Kategorie: Filmbesprechung
"Die langen hellen Tage"
Georgische Coming-of-Age-Geschichte um zwei junge Mädchen, welche während eines Bürgerkriegs um ihre Zukunft fürchten müssen
Unterrichtsfächer
Thema
Tiflis, 1992: Die Freundinnen Eka und Natia durchleben ihre Pubertät in den Wirren des georgischen Bürgerkriegs, wenige Jahre nach dem Zusammenbruch der UdSSR. Im Land herrscht Mangel, die Stimmung in der Bevölkerung ist angespannt und aggressiv. Für die beiden Mädchen ist der Alltag in einer von patriarchalen Vorstellungen dominierten Gesellschaft nicht leicht. In ihren Familien finden sie auch keinen Rückhalt, Ekas Mutter muss die Kinder alleine durchbringen, weil der Vater wegen eines Mordes im Gefängnis sitzt. Natias Vater ist Alkoholiker und macht seiner Familie das Leben zur Hölle. Während Natia sich den Avancen eines aggressiven Verehrers erwehren muss, sucht die introvertierte Eka Orientierung. Als den Mädchen eine Pistole in die Hände fällt, realisieren sie erstmals die gefährliche Verlockung der Gewalt, die sie umgibt.
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Die langen hellen Tage"
basiert auf den persönlichen Erfahrungen von Regisseurin und Drehbuchautorin Nana Ekvtimishvili. Der Kontrast zwischen einer unbeschwerten Jugend und der instabilen politischen Situation ihres Landes könnte nicht größer sein. Ekvtimishvili gelingt es mit Hilfe des rumänischen Kameramanns Oleg Mutu ("Der Tod des Herrn Lazarescu"
, Zum externen Inhalt: 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage (öffnet im neuen Tab)), diesen Widerspruch aufzulösen. Ihr Film beschreibt das Leben der Mädchen in ruhigen, oftmals sonnendurchfluteten Zum Inhalt: Einstellungen. In ihren gemeinsamen Szenen kommt ein unerschütterlicher Optimismus zum Ausdruck, den Eka und Natia unbeirrt gegen alle äußeren Widrigkeiten behaupten. Die Solidarität der Mädchen, wenn sie gemeinsam die Schule schwänzen und sich stattdessen den Vormittag mit Autoscooter-Fahren vertreiben, stellt ein soziales Gegenmodell zu einer Gesellschaft dar, die nach dem Recht des Stärkeren funktioniert.
"Die langen hellen Tage" wirft Fragen auf, die sowohl im Geschichts- und Politikunterricht, als auch in den Fächern Ethik oder Sozialkunde eine Diskussionsgrundlage bieten. Der Film schildert eine auf männlichen Werten begründete Gesellschaft, in der Frauen noch von der Straße entführt und zur Heirat gezwungen werden dürfen. Gleichzeitig sind die Väter von Eka und Natia auf unterschiedliche Weise abwesend. Dieser Gegensatz kann herangezogen werden, um im Unterricht die Auswirkungen eines Bürgerkrieges auf eine Gesellschaft zu diskutieren. Wie macht sich der Krieg im Alltag bemerkbar, obwohl er nie unmittelbar thematisiert wird? Trotz allem benehmen sich Eka und Natia aber auch wie gewöhnliche pubertierende Mädchen, die heimlich auf dem Schulklo rauchen und mit Freundinnen herumalbern. Durch welche filmischen Mittel erzählt der Film trotz der wenig hoffnungsvollen sozialen Verhältnisse eine optimistische Coming-of-Age-Geschichte? Durch die Waffe manifestieren sich schließlich die charakterlichen Unterschiede zwischen den beiden Mädchen. Anhand dieses Motivs kann im Unterricht der Umgang mit Gewalt eingehender thematisiert werden.