Kategorie: Serienbesprechung
"Fünf Jahre"
Tschechische Serie über sexuelle Gewalt, ihre Folgen und den gesellschaftsadäquaten Umgang
Unterrichtsfächer
Thema
Disclaimer: "Fünf Jahre" setzt sich explizit mit sexueller Gewalt auseinander. kinofenster.de empfiehlt Lehrenden, die Serie vor dem Unterrichtseinsatz selbst zu sichten, um über eine Eignung für die jeweilige Lerngruppe zu entscheiden. Der folgende Text enthält Spoiler über den Handlungsverlauf der Serie.
Die Studentin Tereza blickt einer Zukunft als Buchautorin entgegen, doch auf dem Weg zu ihrem ersten Verlagstermin holt sie die Vergangenheit ein. David, ein ehemaliger Mitschüler, begegnet ihr zufällig auf der Straße. Vor fünf Jahren, am Tag ihres Schulabschlusses, ist Tereza von einer Party betrunken mit David nach Hause gegangen – und dort von ihm vergewaltigt worden. So erinnert Tereza die Nacht. Als sie ihn nun mit dem Vorwurf konfrontiert, reagiert David empört. In seiner Wahrnehmung war es ein einvernehmlicher One-Night-Stand. Auch sein damaliger bester Freund sieht es so: "Sie hat dich total angemacht." Aus Angst vor einer Enthüllung weiht David zumindest andeutungsweise seine Freundin Emma ein. Währenddessen beginnt Tereza unter dem Druck ihrer Verlegerin die Arbeit an einem persönlichen #MeToo-Buch und macht den Vorwurf auf Instagram öffentlich. Davids Eltern, aber auch Terezas Mutter, die intime Themen lieber im Privaten belassen will, lehnen das vehement ab. Für Tereza ist die Konfrontation aber wichtig, weil sie seit dem traumatischen Ereignis in ihren Beziehungen kein Vertrauen mehr zulassen kann.
Die tschechische Mini-Serie "Fünf Jahre" , konzipiert von der Autorin (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) Sára Zeithammerová und dem Regisseur Damián Vondrášek, setzt sich differenziert mit sexueller Gewalt auseinander. Die feministische Perspektive einer selbstbestimmten Frau, die eigene Erlebnisse aufarbeitet, ähnelt "I May Destroy You" (Michaela Coel, Sam Miller, GBR/USA 2020) und anderen Serientiteln seit dem Beginn der #MeToo-Bewegung. In der Reduktion auf einen alltäglichen Fall verhandelt "Fünf Jahre" besonders prägnant und zeitgemäß die Bedeutung von Konsens bei sexuellen Erfahrungen von Jugendlichen. Die zehn kurzen Folgen (etwa 15 Minuten) beginnen jeweils mit Zum Inhalt: Rückblenden, die nach und nach die Ereignisse jener Nacht enthüllen, bevor anschließend die aktuellen Entwicklungen aus Sicht der beiden Hauptfiguren gezeigt werden. Mit dieser Zum Inhalt: Dramaturgie werden Tereza und David nicht von Vornherein als Opfer und Täter gezeichnet, sondern entfalten sich als vielschichtige Charaktere; der Blick auf ihre Werte und Motive ändert sich mehrfach. Erst die neunte Folge zeigt die tatsächliche Vergewaltigung, aber auch, dass David beginnt, Verantwortung dafür zu übernehmen.
Sexistischer Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt sind als Thema im Bildungsbereich lange vernachlässigt worden, mittlerweile aber in mehreren Fächern höchst relevant. Audiovisuelle Erzählungen bieten zur Vermittlung anschauliches Potenzial, weil sie die Ambivalenzen sozialer Begegnungen darstellen können; zugleich sollten Werke mit expliziten Gewaltdarstellungen (hier insbesondere Folge 9) sensibel und in Absprache mit der Lerngruppe eingesetzt werden. "Fünf Jahre" eignet sich gut für eine Unterrichtsreihe, wenn alle Episoden gesehen werden können (in der arte-Mediathek können die Schüler/-innen einzelne Folgen auch als Hausaufgabe anschauen). Bei der Vertiefung im Unterricht sollte eine Analyse der beiden Figuren im Fokus stehen: Warum will Tereza über die Vergewaltigung schreiben? Wie verändert sich Davids Haltung im Laufe der Serie? Beim Magazin Pinkstinks können die Schüler/-innen zum Begriff sexueller Konsens recherchieren. Die Serie zeigt auf, dass das Bewusstsein für Übergriffe, die im Graubereich einvernehmlicher Handlungen beginnen, wichtig ist. Sie fragt aber auch, ob öffentliche Vorwürfe immer der richtige Weg sind. Welche Arbeit können Täter/-innen leisten, wenn sie ihre Schuld anerkennen?