Kategorie: Filmbesprechung
"Über uns von uns"
Langzeitporträt von sieben jungen Frauen mit Fluchterfahrung, die in einer brandenburgischen Kleinstadt ein neues Leben beginnen
Unterrichtsfächer
Thema
Die sieben jungen Frauen, die diesen Film mit ihren Träumen und ihren Geschichten tragen, wurden nicht in Deutschland geboren. Sie kamen hierher, weil ihre Familien aus ihren Heimatländern – etwa Syrien, Libanon und Irak – fliehen mussten. Durch Zufall (und das bundesweite Asylverteilsystem) landeten sie in Eberswalde, einer Kleinstadt in der Nähe Berlins. Als Neuankömmlinge sind sie in der deutschen Provinz mit diversen Herausforderungen konfrontiert: der Sprachbarriere, der ungewohnten Umgebung und dem Verlust von Freund/-innen und Familienmitgliedern. Hinzu kommen bei fast allen traumatische Erlebnisse vor und während der Flucht, aber auch die Konfrontation mit Diskriminierung und Rassismus in der neuen Heimat. Als wäre das nicht genug, kommt dazu noch das, was alle Teenager kennen: das Ringen mit Selbstzweifeln, dem inneren Schweinehund und dem Leistungsdruck in der Schule. Dass trotz dieser schwierigen Ausgangslage mit "Über uns von uns" ein Zum Inhalt: Dokumentarfilm entstanden ist, in dem zwar auch mal geweint, aber viel mehr gelacht und getanzt wird, ist sowohl den charismatischen Protagonistinnen als auch der Regisseurin Rand Beiruty zu verdanken.
Beiruty, die selbst aus Jordanien stammt, begleitete die Mädchen fünf Jahre lang in einer Langzeitbeobachtung. Dabei nahm sie verschiedene Rollen ein, war neben Dokumentarfilmerin auch Vertraute und – vor allem am Anfang – Übersetzerin. Gemeinsam mit verschiedenen Künstlerinnen initiierte sie regelmäßig Workshops, in denen die jungen Frauen ihre Hoffnungen, Ängste und Träume mit künstlerischen Mitteln zum Ausdruck bringen. Die Kamera ist immer nah dabei (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen), sei es in der Schule, während der Workshops oder auch im Kreis der Familien. So vermittelt sie ein Gefühl für den Alltag der Mädchen, die offen über die Herausforderungen sprechen, mit denen sie konfrontiert sind. Je näher der Zeitpunkt des Schulabschlusses rückt, desto mehr konzentriert sich alles auf die Frage, welchen Beruf und welches Leben sich die jungen Frauen wünschen und wie sie ihre Chancen einschätzen, ihre Ziele tatsächlich zu verwirklichen. In aufwendig inszenierten Zum Inhalt: Traumsequenzen gegen Endes des Films haben sie ihren Wunschberuf schließlich erlangt und präsentieren sich der Kamera als Flugbegleiterin, Ärztin oder Betreiberin eines Cafés.
"Über und von uns" vermittelt, wie es sich anfühlt, in einer ohnehin vulnerablen Lebensphase in eine neue Umgebung zu kommen. Für Jugendliche, die selbst ähnliche Erfahrungen gemacht haben, eröffnen sich wichtige Identifikationsmöglichkeiten. Mit Hilfe dieses Films lassen sich in den Fächern Religion, Ethik und Sozialkunde Gespräche über Integration, interkulturelle Unterschiede und Identität führen, ohne dass Mitschüler/-innen mit Migrationserfahrung automatisch als Projektionsfläche dienen müssen. Empathie und Verständnis werden so gefördert. Filmanalytisch lässt sich der Verzicht auf einen erklärenden Kommentar (Glossar: Zum Inhalt: Voiceover) untersuchen, indem am Beispiel einzelner Zum Inhalt: Szenen ausprobiert wird, wie sich die Wirkung von Szenen durch eine Erläuterung verändert. Erkenntnisreich ist auch ein Fokus auf die inszenierten Traumsequenzen. Hier lässt sich analyiseren, wie die gezielt eingesetzten filmischen Gestaltungsmittel (etwa Zum Inhalt: Licht, Zum Inhalt: Filmmusik, Zum Inhalt: Bildkomposition und Zum Inhalt: Spezialeffekte) die Wahrnehmung der jungen Frauen verändern. Wer praktisch und kreativ arbeiten möchte, kann die Traumsequenzen als Anregung nutzen, um mit Schüler/-innen eigene Zukunftsträume zu inszenieren und mit Fotos oder Video zu dokumentieren.