Die jüdischen Wurzeln seiner Familie haben Leandro, der in Buenos Aires dem ungeliebten Job als Hochzeitsfilmer nachgeht, bisher wenig interessiert. Doch dann begegnet er auf einer jüdischen Hochzeit der Klarinettistin Paloma. Um ihr zu imponieren, behauptet er, einen Film über Klezmer zu drehen, obwohl er kaum etwas von der Musik weiß. Als Paloma für Recherchen und Konzertauftritte nach Europa reist, folgt ihr Leandro. In Österreich trifft er einen alten Freund, dem er von seinem erfundenen Filmprojekt erzählt und der ihm hierfür beim öffentlichen Rundfunk tatsächlich Fördermittel besorgt. Gemeinsam gehen sie auf einen Roadtrip und folgen den Spuren Palomas und des Klezmers. Im Dreiländereck von Ukraine, Rumänien und Moldawien angekommen, müssen sie jedoch feststellen, dass diese Musiktradition vor Ort beinahe ausgestorben ist. Nur in der Musik der Rom/-nja haben jüdische Melodien überlebt. Bereitwillig zeigen lokale Künstler/-innen dem Kamerateam ihr Können: Es sind letzte Zeugnisse des interkulturellen Zusammenlebens in einer einst von vielen ethnischen Gruppen bewohnten Region.

Leandro Koch und Paloma Schachmann sind selbst die Hauptdarsteller/-innen ihres Zum Inhalt: Roadmovies, das an eine lange Reihe von Filmen über jüdisches Leben in Osteuropa und dessen Vernichtung anschließt. Im Unterschied jedoch zu Filmen wie "Anatevka" (Norman Jewison, USA 1971), "Alles ist erleuchtet" ("Everything is Illuminated" , Liev Schreiber, USA 2005) oder auch "Ivan und Abraham" ("Moi Ivan, toi Abraham" , Yolande Zauberman, FR 1993) wählte das Zum Inhalt: Regie-Duo nicht das Zum Inhalt: Spielfilmformat, um die ausgelöschte Schtetl-Kultur zu visualisieren und griff auch nicht wie Zum Filmarchiv: "Three Minutes – A Lengthening" (Bianca Stigter, USA/NL 2022) auf die wenigen erhaltenen Filmdokumente zurück – "Das Klezmer Projekt" bewegt sich semifiktional zwischen Spiel- und Zum Inhalt: Dokumentarfilm. Über dem ausschließlich zeitgenössischen Bildmaterial liegt immer wieder kontrapunktisch ein Zum Inhalt: Voice-Over, in dem eine Frau auf Jiddisch die Geschichte des Totengräbers Yankel aus einem Schtetl vorliest. Die Erzählung weist Parallelen zu der des Hauptdarstellers Leandro auf, entführt die Zuschauer/-innen aber auch in eine heute nicht mehr existierende Welt. Die Kamera agiert zumeist statisch (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen). Abwechselnd zeigt sie Landschaften, Orte und Menschen in ihrem Alltag. Die Einstellungen evozieren die Leerstelle, die der Verlust der jiddischen Kultur darstellt. Zugleich laden sie im Zusammenspiel mit der Erzählung und dem Klezmer ein, sie mit imaginierten Bildern zu ergänzen. Unterbrochen werden die Aufnahmen durch kurze Interviewsequenzen (Glossar: Zum Inhalt: Sequenzen) und musikalische Intermezzi (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik). Die Roma-Musik funktioniert dabei wie die jiddische Sprache als kulturelles Gedächtnis.

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Das Klezmer Projekt, Trailer, OmU (from Jürgen Lütz on Vimeo).

"Wir suchten nach Musikern, Synagogen, Hochzeiten, Konzerten, aber fanden nichts", sagt Leandro einige Tage nach Ankunft des Kamerateams in der Ukraine. Diese Aussage führt zu der Frage nach dem Grund des Verschwindens und kann im Geschichtsunterricht die Auseinandersetzung mit der Zerstörung jüdischen Lebens in Osteuropa durch den Holocaust einleiten. Nach 1945 lebte die ostjüdische Tradition im Exil weiter, vor allem in Nord- und Südamerika, wohin rund zweieinhalb Millionen Jüdinnen und Juden zwischen 1880 und 1930 emigriert waren – überwiegend in die USA, gefolgt von Argentinien. Zu ihnen zählte auch Leandros Familie. Vom Einzelschicksal ausgehend können Wege der Migration nachvollzogen werden, die Schüler/-innen sollten dabei lernen, zwischen ökonomisch motivierter Auswanderung, Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung zu unterscheiden. "Das Klezmer Projekt" liefert für die Fächer Politik oder Geografie aber auch interessante Einblicke, um sich mit den aktuellen Lebensrealitäten der Menschen im Dreiländereck Rumänien, Ukraine, Moldawien zu beschäftigen. Im Musikunterricht wiederum bietet der Film einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit Klezmer. So könnten einzelne Melodien analysiert und das Instrumentarium dieses Genres erschlossen werden.

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