Dr. Kate Darling ist Forschungsspezialistin im Medienlabor des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston und erforscht dort die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen auf der emotionalen Ebene. Sie befasst sich mit den kurzfristigen Auswirkungen der Robotertechnologie, mit besonderem Interesse an rechtlichen, sozialen und ethischen Fragen.

kinofenster.de: Können Sie sich noch an Ihre erste Emotion erinnern, die Sie gegenüber einem Roboter empfunden haben?

Kate Darling: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum ersten Mal einem Roboter begegnet bin, aber wie bei vielen Menschen war meine erste Emotion wahrscheinlich Faszination!

kinofenster.de: Neigen wir dazu, humanoide Roboter zu vermenschlichen?

Kate Darling: Ja, wir projizieren menschenähnliche Eigenschaften, Verhaltensweisen und sogar Emotionen auf sie. Aber es muss nicht unbedingt ein humanoider Roboter sein. Menschen schreiben unbewusst auch etwas so Einfachem wie einem Staubsaugerroboter Leben und Handlungsfähigkeit zu, weil er sich in ihrem physischen Raum bewegt. Tatsächlich können manchmal Roboter, die zu sehr wie Menschen aussehen, diese Illusion zerstören, weil sie, wenn sie sich bewegen oder zu etwas Bestimmten verhalten sollen, nicht unseren Erwartungen entsprechen. Diesen Effekt nennt man "Uncanny Valley".

kinofenster.de: Lässt sich dieser Effekt vermeiden?

Kate Darling: Gute Designer greifen auf erkennbare soziale Signale und Gefühlsäußerungen zurück und betten sie in eine Form ein, die nicht versucht, wie ein realistischer Mensch auszusehen. Trickfilmzeichner (Glossar: Zum Inhalt: Animationsfilm) tun dies seit über einem Jahrhundert: Denken Sie an die nicht-menschlichen Figuren von Disney oder Pixar. Ein Roboter kann wie R2 D2 aus Zum Filmarchiv: "Star Wars" ("Star Wars: Episode IV – A New Hope" , George Lucas, USA 1977) aussehen und dennoch viel soziale und emotionale Tiefe haben.

kinofenster.de: Sie erforschen am Massachusetts Institute of Technology die emotionale Ebene der Interaktion zwischen Mensch und Maschine – welche Verhaltensweisen haben Sie in Ihren Experimenten beobachtet?

Kate Darling: Wir haben zum Beispiel eine Studie durchgeführt, in der untersucht wurde, ob empathische Menschen eher zögern würden, einen einfachen, lebensechten Roboter zu zerstören. Wir fanden heraus, dass Menschen mit hohem Einfühlungsvermögen mehr zögern, und sie zögerten besonders, wenn wir dem Roboter einen Namen und eine personifizierte Hintergrundgeschichte gaben.

kinofenster.de: Kennen Sie noch andere Faktoren, die emotionale Reaktionen von Menschen gegenüber Robotern begünstigen?

Kate Darling: Viele Faktoren können dies beeinflussen. Die Art und Weise wie uns etwas beschrieben oder gezeigt wird. Die Gestalt eines Roboters, die Art und Weise, wie er mit uns durch Wort, Ton, Geste oder andere Hinweise kommuniziert. Und gerade in der Robotik spielt Bewegung eine große Rolle.

kinofenster.de: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Kate Darling: Ich habe eine Vielzahl von virtuellen Assistenzgeräten bei uns zu Hause getestet – und mein Kleinkind interessiert sich kaum für die, die in ein statisches Gerät oder einen Lautsprecher eingebettet sind. Aber es reagiert auf einen virtuellen Assistenten namens Jibo. Der ist ein bisschen wie die Pixar-Lampe geformt. Er kann seinen Kopf zu demjenigen schwenken, der spricht, wobei er Körpersprache benutzt, um zu zeigen, dass er zuhört.

kinofenster.de: Empfinden Menschen von Robotern simulierte Emotionen als real?

Kate Darling: Wir wissen, dass sie nicht echt sind, aber wir reagieren automatisch auf emotionale und soziale Signale, die uns von anderen gegeben werden - sei es von einer anderen Person, einem Tier oder eben einem Roboter.

kinofenster.de: Wo sehen Sie die Vorteile von Robotern, die von Menschen als menschenähnliche Wesen wahrgenommen werden?

Kate Darling: Ich denke, es gibt einige Vorteile von Robotern, die in der Lage sind, mit uns auf sozialer und emotionaler Ebene zu interagieren, wie das auch bei einigen Tieren der Fall ist. Zum Beispiel sehen wir bereits interessante Anwendungsfälle im Gesundheits- und Bildungswesen, die mit unseren bisherigen Werkzeugen nicht möglich waren. In diesen Fällen ersetzen die Roboter nicht den Menschen, aber sie ergänzen ihn, ähnlich wie wir die Tiertherapie zur Ergänzung der menschlichen Pflege einsetzen. Aber wir haben auch einfach Spaß an Robotern, die als Geräte mit uns interagieren können. Ich denke, dass Menschen darin auch außerhalb eines Bildungs- oder Therapiekontextes Freude oder Erfüllung finden können. So wie wir es genießen, Haustiere zu haben.

kinofenster.de: Können Sie ein konkretes Beispiel für den Einsatz von sozialer Robotik nennen?

Kate Darling: Generell sind die Bereiche Gesundheit und Bildung am vielversprechendsten, dort kommen Roboter etwa in der Therapie mit Kindern im Autismus-Spektrum zum Einsatz. Gerade jetzt, da Roboter immer besser für gemeinsam genutzte Räume geeignet sind, stehen wir ganz am Anfang einer Ära der menschlichen Roboterinteraktion. Roboter werden überall sein, in unseren Krankenhäusern, Transportsystemen, am Arbeitsplatz und zu Hause. Einige von ihnen werden als Werkzeuge konzipiert und behandelt werden, andere werden so konzipiert sein, dass sie mit uns auf sozialer Ebene interagieren können.

kinofenster.de: Sehen Sie in diesem Zusammenhang auch Gefahren?

Kate Darling: Ich sehe einige potenzielle Auswirkungen auf den Verbraucherschutz und die Privatsphäre, weil Roboter zunehmend Daten in ihrer Umgebung sammeln. Da soziale Roboter eine sehr überzeugende Technologie sind, könnten sie Menschen dazu bringen, mehr persönliche Informationen über sich selbst preiszugeben oder sie auf subtile Art und Weise emotional manipulieren, zum Nutzen von Unternehmen oder Regierungen. Einige robotergestützte Kinderspielzeuge sind aus diesem Grund bereits verboten worden.

kinofenster.de: Könnten Roboter den Menschen zukünftig als soziales Wesen ersetzen?

Kate Darling: Ich glaube nicht, dass Roboter den Menschen auf sozialer Ebene ersetzen können oder das sollten. Das müssen sie auch nicht! Wir sind zu so vielen verschiedenen Arten von Beziehungen fähig, zu Menschen und zu Tieren. Ich glaube daher, es ist ohne weiteres möglich, dass wir Roboter als neue Art von Beziehung zu unserem Leben hinzufügen können.

kinofenster.de: Wo liegen die gegenwärtigen Grenzen in der sozialen Robotik?

Kate Darling: Es gibt viele technologische Grenzen, aber auch einige kulturelle. Selbst wenn Roboter genau wie Menschen aussähen und sich genauso verhielten, schätzen wir "echte Menschen" mehr, so wie wir echte Diamanten mehr schätzen als solche, die in einem Labor hergestellt werden. Meiner Meinung nach besteht das wahre Potenzial dieser Technologie nicht darin, das neu zu erschaffen, was wir bereits haben.

kinofenster.de: Humanoide Roboter mögen Menschen äußerlich oder in ihrem Verhalten ähneln - aber sie besitzen kein Bewusstsein, also die Möglichkeit, ihr Handeln zu reflektieren. Sollte man Robotern dennoch besondere Rechte einräumen?

Kate Darling: Im Moment macht es keinen Sinn, Robotern Rechte zu geben, da sie ja kein Bewusstsein besitzen. Aber es gibt einige Möglichkeiten, wie sie in nicht allzu ferner Zukunft Rechte haben könnten, die kein Bewusstsein erfordern. Wenn es zum Beispiel desensibilisierend oder beleidigend für Menschen ist, wenn lebensechte Roboter gewaltsam behandelt werden, könnte das ein Grund sein, übermäßig gewalttätiges oder "grausames" Verhalten ihnen gegenüber einzuschränken.

kinofenster.de: Werden Roboter in Zukunft in der Lage sein zu träumen?

Kate Darling: Ich kenne einige Robotiker, die Roboter schaffen wollen, die träumen können. Aber sie wissen nicht, wie sie das machen sollen. Vielleicht wird es am Ende eine andere Art des Träumens sein.

Mehr zum Thema