Eine göttliche Lage für Dortmund? Arbeiten und Ausgehen, Freizeit und Erholung verspricht die Phoenixsee-Entwicklungsgesellschaft für den Stadtteil Hörde in Dortmunds Süden, der bis 2001 einer der wichtigsten Stahlstandorte weltweit war. Nun soll ein See auf dem ehemaligen Industrieareal entstehen, flankiert von modernistischen Villen. Ein rüstiger Radrennfahrer erklärt vor der zu flutenden Halde: „Dortmund hat kein Bier mehr (…) Kein Stahlwerk. Kein Pütt. Es wird nur noch Freizeit gemacht.“ Kein Pütt, das ist Ruhrgebietsslang und meint den Bergbau. Die Essenz des Potts, die alten Schwerindustrien, verschwindet langsam. Loeken und Franke lassen in ihrer Langzeitdokumentation beide Seiten zu Wort kommen: die Immobilienspekulanten und die Alteingesessenen im ehemaligen Arbeiterviertel.

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Bereits zum dritten Mal beschreiben die Dokumentarfilmerin Ulrike Franke und der Dokumentarfilmer Michael Loeken den Strukturwandel im Ruhrgebiet: Nach "Losers and Winners" und "Arbeit, Heimat, Opel" verfolgten sie über einen Zeitraum von fünf Jahren die langsame Loslösung der Erinnerung an ein Leben im Schatten des Stahlwerks. Statische Zum Inhalt: Totalen lassen den Blick auf der Metamorphose des ehemaligen Industriegeländes ruhen, die Handkamera setzen Loeken und Franke ein, wenn sie ihre Protagonist/-innen begleiten. Zu Wort kommen unter anderem: ein Streifenpolizist, Anwohner der betroffenen Weingartenstraße, ein Mitglied des Heimatvereins, der für den Erhalt einer historischen Thomasbirne kämpft. Kurz wird sogar der ahnungslose „Dallas“-Star Larry Hagman für die feierliche Eröffnung eingeflogen. Der Film dokumentiert humorvoll den Modernisierungsjargon der Entwicklungsgesellschaft, er zeigt am Beispiel einer Kioskbesitzerin aber auch, wie existenzgefährdend die städtebaulichen Veränderungen für die Anwohner sind.

Entwicklungsprojekte wie den Phoenixsee gibt es zahlreiche. Anhand des Films können die Schülerinnen und Schülern im Unterricht überlegen, ob sie ähnliche Beispiele aus ihrer Region kennen. Worin liegen aber die Besonderheiten des Phoenixsee-Projekts und in welchen Punkten haben die Erfahrungen der Bewohner/innen einen allgemeingültigen Charakter? Da der Dokumentarfilm keine Partei ergreift, könnte darüber hinaus diskutiert werden, ob Hörde für einen gelungenen Versuch der Politik steht, dem Ruhrgebiet und Dortmund ein neues Image zu geben. Der Film thematisiert auch Aspekte des Naturschutzes, wenn etwa die Immobilienmakler mit einer Jagdlizenz das wachsende Vogelaufkommen am künstlichen See eindämmen wollen. Unter filmischen Gesichtspunkten bietet es sich an, die Machart von "Göttliche Lage" zu untersuchen. Mit seinen Zum Inhalt: langen Einstellungen und dem Zum Inhalt: Cinema Direct-artigen Stil könnte er auf Jugendliche etwas altmodisch wirken. Inwiefern unterstützt diese Herangehensweise aber die Intention der Filmemacher? Welcher Dokumentarfilmschule sind sie zuzuordnen? Hier bietet sich ein Vergleich mit Filmemachern wie Volker Koepp, Harun Farocki oder Frederick Wiseman an.

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