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Faszination Mittelalter – Themen und Motive in Märchen- und Fantasyfilmen für Kinder
Viele Kinderfilme spielen im Mittelalter und variieren Märchen- und Fantasy-Motive. Der Artikel beschreibt, was diese Filme Kindern über ihre eigenen Alltagserfahrungen erklären.
Wie die meisten Märchen- und Fantasyfilme ist Zum externen Inhalt: König Laurin (öffnet im neuen Tab) im Mittelalter angesiedelt. Der Begriff Mittelalter beschreibt dabei weniger eine historische Epoche als einen imaginären Erzählraum mit bekannten Zum Inhalt: Genre-Elementen: Die feudale Welt von Königen, Rittern und Burgfräulein, Burgen und Turnieren wird angereichert durch mystische Zutaten wie Zauberschwerter, Kampfgürtel und Zwerge. Die Mischung ist bereits angelegt im Ausgangsstoff. Matthias Langs Film beruht auf der Südtiroler Heldensage um König Laurin, Teil des Sagenzyklus um Dietrich von Bern, der auch im Nibelungenlied seinen Auftritt hat. Allerdings geht Lang mit der Vorlage sehr freizügig um, bei der Figur des Königssohns Theo handelt es sich zum Beispiel um eine Neuerfindung. Doch Ausschmückungen waren bei der Überlieferung von Volkssagen ohnehin eher Regel als Ausnahme.
Nur Gut oder Böse
Das Mittelalter übt besonders auf Kinder eine faszinierende Wirkung aus, da es ihnen ermöglicht, der Fantasie freien Lauf zu lassen und in fremde Welten einzutauchen. Nicht umsonst orientieren sich Animationsfilme wie Zum externen Inhalt: Shrek – Der tollkühne Held (öffnet im neuen Tab) (2001) oder die "Herr der Ringe" -Trilogie (2001-2003) in ihren Bildmotiven und ihrer Zum Inhalt: Ausstattung stark an mittelalterlichen Darstellungen. Auch die Grenzen zu Märchen- und Zum Inhalt: Fantasy-Erzählungen verlaufen in dieser Ikonografie oft fließend. In "Shrek" fungieren die „Cameos“ von Schneewittchen und Aschenputtel einerseits als Parodien auf Walt-Disney-Klassiker und erschaffen gleichzeitig bei Jüngeren eine vertraute Motiv- und Figurenwelt. Die "Herr der Ringe" -Filme bedienen sich hingegen einer archaischen Drastik, die auch in vielen Fantasy-Geschichten zu finden ist.
Das Mittelalter erfüllt in den Filmen, die sich speziell an Kinder und Jugendliche richten, eine allegorische Funktion. Die vergangene Epoche verfasst eine Welt, die moralisch – ähnlich wie in Märchen und in der Fantasy – noch klar in Gut und Böse unterteilt ist. Innerhalb dieses überschaubaren Weltbilds thematisieren die Filme in diesem Artikel alterstypische Konflikte, die ein junges Publikum problemlos nachvollziehen kann.
Kampf ohne Schild und Schwert
Ein zentrales Thema in "König Laurin" ist die Furcht, den Ansprüchen des Vaters nicht gerecht zu werden. Um dem Vater seinen Heldenmut zu beweisen, stiehlt Theo sogar den Zaubergürtel Laurins. Das märchenhafte Objekt stellt die Versuchung dar, die schließlich zu der Einsicht führt, dass man stets zu sich und seinen Stärken stehen muss, statt vorzugeben, ein/e andere/r zu sein. Vater-Sohn- beziehungsweise Vater-Tochter-Konflikte finden sich häufig in Abenteuerfilmen vor mittelalterlicher Kulisse, so auch in der niederländischen Literaturverfilmung Zum externen Inhalt: Der Brief für den König (öffnet im neuen Tab). In der Nacht vor seinem Ritterschlag übernimmt der junge Schildknappe Tiuri einen geheimnisvollen Auftrag. Mithilfe des Bauernjungen Piak kann er diesen ausführen und erringt väterlichen Respekt. "Auch ohne Schwert und Schild" hat er sich als Ritter erwiesen. In ähnlicher Konstellation verhindert Königssohn Valdemar im skandinavischen Kinderfilmklassiker Zum externen Inhalt: Das Auge des Adlers (öffnet im neuen Tab) eine Verschwörung in Abwesenheit des Vaters. "Ich hätte auf dich hören sollen", sagt der unbedacht zur Sicherung der Grenzen aufgebrochene König und erweist sich damit als erwachsenes Vorbild, das Fehler eingesteht. Auch Kinder, so die ermutigende Botschaft, haben etwas zu sagen.
Einen noch wichtigeren Wert stellt in beiden Filmen allerdings die Freundschaft dar. Wie Tiuri findet auch Valdemar in einem Niedergestellten, dem Küchenjungen Aske, einen wichtigen Gefährten – nicht ohne zuvor seinen Stolz überwinden zu müssen. Der Bruch mit feudalen Standesschranken appelliert an das Gerechtigkeitsempfinden junger Zuschauender, denen Egoismus und Statusdenken aus dem eigenen Leben nicht fremd sind.
Zwischen Abenteuer und heiklen Themen
Die Beschäftigung mit Tod und Trauer ist in Mittelalter-Kinderfilmen nicht tabu, tritt jedoch meist hinter den Abenteueraspekt zurück. Am weitesten ging in dieser Hinsicht der Film "Die Brüder Löwenherz" (Schweden 1977), nach dem gleichnamigen Buch von Astrid Lindgren. Der todkranke Karl lässt sich von seinem älteren Bruder vom Reich Nangijala erzählen, in dem sie nach beider Tod wieder aufeinander träfen. Das Mittelalter wird in der Erzählung zum tröstlichen Jenseits, einem "Land voller Abenteuer und Lagerfeuer", in dem sich die Brüder Gefahren stellen müssen. Als Widerstandskämpfer gegen den bösen Herrscher Tengil erleben sie Hinrichtungen und müssen schließlich sogar Tengils Drachen Katla besiegen – ein klassisches Motiv alter Heldensagen. Die Verbindung einer sozialgeschichtlich glaubhaften Handlung um Unterdrückung und Auflehnung mit einer übersinnlichen Metaphorik kennzeichnet die Zum Inhalt: Adaption als frühen Fantasyfilm. Der grausame Bösewicht und die Sagengestalt des Drachen etablieren zwei eindrucksvolle Widersacher für die jungen Helden, die sich ihren Ängsten stellen müssen. Dieses Motiv zieht sich auch durch viele Märchen (Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Das tapfere Schneiderlein) und spiegelt die Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen wider.
Crossover aus Mittelalter und Gegenwart
Viele Filme spielen mit Verfremdungseffekten, indem sie ihre märchenhaften Geschichten mit moderner Alltagssprache verbinden oder auf humorvolle Weise aktuelle Bezüge herstellen. Auch Regisseur Lang bedient sich in "König Laurin" dieser Methode. Solche Crossovers haben einerseits einen komischen Effekt, modernisieren klassische Genres aber auch durch zeitgemäße Konflikte. In "König Laurin" ist es gerade Similde, die mit ihren aufmüpfigen Sprüchen weibliche Rollenbilder aus Märchen- und Mittelalter-Erzählungen konterkariert. Ein Vorbild hat sie in der Titelheldin des Animationsfilm Zum externen Inhalt: Merida – Legende der Highlands (öffnet im neuen Tab). Die schottische Prinzessin Merida soll einen per Turnier ausgewählten Bräutigam heiraten und findet das "voll unfair". Nach zahllosen Disney-Märchenprinzessinnen ist das selbstbewusste Mädchen die erste Heldin aus dem Hause Pixar. Um die Mutter umzustimmen, greift Merida allerdings – ähnlich wie Königssohn Theo – zu unerlaubten magischen Mitteln.
Gibt es auch Ritterinnen?
Um ähnliche Themen dreht sich auch der deutsche Animationsfilm "Ritter Trenk" (2015), der auf einer bekannten Kinderbuchreihe basiert. Unter der Herrschaft eines hartherzigen Lehnsherrn hat der neunjährige Trenk das Leben als Leibeigener satt und beschließt, an einem Ritterturnier teilzunehmen. Zur Erlangung der Ritterwürde muss er allerdings noch einen Drachen besiegen. Dabei hilft ihm die Ritterstochter Thekla, die selbst gern eine Ritterin wäre – ein Wunsch, den Trenk noch absurder findet als seinen eigenen. Mit viel Humor vermittelt der Film Kindern die feudalen Herrschaftsstrukturen und die ihnen zugrunde liegenden Geschlechterverhältnisse. Das idealisierte Ritterbild, das über Jahrhunderte zur Erziehung diente, gehört der Vergangenheit an.
Identifikation mit dem Mythos
Einen ganz anderen Zugang zu Mittelalter- und Sagenmotiven wählt der irische Animationsfilm "Brendan und das Geheimnis von Kells" (2009). Darin wird ein kleiner Mönch zuerst zum Helfer eines gütigen Illustrators und schließlich zum Schöpfer eines irischen Kulturguts – des berühmten "Book of Kells". Brendans Begegnungen mit Feen und Waldgeistern aus der keltischen Mythologie sind im Stil mittelalterlicher Buchmalerei wiedergegeben. Durch diese Werktreue behält das Buch von Kells, heute eine ähnliche Tourismusattraktion wie die mittelalterlichen Burgen im deutschsprachigen Raum, seine Funktion als nationaler Identifikationsmythos. Dieses kunstvolle Mittelalterbild, das sein junges Publikum in den Bann einer mythischen Welt schlägt, unterscheidet sich stark von dem Ansatz, den Matthias Lang für "König Laurin" gewählt hat. Lang schreibt die Laurin-Sage mit Blick auf seine junge Zielgruppe um und nutzt die Vergangenheit, um von der Gegenwart zu erzählen.