahre in Hollywood undenkbar. Filme wie "Shaft" , "Superfly" und "Heiße Hölle Harlem" ("Black Caesar" , Larry Cohen, USA 1973), die im Zuge des Erfolgs von "Sweet Sweetback's Baadasssss Song" in die Kinos kamen, spielten vornehmlich mit afroamerikanisch besetzten Bildern, statt sich mit den realen Lebensverhältnissen in den Schwarzenvierteln auseinanderzusetzen. Van Peebles Hauptfigur Sweetback war dagegen ein gefährlicher Outlaw. Er tötet einen weißen Polizisten, weil der gegen einen Schwarzen Gewalt anwendet, und flüchtet darauf in den Untergrund. Der Regisseur lieferte damit ein wütendes und bisweilen polemisches Panorama der US-Gesellschaft nach dem Ende der Bürgerrechtsbewegung. Formal war der Film nicht weniger gewagt: Seine Zum Inhalt: Montage hatte fast perkussive Qualitäten; Bilder und Musik hämmerten buchstäblich auf das Publikum ein, verstärkt durch psychedelische Überblendungen (Glossar: Zum Inhalt: Blende/Überblendung).

Blaxploitation

"Blaxploitation" wurde diese mit Van Peebles' Film einsetzende kurze Welle von billig produziertem Genrefilmen genannt: eine Wortkreation aus "black" und "exploitation", die bereits andeutete, dass es in erster Linie um das schnelle Geld ging. Viele Blaxploitationfilme wurden einem breiten (weißen) Publikum besonders durch ihre Soul/Funk-Soundtracks (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) von Künstlern wie James Brown oder Curtis Mayfield bekannt. Die enge Verflechtung von Musik und Film war von Beginn an ein Markenzeichen des "schwarzen Kinos" – einerseits weil sich daraus kommerzielle Synergie-Effekte ergaben, andererseits weil Musik in der afroamerikanischen Erfahrung, angefangen im Spiritual, schon immer eine tragende Rolle gespielt hat. Der Blaxploitationfilm machte diese Erzählung – anhand der Filmstory und der Songtexte – sozusagen doppelt hörbar, auch wenn nur die wenigsten Filme eine explizit politische Botschaft vermittelten: Seine Helden waren meist Privatdetektive, Zuhälter oder Gangster.

Der Film "Precious"

Der Begriff "Black Cinema" ist somit gleichermaßen kulturell wie ökonomisch besetzt. Das muss bedacht werden, will man Lee Daniels Film Zum Filmarchiv: "Precious – Das Leben ist kostbar" ("Precious" , Lee Daniels, USA 2009) historisch einordnen. Auch er ist eine größtenteils "schwarze" Produktion: Regisseur Lee Daniels hat seinen Film co-produziert, die Romanvorlage stammt von der Autorin Sapphire, protegiert wurde er von TV-Star Oprah Winfrey, und in den Hauptrollen sind unter anderem die Komödiantin Mo'Nique, der Musiker Lenny Kravitz und die Entdeckung Gabourey Sidibe zu sehen. "Precious" erzählt die Geschichte eines missbrauchten Teenagers im Harlem der 1980er-Jahre, wirft nebenbei aber auch ein Licht auf die Lebensbedingungen von Schwarzen in den USA lange vor Barack Obama. Damit steht Daniels Film in einem kulturellen Zusammenhang, der bis in die 1970er-Jahre zurückreicht.

Autorenfilme

Der Blaxploitationfilm stand früh in der Kritik, ein stereotypes – und damit unterschwellig rassistisches – Bild vom schwarzen Amerika zu zeichnen. Mitte der 1970er-Jahre hatte das Zum Inhalt: Genre seine Hochphase überschritten. Ein Randphänomen war die sogenannte L.A. School um die Filmemacher/-innen Charles Burnett, Julie Dash, Haile Gerima und Billy Woodberry. Burnetts UCLA-Abschlussfilm "Killer of Sheep" (USA 1977) ist das bekannteste Beispiel: eine ruhige Studie über einen Arbeiter, der seinen Lebensunterhalt in einem Schlachthaus verdient und abends von seiner Umwelt entfremdet zu seiner Familie heimkehrt. Vergleichbar mit dem italienischen Zum Inhalt: Neorealismus schilderte "Killer of Sheep" ein nüchternes Bild des Alltags im Schwarzenviertel Watts und seiner Bewohner/-innen. Auch wenn keinem der Regisseure/-innen der L.A. School kommerzieller Erfolg beschert war, gelten sie heute als Meilenstein in der Geschichte des Black Cinema, weil sie der afroamerikanischen Erfahrung erstmals eine unverwechselbare Stimme verliehen.

Spike Lee

Erst in den 1980er-Jahren etablierte sich mit Spike Lee wieder ein Regisseur (Glossar: Zum Inhalt: Regie), der kommerziell erfolgreich arbeitete und gleichzeitig ein afroamerikanisches Selbstverständnis vertrat. Lees frühe Filme sind ein schönes Beispiel dafür, wie sich das afroamerikanische Selbstverständnis seit der Blaxploitation-Ära und der L.A. School gewandelt hat. Mit "She's Gotta Have It" (USA 1986) und "Jungle Fever" (USA 1991) wirkte er dem strukturellen Rassismus entgegen, indem er seine Geschichten um Beziehungen, Familie und Karriere selbstverständlich im Milieu des schwarzen Mittelstands ansiedelte. Anders als die Cosby-TV-Familie verfügen seine Figuren jedoch über ein Geschichtsbewusstsein. In (USA 1992) erzählt Lee die Lebensgeschichte des schwarzen Bürgerrechtlers, "Get on the Bus" (USA 1996) widmete er dem Million Men March auf Washington und in (USA 1989) beschreibt er die sozialen Spannungen in einem multikulturellen Viertel.

Der Ghettofilm

Der Erfolg von Gangsta-Hip-Hop und die mediale Berichterstattung über innerstädtische Gang-Kriege war Anfang der 1990er der Hintergrund für eine weitere Spielart des Black Cinema: den sogenannten Ghettofilm. Inhaltlich knüpfte er am Blaxploitationfilm an, nur war der Sound diesmal vom wummernden Hip-Hop geprägt und seine Geschichten waren stärker an die sozialen Realitäten angebunden. Regisseure wie John Singleton ("Boyz in the Hood" , USA 1991 mit dem Rapstar Ice Cube), Ernest R. Dickerson ("Juice" , USA 1992) und Albert und Allen Hughes ("Menace II Society" , USA 1993) versuchten, mit ihren Filmen dem medial verbreiteten Bild des Ghettos entgegenzuwirken, und konzentrierten sich auf die Lebensumstände ihrer Figuren. Sie beschäftigte vor allem die Frage, wie schwarze Jugendliche aus der Spirale der Gewalt ausbrechen können, wenn ihnen die Gesellschaft kaum Möglichkeiten bietet.

Veränderte Bedingungen

Die veränderten Produktionsbedingungen und die zunehmende Amalgamierung "schwarzer Kultur" im Mainstream rechtfertigt die Frage, inwieweit man heute noch von einem Black Cinema sprechen kann. Fast ein Dutzend Produzenten/-innen stehen etwa hinter "Precious – Das Leben ist kostbar" . Und Filme wie "Hustle & Flow" (Craig Brewer, 2005) oder John Singletons "Shaft" - Zum Inhalt: Remake (USA 2000) spielen zwar mit afroamerikanischen Bildern, aber die Globalisierung der Vertriebswege und steigende Produktionskosten machen es inzwischen notwendig, dass ein Film ein breites Publikum erreicht. Schon deshalb lassen viele dieser Filme ein soziales Bewusstsein vermissen. Zudem haben sich die gesellschaftlichen Konflikte verschoben. Die Bruchstellen verlaufen nicht mehr ausschließlich entlang ethnischer, sondern zunehmend entlang sozialer Grenzen. Das soll nicht heißen, dass es heute in den USA keinen Rassismus mehr gibt. Aber andere Bevölkerungsgruppen, wie die hispanische, haben in den vergangenen zwanzig Jahren an Bedeutung gewonnen. Ein schwarzes Kino sollte heute weniger denn je mit Dichotomien als mit Vielstimmigkeit arbeiten. Zuallererst aber steht es vor der Herausforderung, dass es in unserer heutigen, hochgradig diversifizierten Mainstreamkultur seine spezifische Geschichte nicht vergisst.