"Smerk, Oida, smerk! Bombe, Brudi, Oida, bombe! Es isso geil, Oida! Jetzt bist du einer von uns, Oida!" – Das sind die Worte Victors am Abend des Supermarkteinbruchs, der für Marko und Julian so tragisch enden wird. Ob solche Zum Inhalt: Drehbuchsätze als authentisch empfunden werden, entscheidet zuallererst das jugendliche Publikum. Jugendliche sind recht sensibel, was ihre eigenen, vielfältigen Ausdrucksformen betrifft, die einem schnellen Wandel unterliegen und manchmal doch "gewöhnlicher" sind, als man gemeinhin denkt.

Welche Sprache sprechen Jugendliche?

Zum Filmarchiv: "Einer von uns" zeichnet sich besonders durch den Gebrauch der österreichischen Umgangssprache aus. Dies zeigt bereits, dass es etwa im deutschsprachigen Raum die Jugendsprache nicht geben kann. Denn das Alter von Sprecher/-innen ist nur ein Faktor, der sich im Sprachgebrauch neben vielen weiteren Variablen wie der regionalen oder nationalen Herkunft niederschlägt. Des Weiteren haben auch die geschlechtsspezifische Sozialisation und andere gesellschaftliche Faktoren wie Schule, Familie und Freundeskreis Einfluss auf den Sprachgebrauch. Für Sprachwissenschaftler/-innen ergibt sich hieraus ein komplexes System aus Sprachen innerhalb einer Sprache, die auch Varietäten oder Lekte genannt werden und sich nicht strikt voneinander abgrenzen lassen.

Einer von uns, Szene (© Little Dream)

Zudem ist es nicht ganz einfach, die Jugend in Abgrenzung zum Erwachsenenalter zu definieren. Zählt man eine Filmfigur wie den dem Schulalter deutlich entwachsenen Victor zu den Jugendlichen oder bereits zu den Erwachsenen? Viele Ausdrucksweisen sind keineswegs jugendexklusiv und werden auch von älteren Sprecher/-innen (oder Schreiber/-innen) verwendet.

Jugendliche Kommunikation

Der Film greift einige Elemente, die man auch in echten Gesprächsaufnahmen Jugendlicher wiederfindet, zur gelungenen Darstellung seiner Figuren auf. Dies betrifft vor allem Mittel der Übertreibung bzw. Zuspitzung (Julian: "Voll schön!") sowie tabubesetzte, vulgäre Sprache (Marko: "Die ficken mich, weil ich Hausverbot habe!"; Victor: "Du, halt die Goschn!"). Durchgängig taucht der Ausdruck Alder bzw. Oida im Film auf. Dieser erfüllt in der gesprochenen Sprache Funktionen, die sich als Mischung aus Anrede (Victor: "Die Ehre, Oida!") und Mittel der Bekräftigung beschreiben lassen (Victor: "Oida, ihr seid solche Opfer, Oida!").

Als die Jungen aus Julians Clique das Graffito "Only god can judge me" auf einer Wand nahe dem Supermarkt anbringen, versuchen sie sich in immer neuen Runden mit Sprüchen ("Deine Mutter …") zu übertreffen. Dieses Phänomen lässt sich häufiger unter Jugendlichen beobachten und wird als "Topping-Prinzip" bezeichnet. Hierbei werden sprachliche Elemente aus der eigenen Lebenswelt und den Medien adaptiert oder scherzhaft imitiert.

Ohnehin kommunizieren Jugendliche häufiger im Scherz miteinander. Dies kann sich in Form von herausfordernden Frotzeleien für Außenstehende durchaus drastisch anhören, muss jedoch – anders als beim sog. Dissen – keine tatsächliche Beleidigung beinhalten. Oft sind auch Lästereien über Abwesende zu beobachten. Diese können zur Vergewisserung der eigenen Stellung dienen und ein Gruppengefühl herstellen.

Die Funktionen von Jugendsprache

Wichtige Themenfelder von Jugendsprache sind Freizeit, Schule und Medien. Mit Sprache bezeichnet man oft nicht nur nüchtern einen Sachverhalt. Gesprächsteilnehmer/-innen können sich z. B. durch bestimmte Ausdrucksweisen, Lautstärke oder nonverbale Kommunikation gegenseitig anzeigen, dass sie emotional beteiligt sind. Sprecher/-innen können sich darum bemühen, höflich zu sein oder sich sprachlich eher rücksichtslos verhalten. Darüber hinaus drücken sie fast durchgängig aus, dass sie sich bestimmten Denk-, Verhaltens- oder Konsumgewohnheiten zugehörig fühlen (z. B. Hip-Hop oder Cannabis wie im Film), andere hingegen ablehnen. Auch jugendliche Sprecher/-innen positionieren sich auf diese Weise innerhalb der eigenen Gruppe und grenzen sich von anderen Jugendlichen und der Erwachsenenwelt ab. In "Einer von uns" übernehmen der Supermarktleiter, die Polizisten und Lisas Mutter diese Rolle.

Einer von uns, Szene (© Little Dream)

Ein zentraler Schauplatz für Jugendsprache(n) ist die Schule. In den Unterrichtsgesprächen werden in der Regel Standarddeutsch und die Einhaltung von Gesprächsregeln gefordert. Bestimmte Ausdrucksweisen können von diesen institutionellen Anforderungen entlasten (z. B. Lästern über Lehrkräfte). Nebenkommunikation während des Unterrichts dient daher auch der Identitätsbalance im Spannungsfeld von Schule, Freundeskreis und eigenen Bedürfnissen. In vielen Fällen sind scheinbare Provokationen der Lehrkraft gegenüber gar nicht an diese adressiert, sondern eher an das Publikum, bestehend aus Mitschülerinnen und Mitschülern. Jugendliche sind im Allgemeinen durchaus in der Lage, ihren Sprachgebrauch situations- und adressatengerecht einzusetzen, wie aktuelle Forschungen zu sprachlicher Höflichkeit bei Jugendlichen nahelegen.

Veränderungen im Sprachgebrauch

Während die Erforschung der Funktionen des Sprachgebrauchs Jugendlicher ein vergleichsweise junges wissenschaftliches Forschungsfeld darstellt, sind die Klagen über den angeblich verderblichen Einfluss der Jugend und ihren Sprachgebrauch alt. Von Phänomenen wie den Studentensprachen im 19. Jahrhundert, der Halbstarken-Kultur der 1950er (einen Eindruck vermittelt der deutsche Spielfilm "Die Halbstarken" von 1956), der 68er-Bewegung mit den sogenannten Sponti-Sprüchen bis hin zu aktuelleren Entwicklungen finden sich zeitgleich immer auch Kritiker, die den schlechten Einfluss auf die angeblich bedrohte deutsche Sprache befürchten.

Sprachwandelprozesse mit Einflüssen aus anderen Sprachen – u. a. aus dem Lateinischen (Mauer von lat. murus; frühes Mittelalter), dem Französischen (Ingenieur; 18. Jh.) oder dem Englischen (Keks von cakes; 19 Jh.) – fanden über die gesamte Sprachgeschichte hinweg statt und bereicherten die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen. Auch ehemals als vulgär ("geil") oder jugendsprachlich ("cool") konnotierte Ausdrücke werden mittlerweile in der allgemeinen Umgangssprache verwendet.

Einfluss der Medien

In den vergangenen Jahren erfahren die sogenannten – nicht frei von kommerziellen Interessen – gewählten Jugendwörter des Jahres wie Yolo (You only live once), Babo (Chef) oder Smombie (Smartphone-Zombie) wachsende mediale Resonanz und sind daher immer wieder ein schöner Anlass, über Sprache nachzudenken. Sie spiegeln jedoch nicht immer den tatsächlichen Sprachgebrauch wider und werden daher von Jugendlichen häufig eher ironisch und als Teil von Scherzkommunikation eingesetzt.
Regisseur Stephan Richter gelingt es mit "Einer von uns" , ein aktuelles Abbild jugendlicher Sprechweisen zu vermitteln. Zahlreiche andere Medienformate wie Fernseh- und Radiosendungen, Popmusik, YouTube-Videoformate oder auch der jüngst an den Kinokassen sehr erfolgreiche Zum Filmarchiv: "Fack ju Göhte" inszenieren geschickt Jugendsprachlichkeit. Dabei spiegeln sich jene Medieninhalte durchaus in jugendlichen Sprechweisen, genauso wie sich die jugendliche Alltagssprache im medialen Diskurs widerspiegelt. Dieser Prozess unterliegt im Zeitalter von Social Media einer zunehmenden Beschleunigung.

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